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Hintergrund Das Schwarze Auge Die Dunklen Zeiten - Imperien in Trümmern

sonic_hedgehog

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"Die Dunklen Zeiten - Imperien in Trümmern"
So lautet der Titel der ersten der sogenannten Setting-Boxen, mit denen der Ulisses Verlag die Welt des schwarzen Auges bereichert. 60€, aber auch mehrere Kilo schwer ist die Box, die im Format etwas kleiner, dafür aber höher ist als frühere Boxen. Und prall gefüllt - zwei Hintergrundbände, einen Band mit Regelergänzungen, einen Band mit Abenteuervorschlägen, ein kleines Büchlein mit Kurzgeschichten und diverse Schwarz-Weiß Karten lachen den Auspackenden an. Die normalformatigen Bände umfassen zusammen gut 500 Seiten und setzen sich das Ziel, dem Spielleiter alles Material an die Hand zu geben das er oder sie benötigt um eine Kampagne in den Dunklen Zeiten zu leiten.

Die Dunklen Zeiten?

Das ist die Epoche, die der für beide Seiten vernichtenden ersten Dämonenschlacht unter Fran Horas folgte. Erzdämonisches Eingreifen vernichtete damals sowohl das Heer der aufständischen Garether als auch das der Bosparaner und hinterließ nur Trümmer und ein Reich, da seiner militärischen Elite und seiner Führung beraubt war und in Jahrhunderte der Finsternis und des Chaos stürzte. Auf der anderen Seite liegt das große Reich der Tulamiden schon langer im Sterben und ergibt sich Verfall und Dekadenz, weswegen es keinen Profit aus der Schwäche des Gegners schlagen kann. Und außerhalb der Reiche? Wildnis, Barbaren, Nichtmenschen und Gefahren noch und nöcher.

Die Dunklen Zeiten sind ein Zeitalter für Helden ebenso wie für egoistische Machtmenschen. Das Fehlen staatlicher, ja sogar göttlicher Ordnung, da unterschiedslos Götter, Götzen und Dämonen verehrt werden, legt alle Möglichkeiten in die Hände der Spieler. Was im heutigen Aventurien undenkbar wäre, ist hier realistische Möglichkeit: Selbst Horaskaiser oder Großsultan zu werden ist den Charakteren durchaus möglich. Vielleicht sogar, diese Macht länger zu genießen, denn noch sind nicht alle magischen Möglichkeiten der Vergessenheit anheimgefallen und mächtige Herrschermagier Realität - ein Touch High Fantasy ist spürbar. Aventurien ist kleiner, wilder und gefährlicher in diesen Tagen - und bietet dafür fast unbeschränkte Möglichkeiten, denn: wer heute herrscht, kann morgen schon vergessen sein...

Was liefert die Box?

Mit "im Bann des Diamanten" eine umfassende Beschreibung der Tulamidenlande in den Dunklen Zeiten und dieser allgemein. Dabei werden wichtige Entwicklungslinien ausgeführt und verschiedenste Orte in Aussehen und Stimmung vorgestellt, wobei eine Menge weißer Flecken bestehen bleiben. Das diamantene Sultanat, eine Art orientalischer Hochkultur im Niedergang, mit Anleihen südamerikanischer Klischees und abgeschmeckt mit echsischen Ränken böte allein schon ein durchaus faszinierendes Flair.

Ihm gegenüber steht das im Band "Schatten über Bosparan" geschilderte Horaskaiserreich, das in vielen Facetten an das römische Reich zu Zeiten später Kaiser und der Völkerwanderung erinnert, dessen Legionen noch auf Jahrhunderte von Orks und Goblins, aber auch Elfen und Zwergen vernichtet werden und dessen Städten die Plünderung durch die Wikinger, äh Hjaldinger droht.

"Ordnung ins Chaos" bringt der gleichnamige Band, der Regelergänzungen, insbesondere für die Charaktererschaffung liefert. Gerade Spieler von Götterdienern müssen sich umgewöhnen, mangels fixierter Mirakel erinnert dieses System eher an Myranor. Und es existiert eine Legion von Göttern... Aber auch sonst gibt es einige Unterschiede, als erstes dürfte den Spielern auffallen, dass ihre Charaktere kaum Fremdsprachen beherrschen und daher schon die Verständigung in der Gruppe je nach deren Exotik ein Problem sein könnte.

