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Spielbericht Nicht gelistetes System Aufzeichnungen eines Abenteuers - Mit den Augen eines Gottes

Master-Jeffrey

Bürgertum
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Rollenspielsystem: Master of the Sword [MOTS]: Eigenbau
Abenteuer: Stadt- und Reiseabenteuer
Setting: Klassische Fantasy
Abstrakt: Leondir Elbergratz, verdienter Kapitän und Vertrauter des Königs von Abagail gilt als verschollen. Die Vertraute des Königs, Lady Dera Desdemonea macht sich inkognito auf den Weg, der Fährte des verschwundenen Seefahrers bis nach Tulamedien zu folgen. In ihrer Rolle als Waldläuferin Minea Gandria erreicht sie Meridot, die weiße Perle des Schwarzen Kontinents. Hier trifft sie auf Akela Zhor und Illius, zwei Anführer einer örtlichen Diebesgilde. Die Geschehnisse der folgenden Zeit bilden den Auftakt zu einem Abenteuer, wie es auf der Scheibenwelt noch nicht erlebt wurde. Werden die drei ungleichen Gefährten den Gefahren trotzen, denen sie auf ihrer Reise begegnen oder finden sie ein vorzeitiges Ende im endlosen Sand der Wüsten des Schwarzen Kontinents?


Die folgenden Abenteueraufzeichnungen zu „Mit den Augen eines Gottes“ sind mit knapp 170 Buchseiten die umfangreichsten der kleinen Serie bisher. Das Abenteuer wurde im Verlaufe von anderthalb Jahren in mehr als 25 Sitzungen gespielt. Die Spielercharaktere sind altgediente Recken, und ein jeder von ihnen hat bereits Abenteuer im zweistelligen Bereich erfolgreich zu einem Ende gebracht. In der Konstellation allerdings haben sie noch nie zusammengespielt. Die Spielercharaktere der Geschichte sind:

Akela Zhor
Akela Zhor ist ein sharakinischer Dieb aus den tiefen Wüsten des Schwarzen Kontinents. Vor mehr als einem Jahrzehnt führte ihn sein Weg, zusammen mit Ben Korban von Las Adras nach Meridot. Hier gründeten sie eine Diebesgilde und nach Bens Verschwinden schwang Akela sich zum alleinigen Oberhaupt der „Gesichtslosen“ auf. Seither führt er im „Seidenen Turban“ die Geschäfte der Gilde.


Illius, der Schwarze
Illius ist ein unscheinbarer junger Mann, der vor einigen Jahren bei den Gesichtslosen anheuerte und durch seine Fähigkeiten als Assassine in der Hierarchie der Gilde rasch aufstieg. Nach dem Verschwinden Ben Korbans ist er die rechte Hand Akelas, Berater in allen Lebenslagen und Begleiter in jedem Abenteuer.


Lady Dera Desdemonea/ Minea Gandria
Die verdiente Kriegerin, Gewinnerin des Labyrinths von Vasgor und Vertraute des abagailisischen Königs ist für diesen in geheimer Mission unterwegs. Getarnt als Waldläuferin Minea Gandria macht sich die Halbelfin auf, eine gefährliche Reise auf den Schwarzen Kontinents zu unternehmen, um nach einem verschwundenen Gesandten des Königs zu suchen.
 

Master-Jeffrey

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Die Länder und Städte der Geschichte:

Tulamedien
Tulamedien ist das südlichste Königreich der Menschen und das einzige auf dem Schwarzen Kontinent gelegene. Vor fünfhundert Jahren, in einer Zeit der Expansion, entsandte der Sultan von Bangool ein großes Heer über das Zwischenmeer. In den folgenden Jahren eroberten die bangoolischen Truppen weite Teile im Westen des Kontinents, bis zu den Echsenkämmen. Die bisher dort siedelnden Sharakine zogen sich in die Berge und die tiefen Wüsten dahinter zurück. In den folgenden Jahren siedelten Menschen in den Ebenen des kargen Landes und gründeten unter anderem die Städte Meridot, Garb und Ababda. Doch die Sharakine erhoben sich und kehrten aus den Wüsten zurück, um ihr angestammtes Land zurückzuerobern. In ersten Erfolgen drangen die Echsen bis nach Garb, der alten Hauptstadt des Reiches vor und verwüsteten sie vollständig. Doch gelang es den vereinten Heeren der Menschen, den weiteren Vormarsch in letzter Minute zu stoppen. Der Krieg zog sich über lange Jahre dahin und noch heute heißt die Ebene der blutigen Auseinandersetzungen Das Knochenmeer. Obwohl die Sharakine hunderte von Stämmen aus den Wüsten in die Schlacht führten, trugen die Menschen am Ende den Sieg davon. Doch die Last, die der jahrzehntelange Krieg dem Volk Bangools auferlegt hatte, führte zu einer Revolte im Reich. In dieser Zeit strebte Tulamedien nach Unabhängigkeit. Den untereinander streitenden Reiche in Bangool war es unmöglich, die abtrünnige Provinz zur Rechenschaft zu ziehen, da sie umfangreich in Bruderkämpfe verwickelt waren. Der Sultan nutzte die Zeit, um seinen Ruf als legitimer Herrscher Tulamediens in den großen Städten des Landes zu festigen.

In heutigen Tagen gilt Tulamedien als Königreich mit der größten Sklavenwirtschaft der Scheibenwelt. Der Bedarf an Arbeitskraft in großen Teilen der Welt ist groß und der Markt giert ständig nach neuen Körpern. Deshalb rüsten die großen Sklavenhändlerfamilien Ababdas regelmäßig Expeditionen aus, die in den Echsenkämmen und der Wüste Goab neue sharakinische Sklaven fangen und in die Stadt bringen. Dort werden sie auf dem Platz der Tränen in fast alle Länder der Welt oder in die Minen des Sultans verkauft.

Meridot, die Hauptstadt und Sitz des Sultans, liegt an der nordwestlichen Küste. Dabei gleicht die Stadt einem einzigen riesigen kantigen Felsen, aus dem im Laufe der Jahrhunderte unzählige Häuserkomplexe, Treppen, Brücken und Stege geschlagen wurden. In der Hafenstadt sind Reisende aus allen Ländern Mirgards zu finden. Manche von ihnen haben sich gar in der Hauptstadt niedergelassen und betreiben ihre Geschäfte dort. Doch sind unter den Neuankömmlingen in der Stadt auch viele Glücksjäger. Denn die vor Jahrhunderten in die Felsen der Echsenkämme geschlagenen Nekropolen der Sharakine locken zahlreiche Abenteurer, die in den dort liegenden Schätzen das Mittel zur Erfüllung all ihrer Träume sehen.

Tulamedien ist ein wildes und ungastliches Land. Während Meridot von einem dichten Gürtel üppiger Vegetation umgeben ist, die von komplexen Bewässerungssystemen am Leben erhalten wird, herrscht im Rest des Landes das triste Grau-braun verdörrender Vegetation vor. Herden von Lindren können hier beobachtet werden, auf ihren Wanderungen von einem Wasserloch zum nächsten. Weiter im Osten wandeln sich die Steppen in karge Wüsten, die von den Ausläufern des Splitters bis zu den Echsenkämmen reichen. So karg und unwirtlich das Land auch sein mag, viele ehemalige Einwanderer aus den Wüsten Bangools haben ihr althergebrachte Lebensart beibehalten und siedeln in kleinen Wüstendörfern im ganzen Land. Auch endlos lange Karawanen durchwandern die Steppen und Wüsten und transportieren Waren oder Sklaven

Der Golf von Ababda, an dessen Küste die gleichnamige Sklavenhändlerstadt liegt, ist eines der gefährlichsten Gewässer der Scheibenwelt. Der Piratenbund des Schwarzen Auges treibt hier sein Unwesen. Die Schiffe der Seeräuber suchen vorwiegend nach Schiffen, deren Ladung aus dem Silber der gleichnamigen Hügel im Süden des Landes stammt. In den Silberhügeln schuften tausende unglücklicher Sklaven unter der unbarmherzigen Knute der Gorakthoren, um das Silber für den Sultan aus dem Berg zu schürfen. Hin und wieder kommt es vor, dass sich Sharakine aus den tiefen Wüsten aufmachen, ihre verschleppten Brüder und Schwestern aus dem Joch der Gefangenschaft befreien. Manchmal sind sie erfolgreich.


MERIDOT
(Tulamedien, Schwarzer Kontinent)
Meridot ist die Hauptstadt Tulamediens. Die weiße Stadt mit ihren vier Magiertürmen, die hoch über allen anderen Bauwerken aufragen, ist der Anziehungsort für Händler und Reisende aller Rassen, die den Schwarzen Kontinent bereisen wollen. Die gesamte Stadt erweckt den Eindruck, als wäre sie aus einem einzigen Stück weißen Steins erbaut, der im Laufe der Jahrhunderte tausendfach geteilt, mit Straßen, Gassen und kleinen Plätzen durchzogen wurde und durch Steige und Stege, Brücken und Verbindungen aller Art auf den verschiedensten Ebenen wieder zusammengeflickt wurde.
In den unteren Ebenen herrscht für gewöhnlich das rege Treiben der Handwerker und hier finden auch die Märkte statt. In den Etagen über den Markthallen bieten spezielle Händler in ihren Läden Waren aus aller Herren Länder feil. Auf den Dachterrassen der oberen Ebenen nehmen im Schatten von bunten Tüchern und Kübelpalmen reiche Sklavenhändler oder Mitglieder der Diebesgilde ihr Abendessen ein.
Die Stadt ist geprägt vom Reichtum, der aus dem Handel mit den anderen Kontinenten und Inseln hervorgeht. Sklaven aus aller Herren Länder werden auf den Märkten angeboten und nach Bangool und in die ewigen Wüsten verkauft. Waffen aus Stahl kommen auf langen verschlungenen Wegen von Aggadion in die Häfen der Stadt.
Dieser Reichtum hat bereits vor langer Zeit die Diebe nach Meridot gelockt. In diesem vermeintlichen Paradies der Händler tummelt sich eine Handvoll Diebesgilden, die alle darauf bedacht sind, sich ein großes Stück vom Händlerkuchen zu sichern. Ben Korban und Akela Zhor, zwei der bedeutendsten Diebesfürsten der Stadt sind die letzten einer langen Reihe, die sich über Intrigen und Ränke ihre Plätze, ganz oben in der Hierarchie der Diebe erarbeitet haben.
Meridot wird von Sultan Farib Bashta Basarn regiert. Er herrscht über das im Norden am zahlreichsten vertretenen Volk der Basharen. Die Sasharen, der zweite menschliche Stamm der in Tulamedien siedelt, lebt im ärmeren und trockeneren Teil des Landes. Von seinem Volk wird Farib Bashta Basarn geachtet und verehrt. Zur Zerstreuung seiner Untertanen veranstaltet der Herrscher in regelmäßigen Abständen Wagenrennen, in denen die besten seiner Untertanen sich in ihren Fähigkeiten messen können. Die Spiele erzürnen für gewöhnlich die Geweihten des Talmanar, der neben Ghotis die Hauptgottheit der Stadt ist. Für gewöhnlich hat der Sultan jedoch genug damit zu tun, die vier mächtigen Magier der Stadt in ihren Türmen zu beschwichtigen. Diese sind sich spinnefeind und hätten Meridot ohne das Zutun des jeweiligen Regenten sicher schon längst in einen Sumpf voll Ungeheuer verwandelt

ABABDA
(Tulamedien, Schwarzer Kontinent)
Umgeben von dicken Mauern aus ockerfarbenem Stein erheben sich unzählige mehrstöckige Gebäude aus gebrannten Ziegeln in langen Reihen entlang der gepflasterten Straßen der Stadt. Doch auch das klassische Riad, ein Häusertyp, in dem sich die Räume des Gebäudes um einen zentralen Innenhof herum anordnen, prägt das Stadtbild. All die Häuser stehen im Schatten der riesigen steinernen Paläste der großen Sklavenhändlerfamilien, die alle anderen Gebäude Ababdas überragen. Fünf dieser monumentalen Bauwerke ragen dem Himmel entgegen, ebenso viele wie es Sklavenhändlerfamilien gibt. Erkennbar ist die Loyalität eines jeden Stadtbewohners durch die Farbe seiner Kleidung und die Symbole, die er trägt. So gibt er sich als Klient einer der großen Familien zu erkennen, genießt deren Schutz und erfüllt deren Pflichten. Die Stadt ist ein Meer aus verschiedenfarbigen Tüchern, Fahnen und Flaggen. Die grüne Spinne der Salishar, die gelbe Schlange der Kalifa, der rote Adler der Lorian, der purpurne Skorpion der Rastumen und der blaue Salamander der Seleukis. Während freie Bürger das Zeichen der Familie als Schmuckstück in Form eines Ringes, Amuletts oder einer Brosche tragen, wird Sklaven ein entsprechendes Brandmal auf den Arm oder die Stirn gesetzt.
Der Platz der Tränen genannte Sklavenmarkt ist der größte Handelsplatz der gesamten Scheibenwelt. Hier finden sich jeden Tag tausende von Sklaven aller Hautfarben und Herkunft wieder, ebenso wie Käufer aus aller Herren Länder. Tagsüber wird an den zahllosen Ständen Ware angeboten, gefeilscht und Handel getrieben.
Die Nacht gehört der Arena, die unter dem Platz der Tränen liegt. Hier messen sich einmal alle vierzehn Tage die Gladiatoren der verschiedenen Familien untereinander in verschiedenen Arten der Auseinandersetzung.
Im riesigen Hafen lagern häufig einige Schiffe des Schwarzen Auges, eines Piratenbunds dreier Kapitäne, dem Gurgelnden Jonas, Tarbor Barfuß und Reginald dem Ritter. Der Bund ist ebenso berühmt wie berüchtigt dafür, fremdartige Sklaven wie exotische Handelswaren auf die Märkte der Stadt zu bringen. Mit dem Sultan hat der Bund ein Abkommen, den Sklavenschiffen im Golf von Ababda kein Haar zu krümmen.
Offiziell herrscht Farrakesch, der Bruder des Sultans von Meridot über Ababda. Inoffiziell jedoch sind es die fünf großen Sklavenhändlerfamilien, die die Stadt unter sich aufgeteilt hatten. Sie kontrollieren in ihren Vierteln den Gang der Dinge. Ihre Regeln gelten für alle Aspekte des täglichen Lebens. Doch lässt Farrakesch sie gewähren, solange sie ihm im Gegenzug ausreichend Sklaven für seine Minen in den Silberhügeln im Süden des Landes heranschaffen.
 

