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Aborea Das Tischrollenspiel

SoulReaper

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Der Einstieg in das Hobby Rollenspiel kann sich als sehr schwer erweisen, wenn man keinen erfahrenen Helfer hat, der einem bei den ersten Schritten zur Seite steht. Entweder sind die Systeme zu umfassend, sodass man sich zuerst durch hunderte Seiten trockener Regeln beißen muss, oder aber sie liefern zu wenige Möglichkeiten, um wirklich auf lange Zeit zu motivieren. Hier will Aborea Abhilfe schaffen, indem es ein vollwertiges Rollenspiel mit Allem, was man für viele spannden Abende benötigt, liefert. Gleichzeitig sollen die kompletten Regeln so schlank sein, dass sie in zwei dünne Hefte passen. Zusammen mit seinem klassischen und eingängigen Fantasysetting will Aborea der perfekte Einstieg in das Hobby Rollenspiel sein.

Aborea kommt in einem schwarzen Karton daher, auf dessen Vorderseite neben dem Titel noch „Tischrollenspiel“ sowie Angaben über Anzahl und Alter der Mitspieler zu finden sind. Die Aufmachung erinnert ein wenig an ein klassisches Brettspiel und soll so wahrscheinlich auch die Aufmerksamkeit von Leuten wecken, die noch keine Erfahrung mit RPGs haben. Auf der Rückseite wird in ein paar blumigen Worten erklärt, worum es sich bei diesem Produkt handelt und was man sich ungefähr unter einem „Tischrollenspiel“ vorzustellen hat.
Im Inneren des Kartons befinden sich dann ein Spieler- und ein Spielleiterheft, zwei zehnseitige Würfel sowie als Bonus zwei auf dickem Papier gedruckte, vollfarbige Karten. Auf der ersten sieht man das kleine Grenzdorf Leet, in dem die ersten Abenteuer wahrscheinlich stattfinden werden. Die zweite Karte enthält den kompletten Spielkontinent Aborea und hat mit 85x120cm wahrhaft gigantische Ausmaße. Dank ihrer liebevollen und sehr hochwertigen Gestaltung ist die Karte ein wahrer Hingucker. Allerdings wurde für die beiden Hefte, die mit Sicherheit öfter benutzt werden als die Karte, nur ein sehr dünner Papierumschlag verwendet, sodass diese leider sehr schnell schmuddelig aussehen. Ein Einschlag aus demselben Papier, auf dem auch die Karten gedruckt wurden, hätte den Heften sehr gut getan.
Die Hefte sind vollständig in Farbe gedruckt und enthalten eine Reihe sehr schöner Zeichnungen, die durchgehend im selben Stil gehalten sind. Ansonsten gibt es leider wenige Elemente in den Heften, die das Layout etwas ansehnlicher machen könnten. Der Text ist auf drei Spalten pro Seite und in relativ kleiner Schrift abgedruckt, worunter die Übersichtlichkeit etwas leidet. Elemente wie vereinzelte Schriftzeichen aus anderen Sprachen haben einen eigenartigen, blauen Rahmen, als hätte man diese aus einem anderen Text ausgeschnitten und den Hintergrund nicht angepasst. Daher sehen die beiden Hefte leider so aus, als wäre das Layout nicht vernünftig zuende gebracht worden.

