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Jolinar

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Clive Barker ist einer der Künstler, die große Erfolge verbuchen können und deren Werke so gut wie jeder kennt, aber sie selbst nicht. Sein Name ist Großteils unbekannt, obwohl er in Filmen wie z.B. „Hellraiser“ seine Finger im Spiel hatte, der auf seiner Kurzgeschichte „The Hellbound Heart“ basierte. Durch seine besondere Art der Darstellung und Beschreibung von Horror, ist er unter seinen Film- und Autorenkollegen als Vorreiter einer ganz besonderen Art von Horror bekannt. Ein düsterer und blutiger Horror wird durch abstrakte und verstörende Beschreibungen dargestellt. So erzeugt er ein einzigartiges und aufwühlendes Grusel- und Schockerlebnis, das man in dieser künstlerischen Qualität sicher nirgendwo ein zweites Mal sieht.


Boone hat Probleme, große Probleme, die sein gesamtes Leben beherrschen. Heulend liegt er manchmal in der Ecke und kann sich selbst nicht aufraffen, sich selbst nicht verzeihen. Deshalb ist er schon seit einiger Zeit bei einem Psychologen, der ihm Schritt für Schritt aus der Schwärze seiner Gedanken hilft. Doch bei einer Sitzung zeigt ihm Decker, der Psychologe, Bilder von Leichen, die auf bestialische Weise verstümmelt worden sind. Diese Morde soll Boone verbrochen haben, der sich zwar nicht daran erinnern kann, aber es durch seinen eigenen Wahnsinn für möglich hält.

Eigentlich wollte sich Boone stellen, doch dem Gedanke daran, all diese Verbrechen begangen zu haben, hält er nicht stand und wirft sich deshalb vor einen LKW. So viel Morde hat er begangen, doch scheint er nicht fähig seinem eigenen Leben ein Ende zu bereiten. Verletzt wird er in ein Krankenhaus eingeliefert und lernt dort Narcisse kennen, der von Midian erzählt, einem Ort an dem die Schuldbeladenen leben.

Für Boone scheint dieser Ort seine letzte Zufluchtsmöglichkeit zu sein, der die Menschheit vor seinen Sünden bewahrt. Verfolgt von der Polizei macht er sich auf Midian zu finden, ein Ort der auf keiner Landkarte verzeichnet ist. Doch findet er dort keine Erlösung sondern nur den Tod. Doch warum verschwindet dann seine Leiche aus der Leichenhalle? Und was erhofft seine trauernde Freundin von Midian? Was ist das für ein Volk, das dort lebt und was wissen sie über Midian? Dann hat auch noch Decker, Boones Psychologe, seine Hände im Spiel. Die Spirale ins Verderben scheint sich immer weiter zu drehen, nur einer hat die Erlösung vor Augen... Baphamet, der Erbauer Midians.


Eine leichte und schnell zu durchschauende Geschichte ist ganz und gar nicht Clive Barkers Art. Zwar hängt die Geschichte zusammen, doch gibt es immer so viele ungeklärte Fragen und Geheimnisse, dass eine eindeutige Schlussfolgerung nicht möglich ist. Durchschaut man einen Bösewicht, so wartet der Nächste eventuell schon hinter der nächsten Ecke. Ganz schnell können die Hilflosen zu Monstern werden und die Monstern zu Hilflosen. Nur allmählich erfährt man von den Hintergründen, nur sporadisch werden Informationen und Details weiter gegeben. Die Spannung wird dadurch ins Extreme getrieben. Vor den ersten 10 Seiten an, ist man kaum imstande das Buch beiseite zu legen.

Nicht unerheblich ist dabei die Neuartigkeit der Geschichte und Figuren. Man kann sich sicher sein, mit einem Buch von Clive Barker etwas absolut Neues und Faszinierendes in Händen zu halten. Nicht umsonst gilt er als einer der originellsten und versiertesten Autoren der Horrorgenres. Er greift nicht auf die üblichen Figuren wie z. B. Vampire und Zombies zurück, die zugegebener Maßen doch langsam etwas augelutscht sind, sondern erschafft neue Völker und Kulturen, um nicht immer einen blutigen sondern psychischen Horror zu erzeugen. Sowohl der Kopf von Wahnsinnigen, als auch von kaltblütigen Monstern bleibt dem Leser nicht verschlossen. Genau das macht das umfassende Grauen, die Erkenntnis davon in jedem Detail so erschreckend und faszinierend zugleich. Es bleibt nichts verschlossen.

Passend dazu, für manche allerdings vielleicht ein wenig zu derb, ist die Sprache Clive Barkers. Liebliche Umschreibungen oder Andeutungen sind von ihm nicht zu erwarten, viel eher beschreibt er Situationen und Denkvorgänge mit klaren Worten. So wird das Liebesspiel nicht mit sinnlichen Phrasen umschrieben, sondern auf den Punkt gebracht, denn nicht immer ist es ein Akt der Liebe, sondern ein Befreiungsschlag aus einem sich selbst geschaffenen Käfig, oder (wie Stephen King es verwendet hat) der Übergang vom kindlichen Denken ins Erwachsene. Nicht jedem mag dieser Schreibstil gefallen, wahrscheinlich einfach aus dem Grund, dass man soetwas aus den meisten Büchern nicht gewohnt ist. Für jeden der sich dieser Art allerdings öffnet, ist es die einzige Möglichkeit, um nicht nur eine Geschichte zu schreiben, sondern ihr auch mit den gewählten Worten Aus- und Nachdruck zu verleihen. Eine Handlung passiert nicht nur einfach so, sondern erhält durch die passende Wortwahl auch gleich das richtige Gefühl. Sofort ist dem Leser bewusst, worum es in dieser Szene geht und was sie beeinflusst, wie dringlich diese Handlung genau in dem Moment ist, obwohl es für Außenstehende doch so irrsinnig wirkt. Es gibt viele gute Autoren, die eine interessante Geschichte schreiben, doch was Clive Barker damit schafft, ist echte Kunst.

Abschreckend mag sein, dass „Cabal“ ein wenig schmal ist. Es umfasst nur 215 Seiten, aber mehr braucht es auch nicht. Die Seiten werden, anders als bei vielen Büchern, ausgenutzt und auch die Schriftgröße ist recht klein gewählt. Ein echtes Ende hat die Geschichte nicht, es beginnt eigentlich erst. Dennoch benötigt „Cabal“ keinen 2. Band, da nicht unbedingt die Geschichte Midians im Mittelpunkt stehen sollte, sondern die Entwicklung und Erkenntnisse der Protagonisten. Midian ist sicher Mittelpunkt der Ereignisse, doch für den Leser sollte die Psyche Boones als Hauptaugenmerk gelten. Es würde sich durchaus ein zweiter Teil anbieten, aber ich bezweifle, dass dieser einen ähnlichen Tiefgang hervorbringen könnte. Doch Clive Barker darf mich da gerne eines Bessere belehren.


Clive Barker ist immer wieder ein leuchtender Stern am Himmel des Horrors. Kein Buch von ihm gleicht dem Anderen. Mit seiner Wortwahl und Art des Beschreibens passt er sich jedes Mal perfekt der Geschichte und den Szenen darin an. Ein erfrischender neuer Wind in diesem leicht verstaubten Genre. Für jeden, der sich auf neue und intelligente Art gruseln will ist Clive Barker die 1. Adresse. 10 von 10 Punkten und immer wieder gerne.
 
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