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Sci-Fi / Fantasy Die Saat

Luzifer

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Der Name Guillermo del Toro stand bislang in keinem Bücherregal, dafür in ausgewählten DVD-Schränken und Auslagen. Mit Filmen wie Blade II, Pan’s Labyrinth und Hellboy wurde der Name dieses Regisseurs vielen Cineasten ein Begriff. Nun hat es sich der Filmemacher nicht nehmen lassen auch selbst die Schöpfung eines Textes in die Hand zu nehmen. Zusammen mit seinem Co-Autor Chuck Hogan veröffentlichten sie „Die Saat“: der Auftakt zu einer Trilogie über den Kampf zwischen Gut und Böse.


Ephraim Goodweather ist Chef des „Canary“ Projekts, einem Frühwarnsystem der New Yorker Seuchenschutzbehörde, welches alarmierende Warnsignale in der Bevölkerung, die auf eine aufkeimende Pandemie schließen lassen, auswertet und zu bekämpfen versucht. Als Experte auf dem Gebiet von Seuchen und seltsamen Krankeitserregern wird er in einer schicksalshaften Nacht zum JFK-Flughafen gerufen – trotz seines freien Wochenendes, welches er mit seinem Sohn verbringen wollte. Grund hierfür ist der unerklärliche Totalausfall eines Flugzeuges auf der Landebahn. Sämtliche Lichter, der Strom und der Funktkontakt sind erloschen – was eigentlich gar nicht sein kann. Und warum öffnet keiner der Passagiere das Flugzeug von innen? Ein Terroranschlag? Nach den Erfahrungen des 11. Septembers 2009 sind alle Organe in größter Alarmbereitschaft und nach den ersten Tests, die ohne Ergebnisse verliefen ist Ephraim Goodweather die Speerspitze der Behörden.

Mit seiner Kollegin Nora ist Eph – wie er von allen genannt wird – der erste an Bord des Flugzeuges und steht vor einem Mysterium: alle Passagiere und die Crew samt den Piloten sind tot. Jeder für sich sitzt still in sich zusammengesunken auf seinem Platz. Kein Anschein einer Panik. Gas konnte auch ausgeschlossen werden. Und die späteren Obduktionen werden schier unglaubliches feststellen: Alle Personen sind blutleer und tragen seltsame Tumore in sich. Aber nicht alle Personen sind bei dem undurchschaubaren Phänomen gestorben. Insgesamt drei Fluggäste und der Co-Pilot weisen schwache Lebenszeichen auf und werden umgehend in Quarantäne verbracht, während die Toten auf die Leichenhäuser der Stadt verteilt werden.

Als Abraham Setrakian von dem Vorfall erfährt, weiß er sofort, das es begonnen hat! Fast sein ganzes Leben hat er auf diesen Augenblick gewartet und sich darauf vorbereitet. Vorher muss er aber erst diesen Ephraim Goodweather finden, der in allen Medien zu sehen war. Das ist zunächst schwieriger als erhofft. Und wer glaubt schon einem vermeintlich senilen, alten und herunter gekommenen Pfandleiher?

Und während über New York ein astrologisches Spektakel die Bürger in Staunen versetzt, kommen Eph und Nora einer medizinischen Kuriosität auf die Spur, die es so eigentlich nicht geben dürfte: Die vermeintlich toten Fluggäste sind nämlich gar nicht tot! Und wieso tragen sie alle feine dünne Stiche an ihren Hälsen?


Wer glaubt Vampirromane haben ausgesorgt, der irrt gewaltig. Zwar wurde seit Jahrhunderten dieses Thema wieder und wieder für Bücher, Filme und sonstigen Medien aufbearbeitet und neu interpretiert. Aber die Faszination ist seit dem nicht geschwunden. Chuck Hogan und Guillermo del Toro haben sich ebenfalls an den Vampirmythos heran gewagt und ihm ein neues Antlitz verliehen.
Ihre Vampire haben nichts mit Nosferatu oder Graf Dracula gemein. Sie haben keine spitzen Zähne, verwandeln sich auch nicht in Fledermäuse oder Ratten und Weihwasser hält sie ebenfalls nicht ab. Die Sucht nach Blut teilen sie aber nach wie vor mit Blade & Co.

Die Autoren waren sehr bedacht darauf, das Bild ihrer Vampire deutlich von bekannten Klischees und bestehenden Beschreibungen abweichen zu lassen. Sie wollten ihn neu erfinden und das ist ihnen weitgehend auch gelungen. Allerdings „stiehlt“ Guillermo del Toro hier bei sich selbst. Denn die Vampire verfügen über einen ausklappbaren Kiefer und einem Stachel, der daraus hervor fährt. Ansätze hierzu waren schon bei der Rasse der „Reaper“ bei Blade II zu erkennen, bei dem del Toro Regisseur war.