Der Inhalt der Hefte lässt einen dafür fast wieder das Layout vergessen. Als Erstes wird man in ein kleines Soloabenteuer geworfen, das einem eine erste Idee davon geben soll, wie ein Rollenspiel ablaufen könnte. Dies ist eine spaßige Alternative zu langweiligen, theoretischen Aufsätzen darüber, was ein Rollenspiel ist und macht Lust, weiter zu lesen.
Auf den insgesamt 108 Seiten befindet sich tatsächlich alles, was man für ein klassisches Fantasy-Rollenspiel braucht. So gibt es neben den Regeln natürlich auch die Beschreibungen der fünf Völker (Mensch, Elf, Zwerg, Gnom und Halbling) und fünf Berufe (Krieger, Priester, Magier, Dieb und Waldläufer) sowie eine ganze Reihe Tabellen, aus denen man die Werte von Gegenständen, Waren, Monstern, Schätzen, usw. entnehmen kann. Ein vollständig ausgearbeitetes Einstiegsabenteuer findet man ebenso wie zwei Ansätze für weitere Abenteuer. Und um den beiden Karten einen Sinn zu geben, gibt es natürlich noch eine Beschreibung der Spielwelt Aborea mit den wichtigsten Orten, politischen Gruppierungen und Religionen. Dabei gehen die Beschreibungen soweit ins Detail, dass man sofort problemlos beginnen kann. Sie lassen aber auch soviel frei, dass dem Spielleiter noch genug Raum für kreative Ideen bleibt.

Aborea spielt in einer klassischen low-fantasy Mittelalterwelt, die sehr stark von Tolkiens Büchern inspiriert wurde. Das ist vor allem für Einsteiger ein gutes Setting, da sich spätestens seit den „Herr der Ringe“-Kinofilmen jeder etwas darunter vorstellen kann und findet sich sehr schnell in dieser Welt zurecht, ohne dass vorher allzu viel erklärt werden muss. Und an kreativen Inspirationsquellen dürfte es dank zahlreicher Filme und Bücher auch nicht mangeln.

Das Abenteuer und die beiden Ansätze liefern für den Anfang genug Stoff, um die ersten Abende gestalten zu können. Sie sind ziemlich einfach und geradlinig gehalten, um es dem Spielleiter für den Anfang nicht zu schwer zu machen. Zahlreiche Vorlesetexte und Regelerinnerungen helfen zusätzlich, flüssig durch das Abenteuer leiten zu können. Daneben enthält das Spielleiterheft eine Tabelle, anhand derer man sich Ideen und ein grobes Grundgerüst für weitere Abenteuer auswürfeln kann. Und nicht zuletzt findet man im Downloadbereich der Homepage vom 13Mann Verlag zahlreiche weitere Abenteuer, die sich jeder kostenlos herunterladen kann. Zum jetzigen Zeitpunkt befinden sich dort bereits sieben Abenteuer und einen brandneuen Beruf, den Barden. Ankündigungen für weitere Downloads versprechen, dass das Spielmaterial so schnell auch nicht ausgehen wird.

Das Regelsystem ist kurz, bündig und schnell zu erlernen. Beim Würfeln legt der Spielleiter einen Schwierigkeitswert fest. Der Spieler würfelt mit einem W10 und addiert seine Ränge der jeweiligen Fertigkeit sowie den Bonus des dazugehörigen Attributs auf den Wurf. Erreicht oder übertrifft dies den Schwierigkeitswert, so gilt der Wurf als bestanden. Würfelt der Spieler sogar eine zehn, darf er erneut Würfeln und dies zusätzlich hinzuaddieren, wodurch theoretisch auch sehr schwere Aufgaben lösbar werden.
Ähnlich einfach läuft ein Kampf ab. Hier gilt der Rüstungswert als Schwierigkeitswert für den Angriffswurf. Zusätzlich hat man, je nach Geschicklichkeit und verwendeter Waffe, einen unterschiedlich großen Kampfbonus. Diesen kann man beliebig auf seinen Angriff oder die Vereidigung legen, was den Kämpfen ein kleines, strategisches Element verleiht. Die Reihenfolge, in der die Charaktere agieren, legt der Initiativewert fest. Dieser ist wieder vom Geschick und der verwendeten Waffe abhängig. Dabei werden die Aktionen zuerst von der niedrigsten zur höchsten Initiative angesagt und dann von der höchsten zur niedrigsten abgehandelt. Dies ist anfangs etwas fummelig. Wenn man sich aber erstmal daran gewöhnt hat und sich ein paar Hilfen zurechtlegt, funktioniert dies recht gut, sodass Kämpfe schnell abgehandelt werden können.
Diese sind generell eher schnell und tödlich. Aber dank zahlreicher, leicht verfügbarer Möglichkeiten für die Spieler die Charaktere am Leben zu halten, muss man sich in der Regel keine allzu großen Sorgen machen, dass der eigene Charakter stirbt.
Neben den Grundregeln, die man für das Spiel benötigt, enthält das Spielleiterheft noch eine Reihe an Zusatzregeln und Ausrüstung. Diese sind nicht elementar nötig für den Anfang, können aber später in das Spiel integriert werden, um ihm etwas mehr Tiefe zu geben. Darunter befinden sich beispielsweise Regeln für den berittenen Kampf oder auch einen Talentbaum, auf dem die Spieler für ihre Charaktere alle drei Stufen ein Talent auswählen, um ihn damit etwas zu spezialisieren.
Genauso schnell und unkompliziert gestaltet sich die Charaktererschaffung. Zuerst gibt man 35 Punkte für seine fünf Attribute aus und kauft sich dann noch für acht Punkte ein paar Fertigkeitsränge. Zum Schluss würfelt man noch sein Startgeld aus und kauft sich dafür seine Anfangsausrüstung. Innerhalb von nur ein paar Minuten ist der Charakter startklar.