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Master-Jeffrey

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Vorgeschichte

Der Gesandte des abagailisischen Königs, Leondir Elbergratz segelte mit der „Braut des Windes“ von Vasgor nach Crazuum, der Insel der Magier. Dort sollte er im Tempel der vierzehn Götter den Erzbischof bitten, die magischen Eigenschaften eines seltenen und wertvollen magischen Artefaktes zu offenbaren. Jenes Artefakt, ein Amulett in der Form eines Auges, hatte Monate zuvor ein Recke im berühmten Labyrinth von Vasgor zu Tage gefördert und nach seinem Sieg dem König übergeben. Jeder, der es trägt, wird von Visionen geplagt. Als der König selbst es anlegte, musste er miterleben, wie die Königsstadt Vasgor um ihn herum im Zeitraffer in Schutt und Asche zerfiel, bis nichts mehr davon übrig war. Zutiefst beunruhigt beauftragte er einige Tage darauf einen seiner vertrauenswürdigsten Vasallen, Leondir Elbergratz, nach weiteren Informationen bezüglich des Artefaktes zu forschen.

Das Auge der Götter

Das Auge der Götter ist ein Amulett, das dem Träger seine Umgebung in einer unbekannten, fernen Zukunft zeigt. Sobald es anlegt wird, ist nur noch der Träger imstande, es zu sehen. Es entstammt einer göttlichen Quelle. Als der nach Erkenntnis suchende Göttervater Holem, während seiner Wanderschaft durch den Arvaton zum Brunnen der Einsicht gelangte, wurde er von Hönur, dem Gott des Todes gewarnt, in den Brunnenschacht zu blicken. Doch Holem schlug die warnenden Worte in den Wind und warf einen Blick in den Brunnen. So erlangte er seine unermessliche Weisheit. Doch der Preis der Erkenntnis bestand im Verlust seines rechten Auges, das ihm aus der Augenhöhle und bis hinunter nach Mirgard,
der Welt der sterblichen Wesen, fiel.

Auf der Reise nach Crazuum legte das Schiff Leondirs zuvor sowohl in Wachhall, als auch in Meridot an. Dann, nach kurzem Aufenthalt auf der Insel der Magier und erfolgreicher Unterredung mit dem Bischof, trat man die Rückreise an. Nachdem „Die Braut des Windes“ jedoch abermals Kurs nach Meridot gesetzt hatte, wurde das Schiff von Piraten überfallen und geentert. Leondir Elbergratz, die anderen Passagiere und auch Teile der Mannschaft wurden in die Stadt Ababda gebracht und dort als Sklaven verkauft. Unbemerkt von ihren Entführern trug Leondir die gesamte Zeit über das Amulett. Dem Maat des Schiffs, Hansgar Althuser, war es möglich, in einem unbeobachteten Augenblick zu fliehen. Er schlug sich allein von Ababda nach Meridot durch. Dort wurde er wegen Diebstahls von den Stadtwachen verhaftet und nach kurzer Verhandlung ins örtliche Gefängnis gesteckt.

Der König Abagails entsandte, nachdem er über einen längeren Zeitraum keine Nachricht mehr vom Diplomaten empfangen hatte, eine zweite Gesandtin. Diese sollte nachforschen, was es mit dem Verschwinden Leondir Elbergratz auf sich hatte. Aufgrund der schlechten diplomatischen Beziehungen zu Tulamedien war die zweite Gesandtin ebenso daran gehalten, im Verborgenen agieren. So verfasste der König einen geheimen Brief, in welchem er sie instruierte, Nachforschungen in Wachhall, Meridot und auf Crazuum anzustellen, um zu erfahren, was mit Leondir Elbergratz und „Der Braut des Windes“ geschehen war. Vom Amulett erzählt der König seiner Agentin in dem Brief nichts.

Prolog: Lady Dera Desdemonia

Der Brief des Königs an Lady Dera Desdemonea

Teuerste Freundin,
ich schreibe Dir in einer Stunde, in der die Dunkelheit fortwährend weiter auf unser geliebtes Königreich zustrebt. Auch wenn ich über das Wann und das Wie in diesem Brief Stillschweigen bewahren muss, so sei versichert, diese Zeilen würden Dich nicht erreichen, wenn nicht viel, unter Umständen sogar alles, auf dem Spiel stehen würde.
Aus diesen Gründen werde ich den Brief alsbald meinem Hofmagier Albartus Martus übergeben, der ihn Dir auf sicherem und diskretem Wege übereignen wird. Diskretion ist in dieser Angelegenheit das oberste Gebot und ich weiß, mich auf die Deinige verlassen zu können.
Doch bevor Dir nun die wildesten Gedanken in den Kopf schießen, schildere ich erst einmal die Sache, um die es geht.
Vor nun mehr als fünf Monaten entsandte ich ein Schiff, ebenfalls in geheimer Mission. An Bord der Braut des Windes war mein vertrauter Gesandter, Stadtfürst von Furtburg, Leondir Elbergratz, Edler von Hohenstein-Waldmark und Held der Schlacht an der Ogermark. Ebenfalls in geheimer Identität des Händler Walmark Sprininsmeer. Seine Reise sollte ihn für mich nach Elsinghorst, der Hauptstadt des magischen Reichs Crazuum führen. Die Route der Braut des Windes führte das Schiff über Wachhall und Meridot nach Elsinghorst und auch auf dem Rückweg sollte es in den Häfen dieser Städte Halt machen.
Seit nun mehr als vier Wochen erwarte ich den Fürsten nun zurück, doch bisher sind alle Bemühungen, seinen Aufenthaltsort herauszufinden, ins Leere gelaufen. Wie Du weißt, sind seit dem Zwischenfall mit dem Fürsten von Thafnar von Bangool, seine Vettern und Cousins unserem Königreiche spinnefeind. Meine bisherigen Botschaften an meine Vertrauten in Wachhall und Meridot erbrachten keine Antworten. Ich bin mir sicher, dass zahlreiche Häscher und Spione der Fürsten von Wachhall und Meridot meine Mannen dort mit Argusausgen verfolgen und selbst hier in Vasgor enttarnten die Meinigen bereits einen ihrer Spione.
Aus diesem Grunde ist es mehr als wichtig, dass Du, der ich nun meinen Wunsch mitteile, diesem in aller Diskretion und Unauffälligkeit nachkommst, die Dir zu Eigen ist. Niemand darf erfahren, dass Du in meinem Auftrag unterwegs bist, um nach dem Verbleib des Fürsten zu suchen. Solltest Du seinen Aufenthaltsort herausfinden, setze Dich mit ihm in Verbindung und selbst wenn die Lage aussichtslos erscheint, ist es doch von höchster Wichtigkeit, dass Du Kontakt mit ihm aufnimmst.
Wenn Deine Reise Dich nach Wachhall führt, so findest Du dort Unterstützung beim Händlerhaus Hartbart und Söhne. In Meridot gibt es einen alten Tabakhändler namens Whutak Schwarzzahn, einen Barbar aus dem Drachenkessel. Er genießt das volle Vertrauen meiner Person. Wende Dich an ihn, wenn Du in der Stadt bist. Er wird Dir weiterhelfen können. Sollte Leondir in Elsinghorst verschwunden sein, dann wende dich an den Zwergen Willbur Streustein, einem geachteten Schmied im magischen Königreich.
Für den Fall, dass Du während deiner Reise Hilfe in welcher Art und Weise auch immer anheuern musst, habe ich 10 Sternmetallmünzen dem Brief beigelegt. Weiterhin findest Du zwei Wechsel über jeweils 500 Goldstücke, die Du im Abstand einer Woche im Meridoter Bankhaus, Tempel des Goldes einlösen kannst.
Doch bei allem, was Du tust – ich beschwöre dich, verschleiere deine Identität und deinen Auftrag, wenn nötig - bis zum Tode.
Auch wenn Worte meinen Dank für deine aufopfernde Tat nicht annähernd zum Ausdruck bringen können, sei versichert, sowohl ich als auch das Königreich stehen in Deiner Schuld.
Nierdach


Die Lady Dera Desdemonia hielt sich derweil in ihrem Stadthaus in Vasgor auf, als in der Nacht ein vermummter Bote den gesiegelten Brief des Königs unter ihrer Tür hindurch schob. Sobald sie seiner gewahr wurde, nahm sie ihn an sich, zog sich in ihr Studierzimmer zurück und las die Zeilen des Königs.

Nachdem sie den Inhalt verinnerlicht hatte, machte sie sich umgehend daran, einen Plan für eine unbemerkte Abreise aus der Stadt zu schmieden. Sie entschloss sich, für den Auftrag einen anderen Namen und eine neue Persönlichkeit als Waldläuferin anzunehmen.

Am nächsten Morgen erwarb sie neue, einfach unter der Kleidung zu versteckende Waffen und leichte Rüstungen. Fortan nannte sie sich Minea Gandria. Am darauffolgenden Tag verließ sie frühmorgens in ihren neuen Gewändern ihr Wohnhaus in der Schinkengasse und schlich geradewegs zum Hafen.

Dort buchte sie unter falschem Namen die erste Passage nach Wachhall. Die „Erbe des Riesen“, eine stämmige kleine Kogge unter dem Kommando Kapitän Javedas, brachte die Kriegerin sicher binnen dreier Wochen nach Wachhall, dem ersten Anlaufpunkt des verschollenen Schiffes. Doch währte der Aufenthalt Desdemoneas/ Mineas in der Stadt nicht sehr lange. Nach kurzer Zeit hatte die Gesandtin des Königs herausgefunden, dass „Die Braut des Windes“ Wachhall erreicht und nach kurzem Aufenthalt auch wieder abgelegt hatte, weiter in Richtung Meridot. Da in Wachhall keine weiteren Informationen zu holen waren, begab sich Minea an Bord der „Landriens Opfer“ und weiter nach Meridot, wo das Abenteuer seinen Anfang nahm...


Prolog: Akela Zor und Illius

Die Zeiten in Meridot, der weißen Perle Tulamediens sind schwer geworden. Die Stadt der weißgetünchten, mehrstöckigen Häuser mit ihren verwinkelten Gassen und Gässchen, Brücken, Stegen, Dachterrassen und Hinterhöfen ist nicht mehr die gleiche.

Nach dem plötzlichen Tod des ehrwürdigen Sultans vor einigen Monaten, regiert nun sein erstgeborener Sohn die Stadt und das Land. Yussuz der I. galt unter der Bevölkerung der Stadt schon lange als missratener und häufig trunkener Spross des Adelsgeschlechts. Doch seit dem der junge Mann Sultan des Landes ist, treiben seine Missetaten jeden Tag neue Blüten. Als eine seiner ersten Amtshandlungen erhöhte er die Strafen, selbst für nichtige Vergehen drakonisch. Hunderte Bewohner der Stadt wurden bereits abgeurteilt und in die Sklaverei verkauft. Manch Unglückseliger verschwand gar hinter den dicken Wänden des Schwarzen Steins, dem berüchtigten Hafengefängnis. Auch die Diebesgilden der Stadt sind vom Eifer des Sultans betroffen. Die Kopfgelder auf die Anführer der verschiedenen Gilden wurden drastisch erhöht.

Akela Zhor, der Anführer der Gesichtslosen und seine rechte Hand, der Assassine Illius ziehen es in diesen schweren Zeiten vor, den „Seidenen Turban“, Taverne und Hauptquartier der Gilde, nur noch im Schutze der Dunkelheit zu verlassen. Doch gibt es für die beiden noch weit größere Herausforderungen, als die Gesetze des neuen Sultans. Bis vor kurzem herrschte unter den großen Diebesgilden der Stadt ein gewisser Waffenstillstand, der über mehrere Jahre hinweg anhielt und den Frieden auf den Straßen sicherte. Doch auch dieser Zustand endete, als der neue Sultan den Thron einnahm. Mit einem Mal begannen die „Neunfinger“, eine rivalisierende Gilde, ihr Einflussgebiet auszudehnen. Zuerst musste Akela und die anderen Gesichtslosen nur den Verlust des ein- oder anderen Mannes verkraften.

Dann jedoch luchsten ihnen die Neunfinger einen Straßenzug ab, in dem die Gesichtslosen Schutzgeld eintrieben. Kurz darauf folgten eine zweite und eine dritte Straße. Warum, das wusste Akela nicht zu sagen, doch die Neunfinger schienen mit einem Mal über Mittel und Männer zu verfügen, die bei weitem die der Gesichtslosen überstiegen. Diese Verluste ließen Akela Zhors für die Zukunft ihrer Gilde nichts Gutes erahnen.

Um nicht auch noch die Tabakgasse zu verlieren, machten sich Akela und Illius persönlich vom Seidenen Turban auf, um beim Tabakhändler Whitak Schwarzzahn darauf zu warten, dass die Neunfinger diesem Mann ihre Aufwartung machten…
 

Master-Jeffrey

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Meridot: Ankunft in der Stadt (Tag 1)

Unmittelbar bei besagtem Tabakhändler Schwarzzahn kam es im Anschluss zu einer folgenschweren Auseinandersetzung, die das Leben aller Beteiligten über kurz oder lang verändern würde.

Minea Gandria fragte sich, sobald ihr Schiff im Hafen von Meridot angelegt hatte, umgehend zum Tabakhändler durch. Die junge Frau hoffte inständig bei dem Agenten des abagailisischen Königs Informationen über den Verbleib der „Braut des Windes“ erhalten zu können.

Als sie das düstere, nach Teer und Nikotin riechende Ladenlokal betrat, stellte sie fest, dass der Tabakhändler nicht alleine war. Zwei Gestalten, ein Sharakine und ein Mensch waren ebenfalls anwesend. Auf Minea wirkten sie nicht, wie normale Angestellte oder Kunden. Doch schenkte sie ihnen erst einmal keine weitere Beachtung und verwickelte den Händler in ein leises Gespräch. Mit kurzen Worten erklärte sie ihm, wer sie war und warum sie in seinem Laden erschienen war. Schwarzzahn, der seine Ohren und Augen beständig offen hielt, wusste von der „Braut des Windes“. Sie war auf ihrer Durchreise nach Crazzum in den Hafen eingelaufen. Doch ein zweites Mal, bei ihrer Rückreise, war das Schiff nicht in Meridot angelandet. Als er die Resignation in Mineas Blick erkannte, riet er ihr mit einem Kopfnicken, sich der Hilfe einer Diebesgilde zu bedienen, die in der Stadt residierte. Die Diebe konnten alle Arten von Informationen beschaffen. Zufällig waren die Anführer der Gesichtslosen bereits anwesend.

