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Die Prüfung

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Albero

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[FONT=&quot]Mirko Claas schaute regungslos seinem Professor in die Augen. Natürlich brauchte er nicht erwarten, dass er Emotionen für ihn empfand. Für ihn war die Prüfung ein reiner Verwaltungsakt. Ein lästiges Übel seiner Professur. Natürlich würde er viel lieber auf seiner Segelyacht irgendwo auf dem See fahren. Oder mit seinen Senatskollegen bei einem Wein über Hochschulpolitik parlieren. Oder mit seinen wissenschaftlichen Mitarbeitern die neuesten Forschungsergebnisse seiner Arbeitsgruppe und diskutieren. Doch er musste hier mit einem Beisitzer, einem seiner Doktoranden, und ihm sitzen und die mündliche Prüfung abhalten. Natürlich konnte sich Mirko auch etwas Besseres vorstellen als eine mündliche Nachprüfung. [/FONT]

[FONT=&quot]Doch Mirko hatte mal wieder Pech und die Klausur nicht bestanden. Wie schon oft in seinem Leben. Erst haut sein Vater ab und lässt seine Mutter mit drei Kindern und Hartz IV alleine sitzen. All die Jahre der Entbehrungen hat er seinen Weg gehen können. Irgendwie jedenfalls. Er war so stolz darauf, sein Abitur mit einem Dreier-Schnitt in der Tasche zu haben.[/FONT]

[FONT=&quot]Seine beiden älteren Geschwister hatten nicht so viel „Glück“. Sein Bruder flog ohne Abschluss von der Hauptschule. Schon während der Schulzeit fiel er durch mehrere Straftaten auf. Prügeleien, Diebstahl. Alles für sich genommen keine großen Dinge. Aber ohne Abschluss und mit einer dicken Akte bei Gericht bestand seine Zukunft darin, Stammkunde beim Jobcenter und in der JVA zu sein.[/FONT]
[FONT=&quot]Seine Schwester hatte es auch nicht besser. Zwar hatte sie einen Realschulabschluss und eine Ausbildung angefangen. Allerdings zu früh ihre Zwillinge bekommen. Sie stand nun in der Schlange auf dem Amt. Von ihrem Freund hatte sie sich getrennt. Es gab immer nur Streit. Um Geld, um den Haushalt, um die Kinder. Und um Arbeit, die es nicht gab. Für keinen von beiden.[/FONT]

[FONT=&quot]Mirko wollte nicht so enden. Er wollte eine Zukunft. Einen Beruf. Genügend Geld, um sorgenfrei leben zu können. Aber hierfür musste er sein Studium erfolgreich abschließen. Und wenn er schon am Bachelor scheitern würde? Wie sollte es dann weitergehen? Er brauchte doch diese Prüfung! Nur noch diese eine Prüfung! Alle anderen hatte er schon in der Tasche. Nichts überragend Gutes. Die meisten Prüfungen waren mit 4,0 gerade eben bestanden. Eine hatte er gar mit 3,7 bestanden. Hatte er sich da gefreut wie ein Schneekönig! Seine Fakultät war fürs Sieben bekannt. Von 150 waren sie zum Ende nur noch 70. Heute sah es so aus, als würde es wieder einer weniger sein. Er war den Tränen nahe. Ein großer Traum schien zu platzen. Aufgebaut in einem Leben. Zerstört in 30 Minuten. [/FONT]

[FONT=&quot]„Herr Claas?“ hörte er die besorgte Stimme des Professors. „Haben Sie das Prüfungsergebnis zur Kenntnis genommen? Sie freuen sich ja gar nicht!“ – „Warum sollte ich mich über das Prüfungsergebnis freuen?“ gab Mirko irritiert zurück, herausgerissen aus seinen Gedanken. „Ich habe gerade die schlechteste Prüfung der vergangenen Jahre hingelegt und soll mich darüber auch noch freuen? Ich glaube, Sie machen sich gar keine Vorstellung davon, was für mich dieser Studienabschluss bedeutet!“[/FONT]
[FONT=&quot]„Ich glaube, Herr Claas, Sie haben mir gerade nicht richtig zugehört. Ich habe nicht gesagt, dass Sie die schlechteste, sondern die beste Prüfung seit Jahren bei mir abgelegt haben. Immerhin eine 2,7! Da dürfen Sie ruhig stolz auf sich sein.“ Mirko schaute seinen Professor verwirrt an. Der Doktorand am Tisch dreht den Kugelschreiber und nickte nur bestätigend. „Dann habe ich also die Prüfung bestanden und bekomme meinen Bachelor?“ – „Nicht nur das! Ich werde mich bei der Studienkommission für Sie einsetzen, dass Sie einen Studienplatz in unserem Masterstudiengang bekommen, wenn Sie es wünschen. Und wenn Sie möchten, dann können Sie gleich nächsten Monat in meiner Arbeitsgruppe als Hiwi anfangen und sich noch ein bisschen zusätzliches Geld für ihren Lebensunterhalt verdienen. Kommen Sie morgen in mein Büro, dann machen wir den Arbeitsvertrag fertig, ja?“[/FONT]
[FONT=&quot]Mirko stand auf. Noch immer ganz sprachlos über das eben Gehörte. Er ergriff erst die Hand, die ihm der Professor entgegenstreckte und dann schüttelte er die Hand des Beisitzers. „Danke, “ kam es ihm trocken über die Lippen.[/FONT]

[FONT=&quot]Er verließ das Büro des Professors. Immer noch nicht richtig begreifend, was gerade geschehen war schritt er den Korridor entlang. Sein leerer Blick ging irgendwo in die Ferne. „Mirko!“ Eine Hand packte seinen Oberarm und hielt ihn fest. „Mirko! Wie war die Prüfung?“ Maria, seine Freundin, schaute ihm ins blasse Gesicht. Jetzt erst nahm er wahr, dass alle seine Freunde auf ihn vor dem Sekretariat des Professors gewartet hatten und wegen der Prüfung mit ihm gefiebert hatten. „2,7, “ sagte Mirko ganz leise. „2,7?“ wiederholten seine Freundin und die übrigen Freunde, die um ihn herum standen? Mirko nickte knapp. „2,7.“ So langsam begriff er und die Anspannung fiel von ihm. Tränen liefen seine Wangen hinunter. Maria nahm ihn in ihre Arme und drückte ihm einen dicken Kuss auf seine Lippen. [/FONT]
 
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