Leider ist die Aufteilung der Regeln und Werte auf die beiden Hefte nicht optimal. So gibt es günstige Nahkampfwaffen, wie etwa den Knüppel, nur bei den Zusatzregeln, obwohl diese vor Allem für Charaktere wichtig sein können, die nur über wenig Startgeld verfügen. Daneben fehlt eine vernüntige Übersichtsseite, auf der der Spielleiter die wesentlichen Regeln auf einem Blick parat hat. So artet das Nachschlagen mancher Regeln in einer wüsten Rumblätterei aus. Das kleine Schriftbild und das Fehlen eines wirklich brauchbaren Inhaltsverzeichnisses oder Glossars sind dabei auch nicht wirklich hilfreich. Für Neulinge, die zum ersten Mal als Spielleiter agieren, kann es daher sehr schnell in Arbeit ausarten und dadurch viel Frust entstehen lassen. Und eigentlich sollte ein Rollenspiel für Einsteiger gerade dies verhindern. Daher hätte man lieber auf die Dorfkarte verzichten und dafür einen schönen Spielleiterschirm in den Karton packen sollen.
Dafür gibt es aber einen Spielleiterbogen, auf dem man die einzelnen Spieler sowie ihre gemeisterten Herausforderungen und eigene Anmerkungen notieren kann. Dies wiederrum ist eine gute Idee, die viel Zettelwirtschaft verhindert.

Fazit: Es ist eigentlich sehr schade. Aborea gefällt mir sehr gut. Die klassische Welt, die einfachen Regeln und natürlich die wunderschönen Karten haben es mir richtig angetan. Trotz der Kürze der Regeln hat man nicht das Gefühl, nur die Kurzversion eines Rollenspiels gekauft zu haben. Auch die Abenteuer und der sehr gute Support durch den Verlag haben mir wirklich gut gefallen. Dies und ein wirklich fairer Preis sollten eigentlich dazu führen, dass Aborea perfekt für Einsteiger in das Hobby geeignet ist und auch alte Hasen begeistern kann. Viele kleine Schnitzer, vom unfertig wirkenden Layout der Hefte bis zum Fehlen einer vernünftigen Regelübersicht, nehmen ihm allerdings viel seines Potentials.
Wer darüber allerdings hinwegsehen kann, erhält ein sehr schönes, einfaches Rollenspiel zu einem wirklich günstigen Preis.

Diese Rezension entstand mit freundlicher Hilfe des 13Mann-Verlages.
 
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