Widerstrebend gab sich Minea einen Ruck und sprach den Sharakinen an, der sich als Akela Zhor vorstellte. Doch bevor die Unterredung recht in Gang kam, erschienen plötzlich drei gedungene Schläger im Türrahmen des Ladens. Mitglieder der Neunfinger, die bei Whutak Schutzgeld erpressen wollten. Allerdings hatten die Männer nicht mit der Anwesenheit der beiden Diebe gerechnet. Minea, die sich binnen Sekunden entscheiden musste, auf welcher Seite sie stand, zog ihren unter dem Mantel verborgenen Trollspalter und ging zügig und koordiniert gegen die neu aufgetauchten Gegner vor. Deren Versuch, sich die Kontrolle über die Tabakgasse zu sichern, endete nach einigen Augenblicken in Toten und Verletzten. Wobei die Waldläuferin und der Assassine während der Auseinandersetzung jedoch ernsthafte Blessuren davontrugen.

Die Toten wurden in den Keller des Ladens gebracht. Man würde sich bald um sie kümmern und sie aus dem Laden schaffen. Um den Ort des Geschehens zügig zu verlassen und zur Besprechung weiterer Formalitäten, luden die beiden Diebe Minea in den Seidenen Turban ein. So verließen sie die Tabakgasse.

In der Schenke/Bordell/Hauptquartier der Gesichtslosen erklärte die Waldläuferin den Dieben, sie würde ihren Bruder suchen, der sich auf einem verschwundenen Schiff mit Namen „Braut des Windes“ befand. Umgehend gaben sich Akela und Illius mit der Erklärung zufrieden, schimmerte doch schon der Schein guten Goldes im Hintergrund.

Akela erklärte sich bereit, neue Informationen über den Verbleib des gesuchten Schiffs zu liefern und gab die Anweisung an die Spinne, einen seiner Vertrauten in der Gilde weiter. Illius zog sich derweil auf sein Zimmer zurück und ließ nach einer Heilerin schicken. Kurz darauf erschien eine junge Frau, die ihm erklärte, sie sei die Enkelin der angefragten Heilerin. Da sie nach eigenen Worten jedoch sehr viel von ihrer Großmutter gelernt hatte, bot sie an, Illius zu versorgen. Anfang skeptisch, nahm er schließlich doch den vermeintlichen Heiltrank an, den sie ihm reichte. Nur, um im nächsten Augenblick röchelnd und hustend zusammenzubrechen. Sekunden später war er tot. Lachend schloss die „Heilerin“ die Tür zu Illius Gemach und ließ sich von der am Eingang postierten Wache noch ein kleines Trinkgeld in die Hand drücken. Viel zu spät entdeckten die anderen den Anschlag und die hübsche Assassinin war bereits über alle Berge. Akela war außer sich, doch als Mann mit wenigen Freunden wollte er seinen langjährigen Begleiter Gevatter Tod nicht kampflos übergeben.

So eilten er und Minea Minuten später durch die Nacht, hin zum Alchimisten ihres Vertrauens. Dort wollten sie einen Regenerationstrank erwerben. Einen magischen Trank, dessen Ingredienzen in der Lage waren, Tote wiederzuerwecken, sofern seit deren Ableben nicht mehr als eine Stunde vergangen war. Nach langem und lautem Geklopfe an die Tür des Ladenlokals, öffnete der verschlafene Alchimist ihnen schließlich. Glücklicherweise hatte er noch einen der teuren Tränke und verkaufte ihn zu einem annehmbaren Preis.

Schleichend und im Schatten vor neugierigen Blicken versteckt, erreichte man kurz vor Ende der Wiederbelebungsfrist den Seidenen Turban. Dort hatten eilfertige Mitarbeiter den Kadaver Illius bereits kunstvoll auf seinem Lieblingsstuhl drapiert, damit er für den letzten Richter einen guten Eindruck machen würde. Umgehend flößten sie Illius den Trank und damit neues Leben ein. Der bedankte sich herzlich. Doch schwieg er sich über den genauen Hergang seines Ablebens beharrlich aus. So sicherte man die Taverne mit zusätzlichen Wachen und auch wenn es schwer fiel, suchte ein jeder zu später Stunde seine Bettstatt auf. Die Nacht blieb ruhig.



Meridot: Die Schreienden Schwestern (Tag 2)

Früh morgens stand eine junge Dirne vor der Tür der Schenke. Sie stellte sich als Milena vor und gehörte den Schreienden Schwestern an, einer Gilde, die mit Prostitution, Erpressung und Informationen handelte. Sie benachrichtigte Akela darüber, dass Mutter, die Anführerin der Gilde über die angefragten Informationen und mehr verfügte. Sie würde sich gerne zur Mittagszeit mit ihnen in der Ziegelei Ramsas am Ostrand der Stadt treffen. Nach kurzer Unterredung willigten die Gefährten ein.

Mit den Schreienden Schwestern hatte es in der Vergangenheit nie Zwist gegeben und sie hofften, das würde auch für die Zukunft gelten. Minea war begierig zu erfahren, welche Informationen Mutter in Bezug auf das verschwundene Schiff hatte. Schließlich hegte sie nicht den Wunsch, länger als notwendig in der Stadt zu bleiben. So machten sie sich bald auf den Weg. Immer wieder Patrouillen der Stadtwachen ausweichend, begab man sich in das Viertel der Basharen. Dort herrschte seit dem Machtwechsel eine zunehmende Unzufriedenheit über den neuen Machthaber, der die Rechte dieser aus dem Süden stammenden Volksgruppe fortwährend weiter beschnitt. Diese Unzufriedenheit trug es mittlerweile auch auf die Straße.

In der Mittagshitze erreichten sie die Ziegelei Ramsas. Ein weitläufiges Gebäude, das von einer übermannshohen Mauer umgeben war, war vermutlich das Hauptquartiert der Schreienden Schwestern. Mutter, eine ältere Frau mit grauen Haar und festem Blick erwartete sie bereits samt einiger ihrer Schäfchen. Man unterhielt sich. Die Diebe erfuhren, dass die Schreienden Schwestern verantwortlich für die Herstellung von Falschgeld mit dem Konterfei des neuen Sultans darauf waren. Damit verdiente die Gilde gutes Geld. Gleichzeit sorgten sie dafür, dass die Bevölkerung immer unzufriedener mit dem neuen und verhassten Sultan wurde. Doch unglücklicherweise war einem der ihren vorgestern, auf der Flucht vor den Stadtwachen, der Stichel der Feinsicht in einen Gully auf dem Platz des Goldes gefallen. Mit diesem wurden die Druckstöcke für die Herstellung der falschen Münzen gefertigt.

Mutter bot eine Kooperation mit den Gesichtslosen in Form einer Beteiligung an der Falschmünzerei, einem Informationsaustausch und eine Zusammenarbeit in Bezug auf die Prostitution an. Bedingendes Element war jedoch die Wiederbeschaffung des Stichels. Darüber hinaus hatte Mutter Informationen für die Waldläuferin über den Verbleib des gesuchten Schiffes. Doch diese waren an die gleichen Bedingungen geknüpft. Nach kurzer Beratung einigte man sich darauf, das Angebot anzunehmen. Wohl wissend, dass die Kanalisation das Territorium der Nachtfischer war.

Jener Diebesgilde, der man nachsagte, dass ihre Mitglieder das Fleisch von Toten essen und zu Gulnar, den Herrn der Untoten beten würden. Nach ihrer Rückkehr in den Turban verging der Tag damit, die veränderte Situation zu besprechen und in der Gilde zu koordinieren.
 

Master-Jeffrey

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Meridot: In der Kanalisation (Tag 3)

Die Waldläuferin tauschte am Morgen einen Wechsel über 5000 Silberstücke im Tempel des Goldes auf dem gleichnamigen Platz um, damit sie ihre neuen Begleiter für ihre Dienste entlohnen konnte. Währenddessen nutzten Akela und Illius die Gelegenheit, um sich ein Bild der Umgebung und besagtem Gullydeckel zu machen.

Im Anschluss kauften sie in der verbleibenden Zeit bis zur Abenddämmerung, in den schmalen Gassen der Gildenhändler, einige sinnvolle Dinge für einen Aufenthalt in den Abwasserkanälen. Als die Sonne bereits hinter den weißen Häusern der Stadt verschwunden war, schlichen sie, versteckt in den langen Schatten, zurück zum nun menschenleeren Platz. Als sie den Gullydeckel in der westlichen Ecke bereits zur Seite geschoben und Akela darin verschwunden war, wurde ihr Treiben von einem Passanten entdeckt, der in einiger Entfernung vorbeiflanierte. Doch bevor er die Stadtwachen alarmieren konnte, waren sie bereits alle im Schacht verschwunden und der Gullydeckel lag wieder an seinem Platze.

Hier unten roch es widerlich, doch die Diebe waren schlimmeres gewohnt und die Halbelfin zog sich ein Tuch über die Nase. Mittels einer Kerze des Findens, die beständig in die Richtung des gesuchten Objekts leuchtete, schlichen sie in der folgenden Zeit durch die Abwasserkanäle. Dabei trafen sie auf ein paar Skelette und einige Zeit später auf einen Nachtfischer. Die Begegnungen waren kurz und endgültig. Immer tiefer drangen sie in die Kanalisation vor. Die Zeichen der Nachtfischer, in Form knöcherner, von den Tunneldecken hängender Totems, waren allgegenwärtig. Dann jedoch führte der Schein der Kerze sie zu einem unterirdischen Anleger.

Dort entdeckten sie einige vermummten Gulnar Anbeter, die, wie sich herausstellte, auf dem Weg zu einer unterirdischen Messe waren. Versteckt hinter einigen Kisten beobachteten sie, wie die Gruppe in eine Gondel stieg und sich im Anschluss von dieser einen dunklen Kanal entlang treiben ließ. Eine zweite Gondel schaukelte angebunden in der leichten Strömung. Kurz darauf war das erste Boot aus ihrem Sichtfeld verschwunden. Es war nur noch eine der vermummten Gestalten anwesend, die am Steg wohl auf weitere Jünger wartete. Schnell entschlossen sie sich, den Wartenden lautlos zu beseitigen.

Illius verließ ihr Versteck und schlich sich leise von hinten an den Mann heran. Doch in diesem Moment blickte der sich um, Illius direkt ins Gesicht. Dann entblößte er eine Reihe spitzer Zähne. Der Mann war ein Vampir. Ein widernatürliches, von einem untoten Wesen infiziertes Geschöpf. Sofort stürzten die beiden anderen aus ihrer Deckung, den ertappten Assassinen zu unterstützen. Als der Vampir erkannte, wer dort vor ihnen stand, erklang ein höhnisches Lachen und Sekunden später war Akela, der Fürst der Diebe durch den Blick des Untoten hypnotisiert. Mit einem süffisanten Lächeln drückte der Vampir seine Freude über diesen wertvollen Fang aus, während er den hypnotisierten Akela mit Namen ansprach. Es war offensichtlich, dass er wusste, wer sie waren.

Die Anführer der Gesichtslosen auszuschalten wäre für die Nachtfischer ein wichtiger Schritt, hin zur Herrschaft über die Diebesgilden der Stadt. Das durften sie nicht zulassen. Entschlossen, und mit abgewandtem Blick, um vom Vampir nicht ebenfalls hypnotisiert zu werden, griffen sie an. Doch der Untote zog eine Nachtelfenklinge und stellte sich zum Kampf. Einen Streich nach dem anderen wehrte er ab und ging dann seinerseits in die Offensive.

Der hypnotisierte Akela stand währenddessen teilnahmslos daneben. Der innere Kampf, der in ihm tobte, war von außen nicht wahrnehmbar. Während der Untote Minea unbarmherzig immer weiter zurückdrängte, nutze Illius eine Lücke in dessen Verteidigung und stach ihm die Klinge seines Wakizashis tief in den Hals. Keuchend floh der Vampir einige Meter zurück und fauchte seine Widersacher wütend an.

Augenblicklich fiel der Bann von Akela ab und in der nächsten Sekunde stürzten sich alle drei auf ihren Gegner. Der schieren Überzahl energisch geführter Angriffe hatte der Vampir nichts entgegenzusetzen. Immer wieder fuhren die Klingen der Drei durch seine Verteidigung und trieb ihn Stück für Stück weiter zurück. Am Ende war es die Waldläuferin, die den letzten und entscheidenden Hieb anbrachte und die Kreatur niederstreckte.

In einer der Kisten, die neben dem Anleger standen, fanden sie schwarze Kutten, wie diejenigen, die von den Gulnar Anhängern getragen wurden. Schnell stülpten sie sich die Roben über, betraten die bereit liegende, leere Gondel und fuhren bald danach in den dunklen Kanal hinein. Nach kurzer Fahrt durch die Kanalisation, währenddessen das Boot seinem eigenen Kurs folgte, erreichten sie einen unterirdischen Anleger. Hier stoppte die Gondel. Atemlos beobachteten die drei Gefährten Dutzende vermummte Anhänger des dunklen Gottes, die sich hier in einer Art kreisrundem Auditorium versammelt hatten. Bei vielen handelte es sich wahrscheinlich um unbescholtene Bürger, die Aktionen wie diese als eine Art schauriges Abenteuer betrachteten.

Um keine Aufmerksamkeit zu erregen, ließen sie sich in den oberen Reihen nieder und beobachteten das Geschehen. Akela entzündete die Kerze des Findens und schnell zeigte die kleine Flamme auf einen Platz, einige Reihen unter der ihren. Dann verebbte das beständige Gemurmel in dem Saal und eine, in eine lange Robe gehüllte Gestalt erschien im Rund der Mitte. Als sie die Kapuze abwarf, sahen Akela, Illius und Minea das zerfurchte Gesicht eines Mannes mit unvorstellbar grausamen Gesichtszügen. Sofort wussten sie, dass dort unten ein Vampir stand. Keine der bedauernswerten Kreaturen, die durch den Biss eines Untoten in einen Vampir verwandelt worden waren, sondern um einen echten, einen der alten Vampire. Ein Schauder überlief die Drei.

Zwischen den vermummten Freizeit-Kultisten saßen auch einige Mitglieder der Nachtfischer auf den Rängen. Als Akela sah, wie die Augen der mit ausufernden Tätowierungen und Körperschmuck bedeckten Männer und Frauen bei den Worten des Untoten leuchteten, wurde ihm bewusst; der Vampir war der Anführer der Nachtfischer. Er rang seine Erregung nieder und konzentrierte sich wieder. Unauffällig und in den wabernden Schatten des Raums versteckt, schlich er durch die Ränge.

Illius und Minea warteten und beobachteten die Szene. Dort, im Rang vor ihm, musste der Mann sein, der den Stichel bei sich trug. Es war ein Nachtfischer mit kahl geschorenem Schädel, auf dessen nackter Haut eine Fratze tätowiert war. Beiläufig nahm Akela auf dem freien Sitz hinter dem Mann Platz und beugte sich nach vorne, um ihm das gesuchte Objekt aus der in einem unbeobachteten Moment aus der Tasche zu ziehen.

