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Brettspiel Berge des Wahnsinns

Luzifer

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Titel: Berge des Wahnsinns
Autor: Rob Daviau
Illustration: Miguel Coimbra
Spieleranzahl: 3-5
Altersempfehlung: ab 12 Jahren
Spieldauer: 60 Minuten
Verlag: Hutter Trade / Iello
Erscheinungsdatum: Oktober 2017
ASIN: B071VP8CCZ

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Die Berge des Wahnsinns liegen in der Antarktis. Zumindest laut Novelle von H. P. Lovecraft. Beim gleichnamigen Spiel von Rob Daviau liegt der Wahnsinn in drei kleinen Stapel versteckt: den Wahnsinnskarten. Eine spielerische Umsetzung von Lovecrafts Werken und dem Cthulhu Mythos, die nicht nur mit Wahnsinn droht, sondern ihn live an den Tisch holt… Und hier lege ich auch schon den Finger auf die Wunde dieses polarisierenden Spiels!

Aber vielleicht erkläre ich mal etwas näher, worum es eigentlich geht:

Die Spielbox von „Berge des Wahninns“ ist gut ausgestattet mit hochwertigem Spielmaterial. Iello und ihre deutsche Verlagsvertretung Hutter-Trade haben gewohnt gute Arbeit geleistet. Biegsame Karten, eine stoßfeste Sanduhr, ein niedliches Flugzeugmodell und angenehm dicke Kartonmarker nebst dicken Spielertableaus. Handschmeichelnde Pokerchips (hier sind es „Anführermarker“) laden zu Fingerspielen ein. Auf den Ausrüstungskarten werden Auszüge und passende Passagen aus dem gleichnamigen Roman des großen Meisters H.P.L. zitiert. Leider bleibt während des Spiel im Grunde überhaupt keine Zeit, sich diesen kurzen Zeilen zu widmen. Die Idee ist zwar gut, um eine engere Bindung zu der literarischen Vorlage zu knüpfen. Jedoch hat man im Spiel andere Dinge im Kopf, als auf den Stimmungstext zu achten und dieses schöne Detail zu würdigen.

Die Spielregeln sind gut strukturiert, stimmungsvoll aufgearbeitet, einfach zu lesen und bieten einen guten Einstieg ins Spiel.


Wie wird „Berge des Wahnsinns“ gespielt?

Das Ziel ist es gemeinsam mittels Flugzeug den Berg am Ende der Welt zu erforschen und hierbei „Relikte“ zu sammeln. Die Anzahl der gefundenen Relikte entscheidet am Ende über Sieg und Niederlage der gesamten Expeditionsgruppe. Nicht ganz unerheblich dabei ist, dass man auch wieder vom Berg zurück in die Zivilisation fliehen muss. Die Spielmechanik selbst besteht in einem durchaus simplen System: Beim Erklimmen des Berges müssen an jeder (frei wählbaren) Etappe eine konkrete Anzahl an farbigen Karten verdeckt abgelegt werden. Und zwar innerhalb von 30 Sekunden. Alle Spieler dürfen sich besprechen und ihre Karten aufeinander abstimmen. Nur zeigen dürfen die Spieler ihre Karten nicht. Alle sind daran interessiert die jeweilige Etappe zu schaffen. Bis dahin ein kooperativer Akt der Kommunikation. Klingt einfach? Ist es eigentlich auch. Wären da nicht die bereits erwähnten Wahninnskarten. Sie sorgen für das Salz in der Spielersuppe. Die Wahnsinnskarten werden zum Beispiel nach Misserfolgen ausgeteilt aber auch zu anderen Gelegenheiten. Sie repräsentieren den Wahnsinn, den die Crewmitglieder befallen, während sie sich dem Unheiligtum an der Spitze des Berges nähern. Man könnte es auch mit einem Höhenrausch vergleichen. Je höher, umso schwieriger ist es alle 5 Sinne beieinander zu halten. Beispiele gefällig?

  • [*]„Du kannst keine ungeraden Zahlen mehr aussprechen.“

    [*]„Du kannst erst mit jemandem reden, wenn du ihn berührst.“

    [*]„Du kannst es nicht ertragen wenn Stille herrscht und summst in Sprechpausen“.

    [*]„Du kannst keine Verben benutzen“
Dank dieser Einschränkungen und Ablenkungen wird die Kommunikation innerhalb der 30 Sekunden zunehmend schwerer. Je nachdem wie sehr der Wahnsinn schon um sich gegriffen hat. Zudem gibt es ihn in drei Eskalationsstufen. Das wahre Ziel des Spiels ist es die Kommunikationshürden zu nehmen und trotz aller (selbst verursachten) Widrigkeiten gemeinsam die (eigentlich simplen) Vorgaben zu schaffen.


Da mache ich mich doch zum Affen!

Ja, das ist möglich. Kommt aber auch auf die Sichtweise an. Schließlich lautet die erste Regel der Peinlichkeit: Es ist nur peinlich, wenn man Peinlichkeit zulässt. Somit kommt es auf die Gruppenzusammensetzung an und inwieweit sich die Mitspieler auf das Spiel einlassen.