Was man mit diesem Wissen spielen kann, dafür liefert der Band "Helden der Geschichte" Anhaltspunkte in Form von noch nicht vollständig ausgearbeiteten aber ausführlich skizzierten Abenteuer- und Kampagnenvorschlägen.

Woran könnte man sich stoßen?

Die Dunklen Zeiten sind kein unabhängiges Rollenspiel. Sie basieren auf den Regeln der aktuellen DSA-Edition und zumindest deren erweiterte Regeln, die Wege-Bände, müssen für die Verwendung der Box vorhanden sein. Der ein oder andere Regionalband, vorzugsweise der Region die aktuell der entspricht, in der die Kampagne angesiedelt sein soll, schadet nicht, ist aber nicht notwendig. Ein profundes Vorwissen auch über aventurische Geschichte sollte zumindest dann vorhanden sein, wenn man Anknüpfungspunkte zum aktuellen Aventurien schaffen will und Anspielungen verstehen will. Man kann aber anzweifeln ob es Spielern gelingen kann und ob es den Spielspaß mehrt, beim Aufeinandertreffen mit einem Magier im zukünftigen Weiden Nachtschatten zu identifizieren, nur weil dieser vor ihren Augen seufzt, dass er schon wieder beim Vermessen seines Bauplatzes gestört wird und dann weiter in die Vergangenheit entschwindet. Ignoriert man solches, wird zwar die eine oder andere Andeutung unverstanden bleiben, aber stören dürfte das wohl seltener.

Auch beinhaltet das Buch einige auffällige Fehler, sei es dass Sätze im Nichts enden oder Kartenbeschriftungen mit der Beschreibung im Fließtext nicht übereinstimmen. Auch ist manche Setzung interessant, mir persönlich kam beispielweise die Lage des bosparanischen Gerberviertels spanisch vor: flussaufwärts (!) der Stadt.

Es stört nicht, sollte aber erwähnt werden: Es fehlen auch die in anderen Publikationen üblichen Inspirationsquellen (Filme, Bücher, etc.). Angesichts der eindeutigen Bezüge der Settings sollte es aber ein leichtes sein dies zu kompensieren. Schwerer wiegt das Fehlen eines Index, da Informationen zu bestimmten Orten zu verschiedenen Zeiten oftmals an mehreren Stellen zusammengesucht werden müssen - wenn beispielsweise eine bosparanische Stadt inmitten der Dunklen Zeiten von den Tulamiden erobert wird, so werden die folgenden Jahre im Tulamidenband beschrieben. Dieses Vorgehen ist korrekt und verständlich, nur eben nicht übersichtlich. Da dies aber auch alternative Lösungen nicht gewesen wären, wäre ein Index eine große Hilfe gewesen... Diesen zu erstellen bleibt aber ein Projekt für Fans, da er laut Internetquellen nicht vergessen wurde, sondern nie geplant war.

Ob im Jahr 2010 ein Riesenaffe Mohong und seine besondere Beziehung zu weißen Frauen notwendig sind, mag jeder selbst entscheiden, ebenso wie die Frage, ob es dem eigenen Spielstil entspricht, innerhalb von mehreren Generationen umfassenden Kampagnen wichtige Ereignisse in der Formung heutiger Staaten mitzuerleben - eine Möglichkeit die an einigen Stellen explizit vorgeschlagen wird.

Und natürlich sollte man von den Kurzgeschichten keine Literatur erwarten, allenfalls mehr oder weniger solides Handwerk, das mal mehr und mal weniger gut die Stimmung transportiert, die die Box erzeugen will.

Insgesamt sind mir aber keine groben Schnitzer aufgefallen und die fehlerhaften Bezüge der Karten sollten durch ein Erratum leicht zu beheben sein, ebenso wie kleinere Unklarheiten der Regeln bereits auf den Seiten von Ulisses geklärt werden (oder aber innerhalb der Gruppe abgesprochen werden können).