Da ertönte von der Empore ein tiefer, kehliger Schrei. Als sie sich umblickten, erkannten sie einen Toten. Genauer einen Untoten. Es war der Vampir, den sie vermeintlich bereits getötet hatten. Augenblicklich schalt Minea sich einen Narren. Sie hatten vergessen, dem Untoten einen Pfahl durchs Herz zu treiben. So hatte er sich wieder regeneriert und gefährdete nun das Gelingen ihres Plans und ihr Leben. Als der Vampir die Namen Akelas und Illius rief und die Anwesenden aufrief, die Verräter in ihren Reihen ausfindig zu machen, brach Chaos aus. Während die Nachtfischer aufsprangen und ihren Sitznachbarn die Roben vom Körper rissen und mit langen Messer und Schwertern auf vermeintlich Flüchtende einhieben, beobachtete Minea, wie der alte Vampir eine der panisch Flüchtenden packte und seine Zähne tief in ihren Hals schlug.

Sie mussten hier raus. Akela bekam im entscheidenden Augenblick den Griffel zu fassen. Dann suchten sie einen Weg hinaus. Der Ausgang zur Kanalisation war vom neu aufgetauchten Vampir versperrt. Auf den zweiten Ausgang, eine doppelflügelige Tür, hielten die Massen der panischen Gulnar Anhänger zu. Sie entschlossen sich, diesen Weg zu wählen. Ohne Rücksicht pflügten sie sich durch die Herde.

Der Vampir war dicht hinter ihnen, doch quetschten sie sich im letzten Moment durch die von Menschenleibern verstopfte Öffnung. Sie erreichten in einer Art Keller. Eine Treppe führte hinaus. Die nahmen sie. Rücksichtlos stießen sie andere Flüchtende beiseite, nahmen drei Stufen auf einmal und standen in der nächsten Sekunde in einem Schankraum. Unter den Augen der verdutzten Gäste hasteten sie und andere aus dem Schankraum, hinaus auf die dunkle Straße.

Während ihres Rückwegs zum Seidenen Turban wurden sie nicht aufgehalten. Schwer atmend kamen sie mitten in der Nacht an der Taverne an. Sofort gab der Sharakine Anweisungen, einen Alchimisten zu rufen. Der sollte magische Bannkreise der Magieabwehr auf die Fenster und Türen des Unterschlupfs zeichnen. Bei einem kühlen Met kamen sie nach einiger Zeit wieder zur Ruhe. Es schien, als hätten sie sich einen weiteren mächtigen Feind geschaffen. Akela entsandte einen weiteren Boten. Er gab den Schreienden Schwestern die Nachricht von den Geschehnissen der Nacht und vergaß natürlich nicht, den Griffel zu erwähnen, den sie erbeutet hatten. Widerstrebend begaben sie sich kurz vor Morgengrauen schließlich ins Bett, einem unruhigen Schlaf entgegen.


Meridot: Gefängnistürme und Haingaishöllen (Tag 4)

Doch bereits kurz nach Sonnenaufgang war die Nacht wieder vorüber. Akela, Illius und Minea machten sich auf, der Ziegelei Ramsas einen weiteren Besuch abzustatten. Mutter und einige ihrer Schäfchen erwarteten sie bereits. Besorgnis stand der Anführerin der Schwestern ins Gesicht geschrieben, doch als Akela ihr den Stichel überreichte, stahl sich ein kurzes Lächeln in ihr Gesicht. Und so schlossen die Schreienden Schwestern mit den Gesichtslosen einen Pakt. Unmittelbar darauf, gab Mutter Anweisungen, ein paar Mädchen zum Seidenen Turban zu bringen. Sie sollten von nun an dort ihren Geschäften nachgehen. Akela hoffte, der Zusammenschluss mit Mutter und ihren Mädchen würde den erhofften Auftrieb bringen. Sie hatten zusätzlich zu den Neunfingern mit den Nachtfischern eine weitere mächtige Diebesgilde gegen sich aufgebracht. Die Vampire in den Reihen der Nachtfischer bereiteten Akela zusätzliche Sorgen.

Nach dem Gespräch mit den beiden Dieben nahm Mutter Minea zur Seite. Die beiden Frauen gingen ein Stück. Währenddessen erzählte die ältere Frau der jüngeren, was sie erfahren hatte. Es gab in der Stadt Gerüchte um einen Mann namens Hansgar Althuser, der wohl Maat auf der „Braut des Windes“ gewesen war.

Er war vor einiger Zeit in der Stadt aufgetaucht und kurz darauf wegen Diebstahls verhaftet worden. Seitdem saß er im Schwarzen Stein, dem berüchtigten Stadtgefängnis am Hafen. Als Mutter die lange Miene der Waldläuferin bemerkte, fügte sie an, was man ihr noch zugetragen hatte. Es gab wohl einen Wächter im Gefängnis, der ein kleines Problem mit der Haingais Droge hatte. Solchermaßen geartet, dass er regelmäßig nach seiner Schicht im Qualmenden Drachen, einer örtlichen Haingaishölle anzutreffen sei. Mitsamt seines Schlüsselbunds. Vielleicht bot sich hier ja eine Gelegenheit. Mutter zwinkerte der Waldläuferin zum Abschluss aufmunternd zu. Dann verließen die Drei die Ziegelei Ramsas wieder und machten sich auf den Rückweg zum Seidenen Turban.

Einschub:

Das klebrige Harz des Haingaisstrauchs wird in sogenannten Haingaishöllen durch lange Pfeifen geraucht. Nach Konsum verfallen die Raucher in ein mehrere Stunden andauerndes Delirium. Die Haingaishöllen der Stadt gehören den Söhnen der Krähe, einer Diebesgilde, die vom Schmuggel im Hafen der Stadt und dem Drogenhandel lebt.


Nach ihrer Rückkehr bestand Minea darauf, der Befreiung Hansgars oberste Priorität einzuräumen. Die Diebe stimmten zu, schließlich bezahlte Minea sie fürstlich dafür, und alsbald entspannen sich beim Mittagessen dutzende Pläne, den inhaftierten Mann aus dem Gefängnis zu holen. Am frühen Nachmittag kamen sie überein, den Qualmenden Drachen aufzusuchen und das eventuelle Auftauchen der besagten Wache abzuwarten.

Sie suchten sich ihren Weg durch die Stadt und liefen durch kleine Gassen und Hinterhöfe, um nicht aufzufallen. Kurz nachdem sie bei der Haingaishölle, einer schmierigen kleinen Kaschemme, in einem heruntergekommenen Viertel angekommen waren, sahen sie den Gesuchten in besagtem Haus verschwinden. Sie beschlossen, dem Mann zu folgen, um eine Wachskopie des Zellenschlüssels anzufertigen, während dieser im Drogen Delirium lag. Entsprechendes Werkzeug hatten die Diebe dabei.

Minea wollte sich als Drogenkäufer ausgeben und versuchte es zuerst, doch scheiterte sie ebenso wie Illius am Türsteher. Der stellte ihnen ein Rätsel und zeigte immer wieder verschiedene, zu entschlüsselnde Fingerkonstellationen. Am Ende schickte er sie ungehalten wieder weg. Akela war ihre letzte Chance. Entschlossen ging der Sharakine auf die Tür zu und klopfte an. Sekunden später blickte der Türsteher durch das Guckloch und rümpfte die Nase. Aber auch die Echsenwesen brachten Geld und so stellte er ihm das Rätsel. Akela dachte einen Moment nach und antwortete.

Kurz darauf klackte das Türschloss und er wurde eingelassen. Er hatte nicht die geringste Ahnung, wie er das Rätsel gelöst hatte. Doch er hatte die Haingaishölle betreten. Das war alles, was zählte. Man führte ihn in einen verqualmten Raum, in dem breite Betten an den Wänden standen. Hier lungerten die Abhängigen herum. Manche lagen bereits im Delirium, andere rauchten lange Pfeifen und machten sich auf den Weg, ihren Bettnachbarn zu folgen. Über allem hing ein schwerer, süßer Nebel. Auch Akela wurde eine Liege zugewiesen.

Dankbar nahm er die ihm angebotene Pfeife an und inhalierte tief. Kurz darauf lehnte er sich mit halbgeschlossenen Augen zurück. Augenscheinlich hatte die Droge ihre Wirkung getan. Doch trug der Diebesfürst einen magischen Ring, der ihn gegen Rauschzustände jeglicher Art immunisierte. So nutzte er die Zeit, sich unauffällig im Raum umzuschauen. Der gesuchte Mann lag zwei Betten neben ihm und watete bereits tief durch die schweren Träume der Droge.

Akela wartete, bis der emsige Diener, der den Süchtigen die Pfeifen entzündete, den Raum für einen Augenblick verließ. Dann schwang er sich lautlos auf und durchsuchte mit der Professionalität, die seinem Stand zu Eigen war, den Mann. Schnell fand er den gesuchten Schlüssel und machte einen Abdruck, als er aus dem Nebenzimmer Geräusche hörte. In letzter Sekunde warf er sich wieder auf sein Lager. Niemand hatte etwas bemerkt. Er verbrachte noch zwei Stunden in dem Etablissement, während seine Begleiter in einer Seitengasse auf ihn warteten. Dabei schwor er sich, die Droge niemals ohne den Ring an seinem Finger zu konsumieren.

Kurz nach Sonnenuntergang trafen die Drei wieder zusammen und eilten in den Schatten zurück zum Turban. Hier erfuhren sie, dass es tagsüber ruhig geblieben war. Das Gefühl des Belagerungszustands hielt jedoch an. Die Spinne berichtete Akela später, dass die Stadtwachen einen der ihren verhaftet hatten. Wieder ein Mann weniger, dachte Akela besorgt, während er mit den anderen am Tisch saß und einen Plan zur Befreiung Hansgar Althusers schmiedete. Sie ließen einen Schlüssel vom Wachsabdruck gießen und verbrachten den Rest des Abends mit dem Schmieden und Verwerfen von Plänen.
 

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Meridot: Ein Plan nimmt Gestalt an (Tag 5)

Am nächsten Morgen nahmen sie wieder dieselben Plätze in der Taverne ein, die sie erst spät am vergangenen Abend verlassen hatten und diskutierten weiter. Schnell wurde ihnen klar, dass sie sich persönlich ein Bild von den Begebenheiten am Hafen machen mussten und so brachen sie nach einem kurzen Frühstück auf.

Der Hafen war zur Mittagszeit von emsigen Treiben erfüllt. Zahlreiche der vor Anker liegenden Schiffe wurden mit Kisten, Säcken, Fässern und Amphoren beladen, andere löschten ihre Ladungen. Zu den Hafenarbeitern gesellten sich Tongolems und diverse Lasttiere. Auch sahen sie lange Reihen von aneinander geketteten Sklaven, die gerade von einem großen Handelssegler getrieben wurden. Sie ließen sich auf einigen Stühlen vor einer Taverne im Schatten des Gefängnisturms nieder und bestellten Met. Dabei beobachteten sie eine Menschenmenge, die lange und ausdauernd vor dem massigen Eingangstor des Turms wartete und offenbar zu festgelegten Zeiten eingelassen wurde. Wie Minea während eines Gesprächs herausfand, um ihre Verwandten zu besuchen.

Als sie genug gesehen hatten, kehrten sie zum Turban zurück. Hier nahm ein neuer Plan konkretere Formen an. Ein Plan, für den es den nachgegossenen Schlüssel überhaupt nicht bedurfte. Akela beauftrage die Spinne, herauszufinden, auf welcher Etage und in welcher Zelle Hansgar Althuser eingesperrt war. Darüber hinaus sollte er eine Angehörige ausfindig machen, die regelmäßig einen Gefangenen besuchte, dessen Zelle unmittelbar neben Althusers lag.

Am Nachmittag öffnete die Tür zum Schankraum des Turbans und eine junge Frau stand im Türrahmen. Die neue Kooperation der Gesichtslosen mit den Schreienden Schwestern trieb die ersten Früchte. Den Schwestern war es nämlich gelungen, eine Frau aufzutreiben, auf die die Kriterien Akelas passte. Ihr Name war Rina und sie lebte in der Nähe des Hafenviertels. Ihr Vater war von den Stadtwachen gefasst und verurteilt worden, als er des Nachts mit anderen heimlich die Ladung eines im Hafen liegenden Schiffs stehlen wollte.

Abermals verließen die Gefährten gemeinsam die Taverne und statteten der Frau einen Besuch ab. Rina war eine junge Frau, die ihren Lebensunterhalt als Fischausnehmerin verdiente. Sie lebte in einem kleinen, kargen Zimmer in einem Miethaus in Hafennähe.

Die Drei klopften an und als Rina öffnete, standen die Gefährten auch bereits in ihrer Wohnung. Akela überzeugte sie in einem kurzen Gespräch mit guten Worten und Silberstücken, ihren Vater am morgigen Tag nicht zu besuchen. Der Assassine stand währenddessen hinter ihr. Für den Fall, dass die junge Frau das Angebot ablehnen würde. Doch ging sie darauf ein und rettete damit wahrscheinlich ihr Leben. Sie übergab den Dieben ihren Gefängnis Token, der sie als Angehörige auswies und eine ihrer Haarsträhnen. Letzterer sollte noch tiefere Bedeutung beikommen. Mit dem Gebot, gegenüber niemanden ein Wort über ihr Arrangement zu verlieren, verließen sie kurz darauf das Miethaus und machten einen Abstecher auf einen nahegelegenen Basar. Dort erstanden sie einige Kleidungsstücke, die denen Rinas ähnelten.

Schlussendlich, die Sonne war bereits seit einiger Zeit untergegangen, machten sie dem Alchimisten ihres Vertrauens erneut ihre Aufwartung. Sein Name war Arbas. Als er seine besten Kunden sah, bot er ihnen trotz der späten Stunde einen Becher Tee an. Die Gefährten kauften einen Schrumpfungstrank bei ihm und wollten bereits wieder den kleinen Laden verlassen, als der Alchimist Akela mit einem Mal zurückhielt. Besorgt fragte er den Fürsten der Diebe nach dem Zustand der Diebesgilde.

Akela, der den alten Mann bereits seit Jahren kannte und als vertrauenswürdige Person schätzte, nahm kein Blatt vor den Mund. Es fehlte ihnen an Männern, um sich auf lange Sicht gegenüber ihren Konkurrenten behaupten zu können. Arbas nickte wissend bei den Worten des Sharakinen. Dann machte er dem Fürsten der Diebe einen Vorschlag, den er nicht ablehnen konnte.

Der Alchimist bot an, einen Brief aufzusetzen, mit dessen Inhalt die Gesichtslosen in Ababda, der Sklavenstadt des Südens, neue Mitglieder rekrutieren konnten. Offenbar verfügte der alte Mann dort über gute Kontakte zu einer der dort ansässigen Sklavenhändler Familien. Akela stimmte dem Vorschlag bereitwillig zu und erklärte sich bereit, das Schriftstück später abzuholen. Doch er fragte sich, was der Mann im Gegenzug dafür haben mochte. Zuerst jedoch galt es, sich um den Auftrag zu kümmern, den sie von Minea erhalten hatten.