Mit medizinischer Genauigkeit und einem Wust an Fachbegriffen wird die Verwandlung der Menschen zum Vampir dargelegt und lässt für den Leser keinen Zweifel an dem Wahrheitsgehalt der Darstellung.

Und obwohl sich Hogan und del Toro so eine Mühe mit der Neuerfindung „ihres“ Vampirs gemacht haben, ist die Geschichte gespickt mit Klischees vergangener Vampirromane. Da wäre z.B. der Sarg des Erzvampirs, die Sonnenfinsternis, das tödliche Silber, die rein zufällige Zusammenkunft der verschiedenen Protagonisten mit jeweils besonderen Fähigkeiten, die sich zu einer Gruppe zusammen schließen für den Kampf gegen das Böse (dieser Aspekt dürfte besonders Rollenspielern sehr bekannt vor kommen). Und schließlich auch die Charakterzeichnung der Figuren selbst. Eph ist genial in seinem Fachbereich, was zur Vernachlässigung und folglich auch zur Scheidung von seiner Frau führte. Er ist ehemaliger Alkoholiker und sein ein und alles ist der 11jährige Sohn. Ein Verhältnis zu seiner Partnerin Nora verbindet sie doppelt. Der alte Pfandleiher verfügt über das Wissen und den Zugang zu Waffen gegen die Vampire und der vierte Partner im Bunde hat die Muskeln.

An dieser Zusammenstellung ist nichts neu und enthält auch keine neuen Aspekte, was die Handlung insgesamt wieder durchschnittlich werden lässt.

Teilweise ist die Sprache des Roman auffällig analytisch. Mit Fachtermini wird nur so um sich geworfen, was den Leser dazu bewegen mag einfach über die Begriffe hinweg zu fliegen. Dabei ist das nicht auf bestimmte Bereiche eingegrenzt: Organe, Behördenabläufe, medizinische Untersuchungen, Beschreibung der Sonnenfinsternis, etc. Alles ist genau recherchiert und leider auch genau so übernommen worden. Hierdurch entsteht unregelmäßig das Gefühl ein Lexikon in Händen zu halten. Zum Glück lässt diese anatomische Genauigkeit mit Fortschreiten der Handlung nach, wo es vermutlich nicht mehr für Nötig erachtet wurde.

Wenn zwei Autoren zusammen einen Roman schreiben ist Arbeitsteilung gefragt. Angenehmer Weise ist beim Lesen des Thrillers nicht ersichtlich an welchen Stellen, welcher Autor das Ruder übernommen hatte. Das Buch ist durchgehend in einem Stil geschrieben bzw. gut überarbeitet worden. Das spricht für das Autorenduo (oder den Lektor).

Die Aufmachung der gebundenen Ausgabe ist ein Hingucker. Der silbrig-matt glänzende Schutzumschlag mit geronnenem Blut und dem Titel bzw. den Autorennamen, in rot eingestanzt, macht wirklich Eindruck. Und auch im Inneren teilen geschwärzte Seiten die Kapitel voneinander, was der Stimmung absolut förderlich ist.


„Die Saat“ sollte den Vampirroman neu erfinden. Das ist dem Buch allerdings nur zum Teil gelungen. Während die Handlung selbst eher mittelmäßig ist, gelang die nachvollziehbare und detailliert beschriebene Neuerfindung der Vampirrasse durch del Toro und Hogan sehr gut. Freunde des Horrorthrillers werden bei der Lektüre auf ihre Kosten kommen. Splatterelemente sind in Auszügen ebenso vorhanden, wie eine feine Charakterzeichnung, mit bereits erwähnten Makeln. Die 524 Seiten lesen sich zügig und enden mit der Erwartung auf die Fortsetzung. Der Name des zweiten Teils der geplanten Trilogie ist noch nicht bekannt. Obwohl noch nicht bestätigt, ist zu vermuten, dass ein Roman, der von einem Regisseur geschrieben wurde über kurz oder lang auch verfilmt wird. Deutliche Ansätze zu einer geplanten Filmadaption enthält der Film zu Hauf.


Über die Autoren:

Chuck Hogan ist Autor internationaler Thriller-Bestseller wie »Endspiel« und »Mördermond«. Für »Endspiel« wurde er mit dem renommierten »Hammett Award« ausgezeichnet. Chuck Hogan lebt in Massachusetts.

Guillermo del Toro ist Regisseur u.a. bereits genannter Filme. Zudem wurde er verpflichtet bzw. gewonnen für die filmische Umsetzung des „Hobbits“, welcher gerade gedreht wird.

Ins Deutsche wurde der Roman von Jürgen Bürger und Kathrin Bielfeldt übersetzt. Fehler oder Ungereimtheiten sind nicht vorhanden.


Vielen Dank an den Heyne Verlag, welcher diese Rezension ermöglichte.
 
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