Was begeistert an der Box?

Zielgruppe sind wohl zwei Arten von DSA-Spielern - zum einen diejenigen, die ihre wahre Freude daraus beziehen, die fiktive Geschichte in weiteren Details nachzuspielen - zum anderen diejenigen, die sich an den Grenzen des aktuellen Settings stoßen und ein Aventurien wünschen, in dem nicht jeder Stein beschrieben und bekannt ist und in dem ihnen maximale Freiheit gewährt wird - ohne dass sie dafür den Kontinent verlassen und Katzenmenschen ertragen müssten. Also unter anderem ich, das sei mir als persönliche Anmerkung an dieser Stelle erlaubt...

Etwas Arbeit vorausgesetzt, finden diese Spieler hier ein Setting, in dem sie über Jahre hinaus spielen können. Sie können die Ersten sein, die die unbekannten Lande im Norden erforschen, sie können Städte gründen und gegen Orks verteidigen und dabei ein Bündnis mit Elfen und Zwergen schmieden - sie können aber auch auf Seiten der Orks die Menschenlande überrennen, als Wudukrieger Opfer für Gott suchen oder in Elem als Magier mit chimärischen Monstern ihre Konkurrenten ausschalten. Oder tragisch: Die Vertreibung der Alhani miterleben und dabei versuchen, die Zerschlagung einer Kultur zu verhindern.

Dabei sind viele Charaktere mächtiger oder vielseitiger als im aktuellen Aventurien: Magier beherrschen noch Temporalmagie, womit zumindest erfahrenere Charaktere sich durchaus ewig wirkender Artefakte bedienen und der Lebensverlängerung befleißigen dürften. Vielseitiger sind beispielsweise die Götterdiener, nicht nur aufgrund der Vielzahl an Göttern, sondern auch dadurch, dass jede dieser Gottheiten eine Reihe von Aspekten verkörpert, von denen der Charakter aber nur eine begrenzte, frei wählbare Anzahl verehrt. Praiosgeweihte ohne Magieabneigung? Die dunklen Zeiten machen es möglich.

Durch das römische Flair des bosparanischen Reiches dürften die meisten Mitteleuropäer ein recht deutliches Bild davon haben, wie sie sich diesen Teil Aventuriens vorzustellen haben und Meister haben jede Menge Inspirationsquellen an der Hand: Warum nicht ein Abenteuer mit den Worten „Garetia est omnes divisa in partes tres“ beginnen und den folgenden Feldzug von Caesar inspirieren lassen? Oder eine Intrige zur Absetzung des Horaskaisers anführen, der sein geliebtes Streitross zum General ernannt hat? Auf der anderen Seite die Tulamiden, die alte Hochkultur in der man schnell aufsteigt, aber auch schnell wieder fällt und bei der mancher Fall erst in elemitischen Zuständen endet... Hier gilt es mehr noch als heute die Hinterlassenschaften beispielsweise der Skorpionkriege zu erkunden, echsische Geheimnisse zu lüften oder aber ebenfalls zu versuchen, den Thron zu erklimmen...

Fazit

Insgesamt ist die vorliegende Erweiterung gelungen. Sie bietet einen losen Rahmen, den zu füllen einige Arbeit macht, aber durch ein besonderes, anderes Aventurien belohnt wird. Insbesondere wenn man über das Material in der Box hinaus spielen möchte, ist ein gewisses DSA-Grundwissen zum Verständnis unverzichtbar, es sei denn natürlich, man entkoppelt das aktuelle DSA und die dunklen Zeiten völlig. Allerdings stellte sich dann die Frage, warum man nicht völlig auf vorgegebenes Material verzichtet. Somit bietet die vorliegende Box Spielmaterial vorwiegend für erfahrene DSA-Spieler, die ausgetretene Pfade verlassen wollen ohne DSA verlassen zu wollen. Und das tut sie durchaus zufriedenstellend, über Setails kann man aber natürlich immer streiten. Ich freue mich jedenfalls auf zukünftige Abenteuer in dunkleren Zeiten...

Mein Dank gilt Ulisses Spiele, die uns diese Rezension ermöglicht haben.

Links:

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