Die Befreiung Hansgars war zum Greifen nah. Doch heute war es zu spät geworden. Sie kehrten in den Seidenen Turban ein und beschlossen den Abend mit ein paar alkoholischen Getränken.


Meridot: Die Befreiung (Tag 6)

Kurz nach dem ersten Hahnenschrei waren sie wieder auf den Beinen. Heute würden sie es wagen. Ihr erster Weg führte sie ins Magische Viertel. Hier hatten die Alchimisten ihre Geschäfte, verkauften Kräuterhändler Pulver, Prisen und Portionen und niedergelassene Magier handelten mit Zauberrollen und magischen Pergamenten. Auch waren die Werkstätten der Gnome in dieser Gegend angesiedelt.

Zwischen all dem fand sich eine Niederlassung der Erben des Shellteks. Dieser berüchtigte Magier-Orden war dafür bekannt, magische Gefälligkeiten gegen Silber zu tauschen. Sie betraten das Gebäude und bald nahm sich einer der Magier ihrer an. Ihrem Wunsch entsprechend, verwandelte er die Waldläuferin mittels einer Illusion in die Gestalt Rinas. Zu diesem Zwecke hatten die Gefährten die Haarsträhne der jungen Frau an sich genommen. Zufrieden mit dem Ergebnis des Zauberspruchs, dessen Wirkung mehrere Stunden andauerte, wechselte Minea ihre Kleidung und sie verließen das Haus der Magier, nachdem sie gutes Silber dort gelassen hatten.

Unterwegs zum Hafen kauften sie noch einen Korb, in den sie ein mit Betäubungstrank behandeltes, gebratenes Hähnchen legten. Dann stand die Waldläuferin auch schon in der Gruppe, die vor dem Tor zum Gefängnis darauf wartete, eingelassen zu werden.

Kurz darauf betrat sie mit den anderen das Gemäuer. In seinem Inneren war es feucht, dumpf und muffig. Sie wurden nach Etagen getrennt und ein Wächter führte sie in den dritten Stock. Dort überließ er sie ihren Angehörigen und patrouillierte in regelmäßigen Abständen an den Zellen vorbei. Wortkarg übergab Minea, Rinas Vater das mitgebrachte Hähnchen, der es begierig verschlang. Bald war er eingeschlafen.

Minea blickte sich suchend um. Die Wache war nicht zu sehen. Dann sprach sie Hansgar Althuser an, der in der Zelle neben dem Schlafenden lag und schilderte ihm, dass sie zu seiner Befreiung gekommen war. Hocherfreut nahm der ehemalige Maat der „Braut des Windes“ den Schrumpfungstrank aus den Händen der jungen Frau entgegen. Sie warteten, bis die Wache ihre letzte Runde gedreht hatte, dann trank er ihn in einem tiefen Schluck. Sekunden später schrumpfte er auf die Größe eines kleinen Gnoms. Rasch kletterte er in den Korb der Waldläuferin.

Da rief die Wache auch schon zum Abschied auf. Damit rechnend, jede Sekunde aufzufliegen, folgte Minea den anderen die Treppe hinab zum Ausgang. Doch es blieb alles ruhig. Als sich die Tür vor ihr öffnete und sie hinaus ins Licht des Tages trat, atmete sie spürbar auf. Schnell übergab sie sich dem regen Treiben des Hafens. Akela und Illius erwarteten sie bereits, Zu dritt eilten sie zurück zu ihrem Hauptquartier. Just als sie dort ankamen, verlor der magische Trank seine Wirkung und von einem Augenblick auf den anderen erwuchs der Maat aus dem Korb Mineas zu seiner ursprünglichen Größe.

Den Nachmittag und Abend verbrachten sie im Seidenen Turban und horchten Ansgars Geschichte. Gebannt hörten sie, wie „Die Braut des Windes“ von Piraten überfallen und die Besatzung nach Ababda, der Sklavenstadt im Süden des Landes, verschleppt wurde. Wie Ansgar entkam und sich nach Meridot durchschlug, wo er schließlich, mittellos wie er war, beim Diebstahl erwischt und deswegen verhaftet wurde. Darüber hinaus erfuhr die Waldläuferin, dass sich der Vertraute des Königs, Leondir Elbergratz, vermutlich immer noch in Ababda aufhielt. Auch wenn der ahnungslose Maat ihn immer Walmark Sprininsmeer nannte. Hansgar, der nicht wusste, wohin er nun gehen sollte, wurde von Akela kurzerhand in der Diebesgilde aufgenommen. Unendlich dankbar versprach er, für die Gesichtslosen sein Leben zu geben und jeder hoffte inständig, dass dies in absehbarer Zukunft nicht nötig sein würde. Für Minea war nun klar, ihr Weg würde sie nach Süden führen. Je eher sie Meridot verließ, umso besser.


Meridot: Vorbereitungen (Tag 7)

Man setzte sich früh morgens zusammen und plante das weitere Vorgehen. Die Diebe hatten ihren Teil der Abmachung erfüllt und Minea gab sich damit zufrieden. Schließlich hatte sie zumindest eine Spur. Sie brannte darauf, zu erfahren, ob Leondir noch lebte und wenn ja, wo er sich befand. Doch auch die beiden Diebe wollten die Stadt verlassen. Die Gesichtslosen brauchten personelle Verstärkung. Akela wusste, sie würden in ihrem Zustand den kommenden Auseinandersetzungen nicht lange gewachsen sein. Er setzte all seine Hoffnungen in den Brief des Alchimisten.

Kurz nach dem Frühstück eilte er deshalb zu Arbas, der ihn bereits erwartete. Der Brief war fertig und mit einem Wappen gesiegelt, das Akela nichts sagte. Der alte Alchimist trug ihm auf, das Schriftstück niemand anderem als Lucius Seleukis auszuhändigen. Auf Akelas Nachfrage, warum Arbas dies für ihn und die Gesichtslosen tat, antwortete er mit einem Lächeln. „Weil Ihr mir immer die liebsten ward unter dem Abschaum, der dort auf den Straßen lebt.“ Die Antwort reichte Akela aus. Er bedankte sich und verließ den Laden des Alchimisten. Sie verbrachten den Rest des Tages im Turban, packten ihre Sachen und gaben Anweisung, Kamele für den morgigen Tag zu mieten.

Die Reise sollte vierzehn Tage dauern. Akela und Illius besprachen noch ein paar letzte Dinge mit den Mitgliedern seiner Gilde und den Schreienden Schwestern. Schweren Herzens nahm er die letzten Goldstücke aus der Gildenkasse und gab sie der Spinne, mit dem Auftrag Söldner anzuwerben, die für die Dauer seiner Abwesenheit in den von ihnen kontrollierten Straßenzügen patrouillieren sollten. Dann verbrachten sie eine letzte Nacht in den behaglichen Betten des Seidenen Turbans.
 

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Von Meridot nach Ababda


Aufbruch aus Meridot (Tag 8)


Die drei, Akela Zhor, Illius und Minea, brachen früh aus dem Seidenen Turban auf und begaben sich in den Süden der Stadt. Dort holten sie bei einem der Kamelverleiher, die ihre Bleibe im Schatten der Stadtmauer hatten, die drei Tiere für die Reise ab. Sie entschieden sich dagegen, in einer Karawane zu reisen und wählten lieber den Weg abseits großer Gruppen. Sie würden ihren Weg schon finden. Schließlich hatten sie eine Waldläuferin dabei.

So verließen sie mittags Meridot durch das Tor der Löwen. Die Tiere waren ruhig und lammfromm. Die kleine Karawane ritt den gesamten Tag über durch die prächtigen Orangenhaine die Meridot wie ein Mantel umgaben. Am Abend stießen sie auf die Ruine eines alten Herrenhauses, das in der Nähe des Weges auf einem Hügel stand. Sie entschieden, dort die Nacht zu verbringen. Die Kamele an den Zügeln hinter sich her führend, erklommen sie den Hügel.

Oben angekommen, blickten sie sich um. Die Reste des Haupthauses waren von einer kleinen, an vielen Stellen zusammengebrochenen Mauer umgeben. Ein Brunnen stand auf dem kleinen Platz vor der Ruine. Illius erspähte das Seil als erster. Es war an einem Steighaken befestigt, der seitlich in die Brunnenummauerung geschlagen worden war und führte in den Brunnen. Neugierig traten sie näher an den Brunnenschacht heran und blickten hinunter. Das Seil führte bis hinab zum Boden. Dort konnten die Gefährten einen Durchbruch ausmachen. Wo der wohl hinführte? Sie beschlossen, das Seil nach oben zu ziehen und bereiteten ihr Nachtlager.

Als sie bereits ein Feuer entzündet und ihr Abendmahl, bestehend aus Hähnchen, Trauben, Brot und Käse verspeist hatten, hörten sie plötzlich eine Stimme. Sie kam aus dem Schacht. Ein Mann stand dort unten. Er stellte sich als Assis, Abenteurer, Glücksjäger und Historiker vor. Er bat die Gefährten, das Seil herunter zu lassen und sie kamen seiner Bitte nach. Sie boten ihm einen Platz am kleinen Lagerfeuer und er erzählte, was ihn in den Brunnenschacht verschlagen hatte. Als Historiker, er war des Lesens und Schreibens mächtig, hatte er eine alte Karte des Geländes in die Finger bekommen. Auf dieser war das alte Gemäuer als Grabstädte aus der Zeit der Alten verzeichnet. Vermutlich hatte irgendwann jemand das aktuell sichtbare Gebäude darüber errichtet. Assis vermutete immense Schätze in der Grabkammer und hatte sich vor zwei Tagen hier niedergelassen und den Tunnel im Brunnenschacht angelegt. Jetzt war er an einer Steinplatte angelangt. Er war überzeugt, das gesuchte Grab befand sich dahinter. Während der Grabräuber seine Geschichte erzählte, begannen die Augen der beiden Diebe zu leuchten. Ihre Finanzen konnten durchaus eine Aufbesserung vertragen.

Als Assis seine Ausführungen mit der Frage beendete, ob ihn die Gefährten nicht bei seinem Unterfangen unterstützen wollten, wurden sie sich daher schnell einig. Minea stimmte schließlich ebenfalls achselzuckend zu. Assis wollte keine Zeit verlieren und drängte zum sofortigen Aufbruch. Die Kamele waren versorgt, das Feuer wurde gelöscht. Dann kletterten sie hintereinander in den Schacht. Der Grabräuber vorneweg. Mit einem Hammer zertrümmerte er kurze Zeit später die steinerne Platte. Dahinter schloss sich ein niedriger Gang an, den man bestenfalls durchkriechen konnte. Nach Fallen suchend krochen sie einer nach dem anderen hinein. Assis Fackel spendete flackerndes Licht.

Dann geschah es. Sie waren alle in den Gang hineingekrochen, als der Boden des Raums mit einem Mal nachgab. Schwer stürzten sie zwei Meter in die Tiefe und befanden sich in der eigentlichen Grabkammer. Fluchend kamen sie wieder auf die Beine. Suchend beleuchtete Assis mit der Fackel den Raum. Spinnenweben bedeckten alte Tongefäße verschiedener Größe und Totenschädel. In einer Ecke lagen die Überreste einer Truhe. Doch all das verblasste vor dem Sarkophag, der in der Nordecke des Raums stand. Das Relief auf dem Deckel zeigte denjenigen, der wohl darin begraben lag. Ein junger Krieger mit Schwert und Speer. Gemeinsam machten sie sich daran, mit vereinten Kräften den Deckel zur Seite zu schieben. Erfolgreich, wie sich kurz darauf zeigte. Denn mit einem kratzenden Geräusch fiel der Deckel zu Seite und zersprang in zwei Teile. Doch die Freude währte nicht lange. Hatten die Recken gehofft, eine in Gold und Edelsteinen gebettete Mumie vorzufinden, hatten sie sich getäuscht.

Die Mumie im Sarkophag war mit einem magischen Bann belegt, der sie wiedererweckte, sobald der Deckel geöffnet wurde. Alarmiert sprangen die Grabräuber zurück. Doch nicht nur das. Aus den Wänden der Grabkammer brachen mit lautem Bersten vier untote Gestalten hervor. Zwei Skelette, bewaffnet mit alten Speeren und Rundschilden auf der einen Seite, zwei verfaulende Zombies auf der anderen Seite. Rücken an Rücken, mit gezogenen Waffen warteten die Gefährten und Assis auf den Angriff der Kreaturen. Die Mumie erhob sich aus dem Sarkophag. Um sie herum wanden sich wabernde, rot leuchtende Fäden, die ihre gierigen Auswüchse den Vieren entgegenstreckten.

Minea stellte sich der Mumie entgegen und wurde sogleich von den Fäden eingefangen. Übermächtige Angst versuchte, sich ihrer zu bemächtigen. Die Mumie erschien mit einem Mal mehr als furchteinflößend. Mit zusammengebissenen Zähnen kämpfte sie ihre Furcht nieder und griff an. Die anderen drei fochten gegen die untote Dienerschaft der Mumie. Im flackernden Schein der fallengelassenen Fackel tanzten wabernde, zuckende Schatten an den Wänden der alten Grabkammer.

Die Zombies waren schnell erledigt. Die Skelette waren härter im Nehmen. Darüber hinaus stellten sie sich zwischen Minea und den Rest, so dass die anderen der Waldläuferin in ihrem Kampf gegen die Mumie nicht zu Hilfe eilen konnten. Die Speere hielten die Diebe und Assis auf Abstand. Doch Whor, der Gott des Glücks war auf ihrer Seite, denn mit einem Mal brach einer der langen Speere in der Mitte durch. Sofort drangen die drei auf ihre Gegner ein und brachten sie schnell zu Fall. Minea wünschte sich nach dem zweiten Treffer, den die Mumie angebracht hatte, ihre schwere Rüstung zurück, die in ihrem Haus in Vasgor lag. Warum war es in diesen Gefilden auch so heiß, dass es unmöglich war, eiserne Rüstungen zu tragen?

Doch sie behauptete sich gut gegen die Mumie und hatte sie bereits fast niedergerungen, als die anderen ihr zu Hilfe kamen. Kurze Zeit später lagen die Gegner im Staub zu ihren Füßen und sie machten sich daran, die Grabkammer zu plündern. Die gefundenen Edelsteine, der Schmuck und das Gold wurden kurze Zeit später am wieder entzündeten Lagerfeuer gerecht aufgeteilt. Sie verarzteten ihre Wunden und betteten sich zur Ruhe.