Wir hatten eine eigene Regel eingeführt: Wahnsinnskarten, die man partout nicht ausspielen möchte oder kann, darf man getrost gegen eine andere eintauschen. Ich habe in den Spielrunden bislang nur zwei Mal erlebt, dass diese Hausregel genutzt wurde. Aber es hat beide Male dazu geführt, dass sich die zwei Spieler weiterhin wohl gefühlt hatten.

Meine Erfahrung mit drei sehr unterschiedlichen Spielgruppen zeigte eines: Die Spieler waren durchgehend an der Zielerreichung interessiert und vollends beschäftigt die geforderten Karten abzulegen. Über Darstellungen des „Wahnsinns“ wurde natürlich auch gelächelt, hier und da sogar gelacht. Jedoch war das Spiel selbst dadurch nie lächerlich!


Was ist „Berge des Wahnsinns“ für ein Spiel?

Ein guter Freund las sich die Beschreibung durch und folgerte es müsse sich um ein „Partyspiel“ handeln und man würde gedrängt „zwingend lustig“ sein. Die Umschreibung „Partyspiel“ wird bei mehreren anderen Rezensionen genutzt. Zumindest behelfsweise. Ich vermeide diese Bezeichnung, denn diese Kategorie wird dem Spiel nicht gerecht. Das Spiel bedarf einer gewissen Ruhe im Umfeld und auch einer nötigen Prise an strategischen Gespür (insbesondere wie ich den Berg erkunde). Das kenne ich von „Partyspielen“ sonst nicht. Welche Kategorie wird dem Spiel ansonsten gerecht? Diese Frage hat mich sehr lange beschäftigt und sie tut es weiterhin.

Ist es vielleicht ein „gehobenes“ Partyspiel für Nerds? Die Schriften von Lovecraft finden in der Brettspielwelt zusehends mehr Einzug. Rollenspieler kennen sie noch eher seit dem gleichnamigen Rollenspiel Cthulhu bzw. Call of Cthulhu. Vielspieler, die sich mit dem Cthulhu Mythos auskennen, könnte jedoch ein ganz anderes Problem auf den „Bergen des Wahnsinns“ ereilen. Nämlich die unerfüllte eigene Erwartungshaltung. Es gibt zuhauf Spiele mit Ermittlern in der Welt, die auf den Geschichten Lovecrafts basieren. Villen des Wahnsinns, Eldritch Horror, Älteres Zeichen, Cthulhu Wars, … um nur ein paar wenige zu nennen. Keines ist vergleichbar mit „Berge des Wahnsinns“.
Dieses Spiel nähert sich dem Wahnsinn als Spielelement aus einer ganz anderen Richtung. Hier wird er tatsächlich ausgespielt! Im Vergleich dazu zieht man bei den regulären Spielen eine Karte und es wird schlicht vorgegeben, dass der gespielte Ermittler nun wahnsinnig ist (und zum Beispiel jetzt Pyromane ist).

Ich selbst bin Opfer meiner Erwartungshaltung und hatte mir bei der ersten Ansicht des Covers ausgemalt, dass man die Stadt am Ende der Zivilisation erforscht kann und ähnlich eines Dungeon Crawlers oder eines Miniaturenspiels die Mysterien des Berges aufklärt. Nichts davon trifft auf die Berge des Wahnsinns zu. Zwar erkundet man auch hier Plättchen. Allerdings wird hierdurch nur eine gewisse Zugreihenfolge erreicht. Der wahre Kern liegt in den sich wiederholenden 30 Sekunden, in denen man Ausrüstung ablegt und der ausgespielte Wahnsinn gegen die Gruppe arbeitet.

Aufgrund der genannten Erwartungshaltung hatten es übrigens die Spieler OHNE Vorkenntnisse in der Welt von Cthulhu und Co. einfacher, sich dem Spiel hinzugeben. Die Vielspieler und Kenner des Mythos waren erst mal gehemmter. Sie ließen sich schwerer auf das Spielgefühl ein. Unterhalten wurden jedoch alle von ihnen.


Bei allen Tentakeln von Azathoth und den Großen Alten, was für eine Art von Spiel ist „Berge des Wahnsinns“ denn jetzt?

Ich vermeide es einen festen Begriff dafür zu verwenden. Umschreiben kann ich es als kooperatives Kommunikationsspiel mit gestörter Kommunikation. Vielleicht ist diese Art von Spiel auch das erste seiner Art und man müsste einen eigenen Begriff dafür finden (Theaterspiel? Kommunikationsspiel?) Die Gruppe muss sich organisieren und Struktur in das Chaos bringen. Darin liegt die eigentliche Hauptaufgabe des Spiels. Und die kann erlernt werden und bedingt sogar einer gewissen Taktik. Die Lernkurve nimmt hierbei steil zu.

