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Sci-Fi / Fantasy Die geheime Geschichte Moskaus

sonic_hedgehog

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Moskau ist eine Stadt im Umbruch. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion hat sich für die Russen mehr als nur die politische Situation geändert – eine allgemeine Unsicherheit hat in das Leben der Menschen Einzug gehalten. Und auch die Machtverhältnisse in der Moskauer Unterwelt haben sich verschoben.
In diesem Moskau beginnen eines Tages Menschen spurlos zu verschwinden – nicht nur zu verschwinden, sondern sich in Vögel zu verwandeln. Galina, deren Schwester kurz nach der Geburt ihres Kindes verschwunden ist, Jakov, ein Polizist der seinen Augen nicht traute, als sich vor seinen Augen ein Passant verwandelte und Fjodor, ein auf der Straße lebender Maler folgen der Spur der Verschwunden und landen in einer unter Moskau liegenden Parallelwelt. In einer Parallelwelt, in die sich nicht nur die alten Wesen russischer Sagen, sondern auch die Verfolgten und Verzweifelten verschiedener Zeitalter zurückgezogen haben. In einer Parallelwelt, in der aber mitnichten eitel Sonnenschein herrscht, sondern deren Probleme sich mit denen der Realwelt vermengen. Gemeinsam mit einigen Bewohnern machen sie sich auf das Rätsel zu lösen, wie die Magie der geheimen Unterwelt in die Realwelt gelangen konnte und um die verwandelten Menschen zu finden.

Es wird keinen größeren Widerspruch ernten wenn ich feststelle, dass das Motiv einer neben unserer Welt liegenden Parallelwelt voller Sagengestalten, in die die Protagonisten vorstoßen müssen um reale Probleme zu lösen, in der Fantasyliteratur nicht gerade selten gebraucht wird. Daher muss sich ein Roman wie der Ekaterina Sedias fragen lassen, wie er sich von den anderen Romanen des Genres abhebt.

Diese Frage bringt den Roman jedoch nicht in größere Bedrängnis – die Unterschiede zu 0815-Fantasy sind deutlich:
Zum einen ist da natürlich das für Mitteleuropäer ungewöhnliche Setting: Elfen, Zwerge, Drache – all das kennt man zur Genüge in allen gebräuchlichen Ausprägungen. Eine Welt voller Rusalki und Wodjanoi, die Welt Kaschteis des Unsterblichen – das ist uns neu und schon dadurch äußerst reizvoll. Dabei ist es problemlos möglich, den Roman zu lesen ohne sich mit den zugrundeliegenden Mythen zu beschäftigen. Wer sich jedoch die Mühe macht ein wenig quer zu lesen, wird belohnt durch ein wesentlich plastischeres Bild. Etwas verkompliziert wird die Recherche einzig dadurch, dass für die Transkribierung der Namen aus dem Russischen dank des kyrillischen Alphabets keine klaren Regeln existieren und sich schon die Autorin, als sie das Buch auf Englisch verfasste, für eine Schreibweise entschieden hat. Mitunter muss man mehrere Schreibweisen versuchen, bevor man einen Treffer erhält.
Zum anderen ist es die Art, in der Ekaterina Sedia den Roman schreibt: In einer wunderbar klaren Sprache schafft sie es, ein eindrucksvolles Bild Moskaus und der Parallelwelt zu zeichnen. Auch ihre Charaktere sind faszinierend – sie verzichtet auf die Verwendung von Klischees und erschafft dreidimensionale, realistische Wesen mit Schwachstellen, dunklen Seiten aber eben auch gutem Willen. Sei es die von Selbstvorwürfen zerfressene Galina, der unter seiner Scheidung leidende Jakov oder aber Fjodor, der unter einer irrationalen Furch vor „Zigeunern“ leidet und sich dennoch unwiderstehlich von ihnen angezogen fühlt. Und auch die Wesen aus Vergangenheit und Sagen bleiben nicht stereotyp, sondern offenbaren im Verlauf der Geschichte unerwartete Eigenschaften.

Mit „Die Geheime Geschichte Moskaus“ ist Ekaterina Sedia ein faszinierender zweiter Roman gelungen. Auf Basis einer für Fantasyliteratur ungewöhnlichen Sagenwelt schafft sie eine fesselnde Geschichte. Trotz allem hat das Buch eine bedauerliche Schwäche: Das Ende hinterlässt leider einen zwiespältigen Eindruck. Auf psychologischer Ebene der Charaktere ist das Ende ungewöhnlich, überraschend und dennoch schlüssig – die Art, auf die das Ende herbeigeführt wurde, wirkt jedoch etwas holprig. Gerade weil die Autorin für die Entwicklung der Geschichte genau das richtige Tempo wählt, wirkt die Geschwindigkeit des Endes sehr überraschend. Bedenkt man aber, dass „Die Geheime Geschichte Moskaus“ erst Sedias zweiter Roman ist und ihr dritter, „The Alchemy of Stone“ in der amerikanischen Presse hochgelobt wurde, ist Sedia eine Autorin die man sich merken sollte.
Und insgesamt ist auch „Die geheime Geschichte Moskaus“ ein Roman, dem man einen Platz auf der Liste noch zu lesender Bücher einräumen sollte. Er variiert ein altes Thema auf innovative Weise und wird den Leser in seinen Bann ziehen!

Ekaterina Sedia wurde in Moskau geboren und ist dort aufgewachsen. Ihre Familie lebt immer noch dort, sie selbst lebt mit ihrem Ehemann in New Jersey, USA und unterrichtet Botanik und Phyto-Ökologie an einem staatlichen College für freie Künste („state liberal arts college“). Seit 2004 publiziert sie Kurzgeschichten, Gedichte und inzwischen drei Romane.
Für Klett-Cotta wurde „Die geheime Geschichte Moskaus“ durch Olaf Schenk übersetzt.

Weitere Informationen zur Autorin finden sich auf ihrer Website, eine Leseprobe zu „Die geheime Geschichte Moskaus“ auf den Seiten Klett Cottas.

Diese Rezension entstand in Zusammenarbeit der rpg-foren.com mit dsa-fantasy.de. Unser Dank gilt auch Klett Cotta!
 
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