Die Reise geht weiter (Tag 9)


Als die blutrote Sonnenscheibe am Horizont auftauchte, krochen sie verschlafen aus dem Zelt des Fürsten, das Akela am gestrigen Abend aufgebaut hatte. Das magische Zelt, das von draußen die Größe eines Einmannzelts hatte, bot in seinem Inneren mit mehr als zwanzig Quadratmetern ausreichend Platz für einen komfortablen Aufenthalt.

Assis, der es vorgezogen hatte, in seinem eigenen Zelt zu schlafen, war verschwunden. Sie bauten ihr Lager ab, sattelten die Kamele auf und setzten ihre Reise fort. Die grünen Obstplantagen, die Meridot wie einen Gürtel umgaben, wichen im Laufe des Tages zurück und machten graubraunen, halbtoten Gewächsen Platz. An diesem Tag geschah nichts weiter.


Begegnungen in der Nacht (Tag 10)

Nachdem sie den gesamten Tag über auf den Kamelen gesessen hatten, errichteten sie am Abend in der Nähe der Straße ein Nachtlager. Die Waldläuferin brach kurz darauf noch einmal auf. Sie hatte den Wunsch, Kräuter zu suchen. So wandelte sich kurze Zeit später, den Blick auf den Boden gerichtet, durch die Vegetation. Doch überrascht vom schnellen Einbruch der Dämmerung, verirrte sie sich in der von Dornbüschen dicht bewachsenen Landschaft.

Als Minea nicht, wie verabredet, nach einiger Zeit zurückgekehrt war, begannen Akela und Illius sich um ihren Verbleib zu sorgen. Kurzerhand brachen sie in der Dunkelheit das Lager ab und entschlossen sich, die Straße langsam entlang zu wandern. Für den Fall, dass die Waldläuferin dort auftauchen würde. Währenddessen traf Minea jedoch auf einen knorrigen alten Fährtensucher, der sie dazu überredete, in seiner Hütte die Nacht zu verbringen. Wie sich herausstellte, nicht die beste Wahl.

Die Echse und der Assassine trafen derweil auf der dunklen Straße einen Kleriker des Hönurs. Der Priester berichtete ihnen von einem Werwolf, der sich seit geraumer Zeit in der Gegend herumtreiben würde. Hönur, der Gott der Dunkelheit, galt auch als Wächter über den Tod. Seinen Abgesandten auf Mirgard fiel es zu, für ein würdiges Begräbnis der Verstorbenen zu sorgen. Doch waren die erfahreneren Hönur Kleriker auch die Wächter der Friedhöfe und Jäger untoten Lebens. In nun größerer Sorge um die Waldläuferin setzten sie gemeinsam mit dem Kleriker die Suche abseits des Wegs fort. Die Kamele ließ man zurück.

In der Hütte des Fallenstellers musste die Waldläuferin mit ansehen, wie der knorrige Mann sich in einen kleinen Raum mit dicker Tür zurückzog und ihr auftrug, diese nicht zu öffnen, was auch immer für Geräusche herausdringen würden. Nachdem sie einige Minuten später zur Gänze davon überzeugt war, mit einem sich verwandelnden Werwolf das Haus zu teilen, zog sie es allerdings vor, hinaus in die unbekannte Dunkelheit zu flüchten.

Der Werwolf, den die Tür im Haus nicht lange aufhielt, jagte ihr kurz darauf blutgierig hinterher. Einige Minuten später trafen die drei Parteien in einem ausgetrockneten Flussbett im Schein des vollen Mondes aufeinander. Während der Werwolf nur Augen für die Waldläuferin hatte und Minea verzweifelt versuchte, das Untier mit ihren beiden Schwertern auf Abstand zu halten, kamen die anderen unbemerkt heran und griffen das Biest von der Flanke an. Gemeinsam gelang es ihnen, mit Hilfe des Klerikers, das Untier zurückzuschlagen. Bald darauf lag der Werwolf tot in seinem Blut dar. Man beerdigte die arme Seele unter Anleitung des Hönur-Klerikers und machte sich dann auf den Weg zurück zur Straße und den angepflockten Kamelen.

Hier errichten sie abermals ein Nachlager und versorgte die Wunden, die das Untier geschlagen hatte. Der Kleriker segnete sie und stellte sicher, dass sie sich nicht mit dem Virus der Lykantrophie infiziert hatten. Als die Nacht bereits weit fortgeschritten war, stellten sie Wachen auf und verbrachten den Rest der Nacht ohne Zwischenfälle.


Ein Käfig voller Knochen (Tag 11)

Am Morgen verabschiedeten sie sich vom Kleriker, der eigentlich unterwegs nach Meridot war. Nicht ohne ihm von den Vampiren zu erzählen, die sich in der Kanalisation von Meridot aufhielten und zu Anführern der Nachtfischer aufgeschwungen hatten. Der Kleriker versprach, diese Informationen weiterzugeben. Die Gefährten ritten weiter gen Süden.

Im Laufe des Tages trat das vertrocknete Gehölz immer weiter zurück und machte einer von großen Findlingen gesäumten Landschaft Platz, auf der außer trockene Gräsern und Distelgewächs nichts gedieh. Zur Mittagszeit querte man einen senkrecht stehenden hohen Felsen. An seinem Überhang, drei Meter über den Köpfen der Recken, baumelte ein eiserner Käfig, in dem sich ein untotes Skelett bewegte und nach ihnen griff. Ein seltsames Bild. Nach einer kurzen Rast ritt man weiter. Am Abend wurde das Lager im Schutze einiger Felsen aufgestellt und Wachen eingeteilt.


Unliebsame Ereignisse (Tag 12)

Von den Strapazen der Reise übermannt, entschlief die Waldläuferin jedoch und im Morgengrauen stellten sie erschrocken fest, dass eine Gruppe Sandläufer das Lager eingekreist hatten. Die Kamele waren bereits panisch. In letzter Sekunde warfen sich die Gefährten den Echsen entgegen. Minea, sich ihres Fauxpas bewusst, streckte alleine zwei der Kreaturen nieder. Nachdem das Lager abgebaut und die Kamele aufgesattelt waren, setzte man die Reise fort. Gen Nachmittag trafen sie auf eine große Karawane, die Waren und Sklaven aus Ababda nach Meridot transportierte. Die Söldner, die die Sklaven bewachten, waren wortkarg und feindselig.

Am Abend suchte man eine Stelle, die eine Rast erlaubte. Doch Akela ließ für einen Augenblick die Obacht fahren und trat dann auch umgehend in Treibsand, der ihn mit atemberaubender Geschwindigkeit nach unten zog. Erst im letzten Augenblick konnten die beiden anderen ihn mittels eines Seils und eines Kamels aus der misslichen Lage befreien.

Nachdem man des Nachts doch noch einen Lagerplatz gefunden hatte, verhinderte die Waldläuferin das Eindringen einer gigantischen, wenn auch ziemlich langsamen Riesenschleimschnecke ins Zelt der Recken und zerschlug den schleimigen Körper in zwei Hälften.
 

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Die gute Tat (Tag 13)

In der Nacht war ein heftiger Wind vom Gebirge her ins Land gezogen und eine dicke Schicht Sand und Staub lag über allem. Die Luft war schwer und die Sicht begrenzt. Kaum das man bei den beschwerlichen Bedingungen aufgebrochen war, entdeckte der scharfsichtige Assassine eine Bewegung unweit des Weges in der Öde.

Als man sich dieser näherte, erblickten die Recken einen Reisenden, der unter seinem toten Kamel gefangen war und wohl bereits mehr als einen Tag in dieser misslichen Situation verbracht hatte. Nachdem man den Mann, der sich als Hirus vom Stamm der Roten aus den Echsenkämmen vorstellte, befreit hatte, entschlossen sie kurzerhand, das Lager wieder zu errichten und dem verletzten Reisenden Obdach und Heilung zu gewähren. Dieser revanchierte sich, indem er den Dreien eine magische Flöte überließ.


Raben, Räuber und Fürstensöhne (Tag 14)

Am nächsten Tag trennten sich die Wege. Der junge Barde setzte seinen Weg an die Küste zu Fuß fort und die kleine Reisegruppe trieb es weiter gen Süden. Am späten Nachmittag, der Wind hatte abgeflaut und das steinige Gelände war durch Geröllhügel geprägt, begegnete die Gruppe einer kleinen Karawane. Sie bestand aus zwei offenbar wohlhabenden Fürstensöhnen und drei Söldnern, die diese begleiteten. Einer der drei war ein von Narben gezeichneter Halbork.

Das Augenmerk der Gefährten lag jedoch nicht auf dem Halbork, sondern auf einem schwarzen Raben. Der kauerte in einem kleinen goldenen Käfig, den einer der beiden Adligen bei sich führte. Der Rabe konnte sprechen und bat die jungen Männer unaufhörlich, ihn wieder freizulassen. Worauf die freilich nicht eingingen. Kurze Zeit später, die andere Gruppe war bereits seit einiger Zeit den Blicken entschwunden, nahm Illius plötzlich eine Stimme in seinem Kopf wahr. Sie bat ihn um Hilfe.

Nachdem Akela bereits einen Plan gefasst hatte, die eben passierte Gruppe in der Nacht zu überfallen, entschied man sich doch, der mysteriösen Stimme zu folgen. Diese führte die Gefährten auf einen nahegelegenen Geröllhügel, hinein in die Überreste einer alten Festung.

Dort, auf dem Boden, lag ein alter Mann, gefesselt und mit einem Sack über dem Kopf. Ein totes Kamel und ein ebenso toter Hund lagen neben ihm. Auch nachdem man den Mann von seinen Fesseln befreit hatte, regte der sich nicht. Doch die Stimme im Kopf des Assassinen klärte ihn auf.

Der Mann war ein Druide. Die Söldner der Adeligen hatten ihn heute Mittag, just in der Sekunde überfallen, in der er seinen Geist in den Raben transferiert hatte. Dann hatten sie den Raben mit dem Geist des Druiden darin gestohlen. Die Stimme bat die Recken, den Raben zu befreien. Begierig darauf, das Lager der kleinen Gruppe zu überfallen, machten sich die Gefährten nur allzu gerne auf, dem Wunsch des Druiden nachzukommen. Zwei Stunden wanderten sie zu Fuß durch die Dunkelheit, bis sie auf das Lager stießen. Akela und Illius ließen sich nicht lange bitten. Im Schutz der Nacht schlichen sie leise wie ein Windhauch an die Söldner heran, die die Zelte der Fürsten bewachten. Unglücklicherweise übersah man dabei den Halbork, der in der Nähe des Lagers patrouillierte.

Während Akela und Illius nämlich erfolgreich die nichtsahnenden Söldner meuchelten, musste die Waldläuferin sich plötzlich den wilden Attacken des wie aus dem Nichts aufgetauchten Halborks erwehren. Mit einem mächtigen Kriegshammer trieb er die Waldläuferin vor sich her und brach ihr mit einem Treffer auf die Schulter ihr Schlüsselbein.

In diesem Augenblick kehrten die alarmierten Diebe zurück. Rasch feuerten sie einige Bolzen von ihren Handarmbrüsten ab und erkauften der Waldläuferin damit Zeit, einen bangoolischen Heiltrank zu konsumieren. In Sekundenschnelle verheilte der Bruch und Minea stellte sich dem Halbork erneut. Nun waren die beiden anderen heran und umkreisten den Söldner. So sehr der Halbork auch versuchte, seine Gegner mit dem Kriegshammer auf Abstand zu halten. Doch ein jedes Mal, wenn er herumwirbelte, stieß einer der drei in seinem Rücken vor und brachte einen Treffer an. Blutüberströmt fiel er kurze Zeit den konzentrierten Angriffen zum Opfer.

Schweißüberströmt standen sie über der Leiche ihres Widerschers, als ihnen die Fürstensöhne in den Sinn kamen. Unverzüglich eilten sie zurück, nur um zu beobachten, wie die beiden Adeligen auf zwei Kamelen reitend, in der Nacht verschwanden. Die Beute, darunter drei Kamele, war jedoch trotzdem überreichlich. Sie fanden auch den Raben und öffneten die Tür zu seinem goldenen Käfig. Für einen Moment schaute das Tier seine Retter mit klugen Augen an. Dann erhob er sich in die Luft und flog davon.


Kreuzungen (Tag 15)

Am frühen Morgen des achten Tages kehrten sie zum Druiden zurück. Der alte Mann war wieder in seinen eigenen Körper zurückgekehrt und saß auf einer steinernen Bank im Innenhof der Festungsruine. Der Rabe saß auf seiner Schulter. Er bedankte sich herzlich bei den Gefährten. Als Herr dieses Landstrichs sicherte er ihnen jederzeit freies Geleit zu, sollten sie noch einmal durch diese Gegend reisen. Kein Tier würde sich ihnen mit gewalttätiger Absicht nähern. Darüber hinaus erklärte er ihnen den weiteren Weg nach Ababda.

Sollten die Charaktere den rechten Weg wählen, wären sie unter Umständen schneller am Ziel, müssten aber durch den Splitter ziehen, ein weit verzweigtes System schmaler Schluchten und Grate, die den Felsen wie Risse in zersplittertem Glas durchzogen. Hier allerdings gab es viele Gesetzlose, die gerne ungeschützte Karawanen überfielen. Der linke Weg führte durch die Wüste. Hier war es das Wasser, das Reisenden nach einigen Tagen ausging. Auch die Hitze machte vielen zu schaffen. Am Ende führten beide Wege in Lia Shif wieder zusammen. Die kleine Stadt am See Draanam war der Hauptdurchgangsort für Karawanen, die über den See setzen mussten.

Die Recken dankten dem Druiden und diskutierten nach einem kräftigenden Tee, welchen Weg sie schlussendlich wählen würden. Man entschied sich für den längeren Weg durch die Wüste, allein bereits weil der Assassine einen immer vollen Wasserschlauch bei sich führte.

Nachdem sie sich entschieden hatten, rasteten sie bis zum Nachmittag, nutzten die Zeit, um vom Druiden noch das ein oder andere Kraut zu einem günstigen Preis zu erwerben und ihre Ausrüstung wieder in Schuss zu bringen. Dann sattelten die Gefährten auf und zogen noch einige Stunden Richtung Süden. Abends schlug man ein Lager auf und rastete ohne Zwischenfälle.


Das Dorf in der Wüste (Tag 16)

Früh am nächsten Morgen brach man wieder auf. Zur Mittagszeit, die Wüste breitete sich zu ihrer linken bereits bis zum Horizont aus, entdeckten sie einen überdachten und von einer kleinen Mauer umgebenen Brunnen am Wegesrand. Offenbar eine Rast für die Karawanen auf ihren Wegen. Doch als sie näher kamen, entdeckten sie bestürzt, dass neben dem Brunnen ein Reisender zusammengesunken und offenbar tot danieder lag. In seiner Nähe, direkt neben einem mit Brunnenwasser noch halb gefüllten Eimer, lag sein Kamel. Es gehörte nicht viel dazu, um zu kombinieren, dass das Wasser des Brunnens den Reisenden und sein Kamel umgebracht hatte.