Es funktioniert in der Vollbesetzung am besten. Je weniger Spieler teilnehmen umso mehr Übersichtlichkeit ist in der chaotischen Phase möglich. Das macht die Spiele zu dritt somit einfacher, als zu fünft. Ich habe auch einmal zu sechst gespielt. Das ist zwar nicht vorgesehen, aber mit einem Bogen Papier und dem Abzählen der ausgegebenen Handkarten kann man das durchaus tun. Es war noch chaotischer, als zu fünft, aber ebenso unterhaltsam. Die Spielzeit ist dank der gleich bleibenden Anzahl an Plättchen auf dem Berg fast immer gleich, egal wie viele Mitspieler im Flugzeug sitzen. Realistisch ist ein Zeitansatz von 60-90 Minuten.

Nicht jeder hatte Spaß am theatralischen Darstellen der Wahnsinnskarten. Andere wiederum amüsierte es köstlich den eigenen Wahnsinn zu spielen. Wirklich gestört hat es niemandem in meinem Spielrunden. Unterhalten wurden jedoch alle. Es gibt so gut wie keine Downtime, sprich keiner muss lange auf die nächste Aktion warten. Das hält die Spieler bei der Stange. Konzentrationsphasen wechseln sich mit ruhigen Phasen ab, was eine gute Mischung darstellt. Die Stimmung insgesamt habe ich meistens als „gelöst“ beobachtet. Mehr als ein bis zwei Spiele pro Spielabend kamen nicht zustande. Nach einer oder zwei intensiven Spielrunde reichte die Erfahrung meist für einen Abend.

Unbefangenen Spielern war das Spiel sehr viel einfacher näher zu bringen, als Mythos-erfahrenen Expertenspielern. Letzteren konnte ich wiederholt Überraschung ansehen beim Öffnen der Box. Rollenspieler in meinen Runden gingen auffällig gelassen an die Umsetzung der Wahnsinnskarten heran. Die simple Mechanik und das gemeinsame Ziel sorgten schließlich immer für eine abwechslungsreiche Zeit. Vereint im Wahnsinn.

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[40/50] - Spielspaß
[10/20] - Spielthema/-regeln
[13/20] - Ausstattung
[7/10] - Preis/Leistungs-Verhältnis
70% - Gesamt

Vielen Dank an Hutter Trade, für die Ermöglichung dieser Rezension.

Hier gibt es einen kleinen Trailer zum Spiel:




Link zur Spielanleitung




 
Zuletzt bearbeitet:
Danke für den Eindruck.

Ich muss zugeben, als ich die ersten Informationen zum Spiel gelesen hatte, hatte ich Zweifel, ob das funktionieren kann. Die Hemmschwelle, sich zum Affen zu machen, ist doch mitunter recht groß. Kommunikationsspiele, die ausgerechnet die Kommunikation schweren - das macht mich misstrauisch. Und das über anderthalb Stunden?!

Insofern bin ich jetzt positiv überrascht.

Du hattest ja Beispiele für Wahnsinnskarten in dem Spoiler gepackt. Ist das das generelle Niveau? Was waren denn die wenigen Karten, die von Deinen Mitspielern abgeworfen wurden (ein gut Einfall übrigens)?
 
Du hattest ja Beispiele für Wahnsinnskarten in dem Spoiler gepackt. Ist das das generelle Niveau?
Es ist das Mittelfeld des Niveaus. Mit vereinzelten Ausreißern. Manche Vorgaben werden von den anderen nicht einmal bemerkt. Andere zerstören die Kommunikation komplett. Das war auch eines der Beispiele, die abgeworfen wurde:

Sobald ein bestimmtes Wort von anderen gesagt wurde, darf man NICHT mehr reden. Und das Wort fällt grundsätzlich...
In diesem Fall hat es demjenigen einfach keinen Spaß mehr gemacht. Es ist das eine, dass die Kommunikations gestört wird. Das andere ist es, wenn man gar nicht mehr reden darf. Eine ähnliche Karte hatte ich mal:
Mach deinen Finger zu einem Schnurrbart und rede nur, wenn dein Gegenüber dir auch einen Fingerschnurrbart zeigt...
Das hat NIE geklappt. Ich wurde nur entgeistert angesehen. Ich habe dann freiwillig eine höhere Wahnsinnskarte genommen, als die Gruppe eine neben musste. Das war mir auch zu blöd. Es gibt zwei verschiedene Spielweisen:

Normal: Wenn man eine weitere Wahnsinnskarte bekommt, ersetzt sie die vorangegangene.
Hart: Wenn man eine weitere Wahnsinnkarte bekommt, muss man sie mit den bereits vorhandenen kombinieren.

Von einem Mitspieler wurde dann auch eine Karte abgeworfen, die man aus dem PlayThrough von DiceTower kennt:
Zum Reden musst du in die Ecke des Raumes gehen
Die wurde weggeworfen, weil es jedes Mal ein zu großer Akt gewesen wäre, wenn er hätte aufstehen müssen um den Tisch zu verlassen.

Es ist tatsächlich amüsant zu errätseln, was der andere für einen Tick hat. Noch amüsanter ist es, wenn man den Regeln folgt und außerhalb der 30-Sekunden-Phase überhaupt nicht auf den eigenen Wahnsinn eingeht und so tut, als ob man nicht weiß, wovon die anderen sprechen. :D
 
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