Schnell durchsuchte Illius den Toten und förderte einen Schriftrollenaufbewahrungsbehälter zu Tage, der reich verziert und mit einem Siegel verschlossen war. Dieses entpuppte sich als magisch. Nach allerlei Versuchen, den SAB zu öffnen, während dieser zwischenzeitlich magisch brennend an den Händen des Assassinen klebte, hatte man die Botschaft in den behandschuhten Händen. (Das Pergament erweckte ebenfalls den Eindruck, magisch, vergiftet oder sonst wie schädlich zu sein.) Darauf stand:


Ich habe eure Botschaft erhalten Bruder und werde mich ihrer annehmen, sobald sie Ababda erreicht haben. Lasse alle Sorgen fahren und halte dich an deinen Plan, so wie ich mich an den meinigen halte.


Wer auch immer Sender oder Empfänger der Botschaft gewesen sein mag, die Gefährten hielten die Botschaft für wichtig genug, sie mitzunehmen und verstauten sie deshalb sicher in einer leeren und anschließend verkorkten Weinflasche. Nach diesem Zwischenfall reiste die kleine Karawane weiter durch die Wüste.

Der Wind hatte angezogen und feine Sandpartikel schmiergelten über Kleidung, Rüstung, Waffen und ungeschützte Hautstellen. Die Sichtweite verschlechterte sich zusehends. Doch als der Wind für einen Augenblick nachließ, erkannte Illius links des Weges, auf einem Felsplateau inmitten der Sandwüste, die typischen weißen Aufbauten eines Wüstendorfes. Man entschied sich, dort eine Rast einzulegen, vielleicht ein wenig zur Ruhe zu kommen und ein kaltes Bier zu genießen.

Doch als die Recken der Ansammlung auf- und unmittelbar nebeneinander erbauter weißer Häuser näherkamen, die von weitem wie ein einziges Gebäude aussahen, durchstießen sie urplötzlich eine unsichtbare, magische Blase, die das Dorf umschloss. Innerhalb dieser hatte der Wind aufgehört zu wehen und alles war still und scheinbar tot. Alle Versuche, die Blase wieder zu verlassen, schlugen fehl. Innerhalb der Blase waren die Farben gedämpft und die Temperatur ließ die Gefährten frösteln.

Alarmiert pflockten sie die Kamele an. Wachsam näherten sich sie im Anschluss mit gezogenen Waffen vorsichtig der am Dorfrand gelegenen Taverne, die mit einem großen Schild auf dem Scheunentor für ihre Dienste warb.

Innen stießen sie auf drei Personen, die mit einer Art Glas überzogen zu sein schienen und sich nicht rührten. Eine davon war ohne Zweifel die Wirtin. Auch in der neben der Schenke liegenden Scheune waren die Tiere „verglast“. Alle bis auf eines. Dieses sah aus, als hätte man sein Inneres nach außen gestülpt und auf dem gesamten Boden verteilt. Auf der Theke fand sich ein Gästebuch.

Draußen ging die Dämmerung unmerklich in die Schwärze der Nacht über. Das war der Augenblick, in dem die Gefährten hörten, wie sich jemand auf dem knarzenden Holzboden über ihnen bewegte. Schnell machten sie sich (fast) lautlos an die Verfolgung. Nach kurzer Jagd über die Dächer der Stadt, schoss Akela der flüchtenden Gestalt kurzerhand einen Armbrustbolzen ins Ohr, auf das diese zusammenbrach. Nachdem man den Bewusstlosen mit einem Heiltrank wieder zu Bewusstsein gebracht hatte, stammelte der Mann etwas davon, schnell von dort zu verschwinden, denn irgendetwas Finsteres ginge nach Einbruch der Nacht im Dorf vor.

Ohne weitere Worte folgten sie dem sichtlich verängstigten und noch ein bisschen um sein verlorenes Ohr trauernden Mann tief in das Dorf hinein, bis zu einen Tempel des Talmanars, des Gottes der Wüste. Geräusche, dunkle Ahnungen und Schatten verfolgten sie auf ihrem Weg. Angekommen im Haus des Gottes, welches dem armen Mann wohl als Unterkunft diente, stießen sie auf einen ebenfalls verglasten Priester des Gottes der Wüste.

Der Kleriker saß in einem Nebenzimmer des Tempels und war wohl dabei gewesen, eine Botschaft zu verfassen. Eine im Raum stehende Steinstatue des Wüstengottes fiel Akela durch ihre sonderbar leuchtenden Augen auf. Aus den Aufzeichnungen des Priesters ging hervor, dass es einen Bauern im Dorf gab, dessen Tochter verschwunden und dessen Vieh in seinen Stallungen verendet war.

Ungestüm näheres zu erfahren, fragten die Gefährten den einzig Überlebenden aus. Der erzählte ihnen von einem seltsamen Mann, der sich vor knapp einer Woche in der Taverne des Dorfes einquartiert hatte. Rasius, so hieß der Überlebende, hatte gehört, wie sich der Reisende, wohl ein Magier, mit einem Bauern von der anderen Seite des Dorfes unterhalten hatte. Nach dem Gespräch hatte der Magier zugesagt, den Bauern bald besuchen zu wollen. Ob es dazu gekommen war, wusste der Überlebende nicht.

Am Abend des gleichen Tages, hatten sich alle Bewohner urplötzlich in Glas verwandelt und die dunkle Gestalt war aufgetaucht. Die Gefährten waren überzeugt, der Bauernhof am Rande des Dorfes musste die Ursache des Übels beherbergen. Sobald die Sonne aufgegangen war, wollte man sich dem widmen. Vorher richteten sie sich im Tempel ein und schliefen eine Weile. Auf Nachfrage, warum er denn nicht „verglast“ worden wäre, präsentierte der einzig Überlebende ihnen ein Amulett, das vor Verwandlungen schützen sollte. Sie stellten trotz allem eine Wache im Tempel auf.
 

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In der Grube des Bösen (Tag 17)

Am Morgen brach die kleine Gruppe auf. Die Schatten meidend, schlich man über die Dächer, bis man die Peripherie des Dorfs und den kleinen, ein wenig abseits liegenden Hof erreicht hatte. Die dunkle Scheune war angefüllt mit widernatürlichen Fliegen, die einzig durch Licht vernichtet werden konnten. So zerstörten sie Fenster und Türen und nahmen im Anschluss die Scheune genauer unter die Lupe.

Alsbald fanden die kundigen Diebe im Boden, eine in die Tiefe führende Falltür. Dort unten lag die zerschmetterte Gestalt eines Magiers, der der Beschreibung des Überlebenden glich. Jede Vernunft außen vor lassend, ließen sich die drei Recken todesmutig in den Untergrund hinab und folgten einem Gang, der tiefer unter die Erde führte. Bald fanden sie heraus, wohin er führte. Offenbar war die Scheune über den Überresten eines uralten Opferplatzes erbaut worden.

Der Gang endete in einem uralten runden Altarraum, der mit Symbolen der beiden alten Tiergötter Tiegra und Vena geschmückt war. In dessen Mitte stand die dämonenhafte Gestalt eines Frathers, dem Herrn der Fliegen. Der Dämon war in eine dunkle sackartige Kutte gehüllt und aus seinem Leib quollen Maden und Fliegen. Letztere stürzten sich sogleich auf die Recken und hüllten die Waldläuferin ein.

Lachend ob der Sterblichen, die es gewagt hatten, in den Tempel vorzudringen, wandte sich der Frather zum Kampf. Die Waldläuferin hatte der schieren Gewalt des Dämons kaum etwas entgegenzusetzen und auch die schlanke Klinge des Assassinen fand kein Ziel. Die gepanzerte Haut der Bestie war zu dick. Erst als Akela die Angriffe des Frathers auf sich zog, kamen Minea und Illius dazu, sich schwerverletzt zurückzuziehen. Schnell zogen sie einige Laumspurtränke aus ihren Gürteln und konsumierten sie, während der Sharakine Stück für Stück vor dem Frather zurückwich. Die Gefährten mussten ihre Taktik ändern.

Sie überprüften rasch ihren Vorrat an magischen Wurfwaffen und entschieden sich für die Feuerkerne. In rascher Folge warfen die beiden die Geschosse auf den Dämonen. Kleine Explosionen stoben dort auf, wo sie den Frather trafen. Dadurch wendete sich das Blatt. Unter Aufbietung all ihrer Kräfte gelang es ihnen schließlich gemeinsam, den Dämon zu besiegen, der in einem riesigen Schwarm von Schmeißfliegen verging.

Die allgegenwärtige Kälte verklang und als die drei Haudegen schwerverletzt den Gang zurückwankten, nach oben stiegen und in das Licht der Morgensonne blickten, erkannten sie, dass das Leben in das Dorf zurückgekehrt war.

Die Bewohner und auch die Tiere des Dorfes bewegten sich wieder. Und einer wie der andere war verwundert, dass ihm gefühlt einige Stunden fehlten. In Wirklichkeit hatten die Bewohner mehrere Tage in gläserner Starre verbracht. Die drei Recken begaben sich schnurstracks zu ihren vor dem Dorf angepflockten Kamelen. Schon von Weitem erkannten sie, dass der Frather in der Nacht zwei von ihnen niedergemeuchelt hatte. Die übrigen führten sie in die Taverne.

Dort traf man auf die beiden zuvor verglasten Gäste und die Wirtin. Nachdem die Gefährten den Anwesenden erzählt hatten, was vor sich gegangen war, (soweit die Drei es selbst verstanden) begannen die beiden Gäste ihre Geschichte zu erzählen. Die Wirtin gab derweil die Botschaft von der Heldentat der drei Abenteurer im Dorf im Umlauf.

Die beiden, die sich als Risan und Liara vorstellten, waren ehemalige Sklaven, die zusammen mit weiteren Entflohenen Jagd auf ihre Peiniger machten. Der Mann, der zuvor ins Dort gekommen und den Frather erweckt hatte, war einer ihrer Unterdrücker gewesen. Als Magier vom Orden der Hüter der Dunkelheit hatte er einige Meilen von Ababda entfernt gelebt und in seinem einsam gelegenen Magierturm mit Sklaven experimentiert, die er in der Stadt gekauft hatte.

Risan und Liara gehörten einer Gruppe von vier Recken an, die dem Magier den Gar aus machen wollten und in seinen Turm vorgedrungen waren. Doch nachdem sie sich unter Verlusten durch ein Labyrinth voller Monster und Kreaturen gekämpft hatten, hatten sie am Ende nur einen Brief in der Hand gehalten, der von unbekannter Seite an den Magier adressiert, diesen dazu aufrief nach Meridot zu reisen. Kurz entschlossen folgten die beiden der Spur des Magiers und gedachten, ihn hier im Dorf zu stellen. Doch die Götter hatten anders entschieden.

Akela, Illius und Minea verließen die Taverne, um im Tempel nach dem Überlebenden der Nacht zu suchen. Dieser war jedoch verschwunden. An seiner Stelle wanderte der Kleriker verständnislos durch das Chaos in seinem Tempel. Nachdem sie sich vorgestellt und auch ihm die Geschichte erzählt hatten, fügte er dem Puzzle ein weiteres Teil hinzu. Seiner Ansicht nach hatte Talmanar, der Gott der Wüste, die Blase um das Dorf entstehen lassen, um den Frather daran zu hindern, in die Welt zu entkommen. Auch sei Talmanar dafür verantwortlich gewesen, die Gruppe in das Dorf zu lotsen, damit diese es befreiten.

Als die folgende Diskussion um den wahren Glauben an die vierzehn Götter oder die beiden Tiergötter in theologische Dimensionen abzudriften drohte, verließen sie den Kleriker und gingen zurück zur Taverne. Minea suchte noch den Schmied auf, da ihre magische Lieblingswaffe während des Kampfs zerbrochen war. So waren sie gezwungen, bis zum Morgen zu bleiben, da der Schmied das gewünschte Ergebnis nicht schneller erbringen konnte.

In der Taverne hatte sich das halbe Dorf eingefunden und war begierig, die Geschichte vom Kampf gegen den Frather noch ein ums andere Mal zu hören. Risan und Liara waren verschwunden. Während Minea und Akela weitgehend unerkannt ihre Zimmer aufsuchten, die sie zuvor noch von der Wirtin erhalten hatten, war Illius „gezwungen“, die Wünsche der Dörfler nach Heldengeschichten zu befriedigen, was diese ihm mit vielen Krügen Bier versüßten. Betrunken wankte er einige Stunden später ins Bett.

Am Abend wachten alle drei mehr oder minder erfrischt wieder auf und gingen zurück in den Schankraum. Akela, der immer noch andauernden Wissbegier der mittlerweile angetrunkenen Dörfler überdrüssig, hielt einem kurzerhand ein Messer an den Hals, woraufhin alle zügig aus der Taverne strömten. Sehr zum Leidwesen der Wirtin, die nicht müde wurde, ihren Ärger Akela gegenüber kund zu tun. Missmutig ging man bald darauf wieder ins Bett, um am frühen Morgen des nächsten Tages aufzubrechen.


Die Reise geht weiter (Tag 18)

Zu frühester Stunde stand man auf. Minea bat die Magd der Taverne, ihr Schwert für sie vom Schmied abzuholen und eine halbe Stunde später waren die Waldläuferin und ihre Klinge wieder vereint. Während eines kurzen Frühstücks erfuhren sie von einem Gerücht, das im Dorf die Runde machte. Laut diesem hatte Akela, der Sharakine mit dem dunklen Magier kooperiert, um den Ort zu unterjochen.

Seufzend machten sie sich daran, das Frühstück schnell zu beenden, packten und sattelten die vier verbliebenen Kamele und verließen das Dorf. Den Rest des Tages verbrachte man auf dem Rücken der Tiere und brachte so viel Strecke als möglich zwischen sich und das Dorf. Am Nachmittag trafen sie auf eine Karawane. Unglücklicherweise fiel einem der Karawanenbegleiter Akela Zhors Kamel auf. Das Brandzeichen war untrüglich, denn das Tier stammte von den Fürstensöhnen, die sie vor einigen Nächten überfallen hatten.

Es folgte eine kurze Auseinandersetzung, die damit endete, dass sie dem Mann das Kamel überließen und mit den drei verbliebenen Kamelen weiterzogen. Abends rasteten sie am Rand der Wüste. Die Nacht blieb ruhig.


Ankunft in Lia Shif (Tag 19)

Die Gefährten ritten den gesamten Tag hindurch und erreichten am Abend Lia Shif, den kleinen Hafen am See Draanam. Von ihrer erhöhten Position sahen die Recken zum ersten Mal seit langer Zeit wieder grüne saftige Vegetation. Rund um den See spross eine ausufernde Pflanzenwelt, Gräser bedeckten die Ebene, und Büsche und Palmen bildeten einen dichten grünen Gürtel.

Dutzende Herdfeuer erleuchteten die sternenklare Nacht, als die Drei in den Ort ritten, der aus einer Handvoll fester Steinbauten bestand, die von dutzenden von Zelten umgeben waren. Hier lagerten Händler aus aller Herren Länder mit ihren Karawanen auf dem Weg von Ababda nach Meridot und umgekehrt. In zahlreichen Gattern waren Sklaven eingepfercht und der Geruch von Exkrementen und Angst lag in der Luft. Nach kurzer Suche fanden sie eine Taverne, ein von Bänken umgebenes Zelt mit Bierfässern darin und sondierten die Lage. Minea nahm, während sie tranken, aus den Augenwinkeln wahr, wie ein vornehm gekleideter, blonder Sklave in Begleitung zweier dunkelhäutiger massiger Leibwächter in der Taverne auftauchte und offenbar Geld vom Wirt verlangte, der dies auch auszahlte. Am nächsten Tag wollten die Drei den Draanam überqueren.

Sie suchten sich einen Platz am Rand des Areals mit gebührend Abstand zu den übrigen Lagern, bauten ihr Zelt auf, pflockten die Kamele an und harrten der Dinge, die da kommen mochten.


Überraschende Wendungen (Tag 20)

Früh am nächsten Morgen wurden sie aus dem Schlaf gerissen. Das Lager erwachte und bald schon war jede Ecke und jeder Winkel erfüllt von Gesprächen, Gezeter und allerlei Geräuschen. Bald bemerkten sie, wie eine Menge zum nahen Anlegeplatz strömte.

Eilig bauten sie das Lager ab und marschierten ebenfalls in diese Richtung. Auf dem Platz am Ufer angekommen, sahen die Gefährten ein angelandetes Plattbodenschiff. Die Passagiere, Kamele und Sklaven waren just dabei, das Gefährt zu verlassen. Unmittelbar nebenan hatte sich bereits eine Schlange gebildet. Nach einigem Herumfragen fanden heraus, dass hier diejenigen warteten, die eine Passage gebucht hatten. Leider war die Fähre bis auf den letzten Mann ausgebucht.

Ein kleiner, drahtiger Sklavenhändler nutzte die Gelegenheit und bedrängte Illius, ihm Minea zu verkaufen. Doch trotz eines wirklich guten Preises ging der Assassine nicht auf die Offerte ein, woraufhin der Mann unverrichteter Dinge seines Weges zog. In der Nähe, an einem aus groben Hölzern zusammengezimmerten Stand, saß ein feister einäugiger Mann, der sich von einem barbusigen Sklavenmädchen Luft zufächeln ließ. Hier konnten die Drei eine Überfahrt am Nachmittag für sich und ihre Kamele buchen. Danach machten sie sich daran, bei den Händlern des Dorfes ihre in den letzten Wochen zusammengeraufte Kriegsbeute zu veräußern.

Beim ersten Händler angekommen, stellten sie jedoch zornig fest, dass jemand sie bestohlen hatte. Es fehlten zwei Objekte, die ohne Zweifel während ihres Aufenthaltes in Lia Shif aus den Kamelsätteln entwendet worden waren. Doch der Ärger währte nicht lange. Denn die übrigen Gegenstände erreichten einen Verkaufspreis von mehr als 15.000 Silberlingen, die sie gerecht durch drei teilten und im Anschluss zum Teil für lebenswichtige Ausrüstung und magische Tränke ausgaben. Whor, der Gott des Glücks war darüber hinaus mit Minea, die ein magisches Katana für mehr als 6.000 Silberstücke erstand

Den Rest der Zeit bis zum Nachmittag verbrachte man damit, auf Zweikämpfe von in Ungnade gefallenen Sklaven zu wetten, die in einer kleinen, in den Boden gegrabenen schlammigen Arena stattfanden. Immer wieder sahen sie den weißhäutigen Sklaven mitsamt seiner beiden Begleiter in der Menge, beachteten ihn aber nicht weiter.

Am Nachmittag schließlich traf die Fähre, ein Plattbodenschiff wie die anderen, ein und die Gefährten gingen an Bord. Die Überfahrt dauerte mehr als eine Stunde und verlief ohne Zwischenfälle.

Auf der anderen Seite angekommen, in einem Dorf, das Lia Shif glich und Lia Shaf hieß, fiel ihnen beim Verlassen der Fähre eine Gestalt auf, die sie beobachtet hatte. Sobald der Mann erkannte, dass sie auf ihn aufmerksam geworden waren, bestieg er ein Kamel und ritt davon. Unverzüglich stiegen die Gefährten ebenfalls auf und machten sich an die Verfolgung. Vielleicht stand der Mann ja mit der Botschaft in Zusammenhang, die sie bei dem toten Reisenden am Brunnen in der Wüste gefunden hatten. Rasch ließen sie das Dorf hinter sich.

Doch nach gut einer Stunde, sie hatten das dünne Band der Vegetation hinter sich gelassen und waren in die karge, hügelige Ebene vorgestoßen, mussten sie erkennen, wie falsch sie gelegen hatten. Sie hatten den Mann bis in eine unwirtliche, unübersichtliche Geröllebene verfolgt und er war gerade hinter einigen hohen Felsen verschwunden, als die Gefährten bemerkten, wie sich links von ihnen zwei Gestalten über den Rand einer vier Meter hohen Felswand schoben. Unmittelbar darauf flog auch schon ein Bolzen an ihnen vorbei. Ein zweiter traf den Sharakinen in den Oberarm, wurde jedoch von der Rüstung abgehalten.

Dann erhob einer der Männer seine Stimme. Überrascht wendete Illius sich zu seinen Begleitern. Er kannte die Stimme. Es handelte sich um den Mann, der ihm in Lia Shaf Minea abkaufen wollte. Offensichtlich akzeptierte er kein Nein und versuchte nun mit seinen Mitstreitern auf diese Weise der Waldläuferin habhaft zu werden. Doch die Gefährten hatten nicht vor, Minea kampflos den Sklavenhändlern zu überlassen. Geschickt sprangen sie von den Kamelen und gingen dahinter in Deckung. Illius versteckte sich in den langen Schatten des frühen Abends und schlich sich weiter nach oben, auf das Hochplateau. Die anderen beiden nahmen die Gegner mit ihren Bögen, bzw. Armbrüsten unter Beschuss. Dabei kam ihnen zupass, dass die Männer darauf achteten, Minea nicht zu verletzten. Hätten sie gewusst, dass sich hinter dem schönen Gesicht der Geist einer Kriegerin versteckte, hätten sie wahrscheinlich anders gehandelt. So hatten sie einen Wind gesät, dessen Sturm nun unbarmherzig über sie niederbrandete. Als Illius den ersten der drei mit einem gezielten, hinterrücks geführten Stich in den Hals getötet hatte, dauerte es nicht mehr lange, bis der zweite ebenfalls den Weg in den ewigen Jagdgründe antrat. Der dritte und letzte war der Sklavenhändler, den sie bereits kannten. Sie entschlossen sich, den verletzten Mann am Leben zu lassen. Sie fesselten ihn, durchsuchten das Lager der Sklavenhändler und fanden einiges, was es wert war, mitgenommen zu werden. Danach pflockten sie die Kamele in der Nähe an.

Die Nacht war bereits hereingebrochen und sie entschieden, ihr Lager auf dem Plateau zu erreichen. Den einzig verbliebenen Überlebenden holten sie im Anschluss ins Zelt, um ihn im Auge zu behalten. Sie wollten den Spieß umdrehen und ihn auf einem Sklavenmarkt in Ababda verkaufen.

Doch nutzte der quirlige kleine Mann die Gelegenheit und verwickelte Akela während dessen Wache in ein ausuferndes Gespräch. In diesem überzeugte er den Herrn der Diebe, ihn am Leben zu lassen, da er (sein Name war Rufius) ein Bürger Ababdas war und ihm bei seinen Anliegen in der Stadt helfen konnte. Darüber hinaus habe es sich bei dem Überfall nur um ein Missverständnis gehandelt. Sie diskutierten über Sklaven und die verschiedenen Möglichkeiten, mit dem Handel reich zu werden und am Ende der Nacht war die Gruppe um eine Person angewachsen.
 

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Ankunft in Ababda (Tag 21)

Früh am Morgen sattelten sie ein letztes Mal auf und reisten durch die karge Felslandschaft. Währenddessen sprach Rufius über die Gepflogenheiten und Besonderheiten der Stadt, in der sie am Abend ankommen würden. Farrakesch, der Bruder des Sultans von Meridot herrschte offiziell über Ababda, inoffiziell jedoch waren es die fünf großen Sklavenhändlerfamilien, die die Stadt unter sich aufgeteilt hatten. Sie kontrollierten in ihren Vierteln den Gang der Dinge und ihre Paläste ragten hoch hinauf in den blauen Himmel der Stadt.

Tagsüber passierte die kleine Gruppe mehrere Karawanen, die in lange Reihen angekettete Sklaven, bewacht von berittenen Söldnern, zu den Minen des Sultans im Westen brachten. Rufius erläuterte, dass Farrakesch den fünf Familien die Macht der Stadt gerne überließ, solange sie ihm im Gegenzug ausreichend Sklaven für die Silber- und Zinnminen im Westen und Süden der Stadt besorgte.

Am Abend erreichten sie Ababda. Umgeben von dicken Mauern aus ockerfarbenem Stein bestand der weitaus größte Teil der Stadt aus hohen, mehrstöckigen Gebäuden aus gebrannten Ziegeln. Überragt wurde alles von den Palästen der Familien, die ihre Schatten über die weitaus kleineren Häuser der Stadt warfen. Rufius, der ein Parteigänger der Familie der Rastumen war, brachte die drei in seinem Haus unter. Bald schon entspannten Illius und Minea im Hammam, dem heißen Badehaus, von den Strapazen der Reise, während Akela im Innenhof des Hauses darauf wartete, dass Rufius vom Schäferstündchen mit seiner Ehefrau zurück kommen würde.

Dabei fiel ihm auf, dass die Farben der großen Familien auch im Kreis der jeweils eigenen Familie getragen wurden, in diesem Fall Lila. Auch der gesellschaftliche Stand wurde durch das Symbol der Familie der Rastumen ausgedrückt. Der Leibwächtersklave im Hof besaß die Tätowierung eines Skorpions auf der Stirn, während die Hausdiener dieses Zeichen auf dem Oberarm trugen. Rufius selbst trug als freier Mann nur einen goldenen Skorpion-Anhänger um den Hals.

Nach dem Abendessen sagte Rufius zu, ihnen eine Audienz bei Lucius Seleukis zu besorgen, dem Empfänger des Manifests, welches der Alchemist in Meridot den beiden Dieben mit auf den Weg gegeben hatte. Während Akela bereits darüber nachdachte, wie man die neu angeheuerten Männer und Frauen auf dem schnellsten Weg nach Meridot bringen konnte, sprach Minea mit Rufius über ihren Bruder und dessen Verbleib. Der Südländer sagte auch hier zu, die Ohren offen zu halten, ob jemand etwas über eine Schiffsladung Seeleute wusste, die aus Abagail gekommen war und deren Schiff von Piraten geentert worden war.

Am Ende des Abends fanden alle ihr Bett und nachdem sie sichergestellt hatte, dass ihre Türen fest verschlossen waren, bettete man sich zur Ruhe.


Ababda: Ein Tag in der Stadt der Sklaven (Tag 22)

Früh am Morgen brachte der Hausherr bereits gute Nachrichten. Am Abend des Folgetages, am Holemstag würden in der Arena unter dem Platz der Tränen wieder die wöchentlichen Gladiatorenspiele stattfinden. Dort würden sie Lucius treffen können. Natürlich nicht in dieser Aufmachung. (Die drei Abenteurer hatten am Abend zuvor neue einfache Kleidung von Rufius erhalten) Aus diesem Grund hatte der Hausherr bereits nach einem Schneider geschickt, der am Nachmittag die Maße nehmen und am Morgen des nächsten Tages die fertigen Kleider bringen würde.

Zuvor aber zeigte Rufius den Gefährten die Stadt, ihre verschiedenen Viertel, die in die Farben der jeweiligen Familien gehüllt waren, den Platz der Tränen genannten Sklavenmarkt und schließlich den Hafen. Hier lagerten einige Schiffe des Schwarzen Auges, eines Piratenbunds dreier Kapitäne, dem Gurgelnden Jonas, Tarbor Barfuß und Reginald dem Ritter. Der Bund war ebenso berühmt wie berüchtigt dafür, fremdartige Sklaven und exotische Handelswaren auf die Märkte der Stadt zu bringen. Den Stadtbummel nutzte die Gruppe weiterhin, um einige Beute zu verkaufen und neue Anschaffungen zu tätigen. Am Nachmittag schließlich kehrten sie zurück und standen dem Schneider, der kurz darauf erschien, Modell.

In Erwartung des Ergebnisses, verbrachte man einen angenehm ruhigen Abend im Innenhof von Rufius Stadthaus. Doch so ruhig war der Abend nicht. Illius und Akela fühlten sich, ihre Diebessinne geschärft, unbestimmt beobachtet. So gaben wie vor, ihre Bettstatt aufsuchen zu wollen, doch im Schatten versteckt und schleichend begab sich Illius aufs Dach. Dort oben war jedoch nichts zu sehen. Akela, der wohl noch vom Abendmahl ein wenig ungelenk war, scheiterte an der Begehung des Daches, gleich zweimal. Nachdem dann auch noch eine Schindel herunterstürzte und alle Bewohner des Hauses sogleich auf den Beinen waren, zog Akela es vor, leise in sein Zimmer zu verschwinden. Illius, der versteckt hinter einem Kamin das Schauspiel beobachtet hatte, sah sich nun mit einer Wache konfrontiert, die aufmerksamer denn je ihre Runde durch das Haus und über die Galerie machte. Trotz allem war es für den Assassinen ein leichtes, unbemerkt sein angestammtes Zimmer zu erreichen. Danach schliefen alle - außer der Wache – bis zum nächsten Morgen.


Ababda: Der Abend der Spiele (Tag 23)

Der dritte Tag in der Metropole der Sklaven war geprägt von Vorbereitung auf die kommenden Ereignisse. Minea und Akela, die beide trotz der Ruhe des letzten Tages noch angeschlagen von den Ereignissen der Reise waren, fragten die Haussklavin nach Rat. Diese schlug vor, eine befreundete heilkundige Sklavin einer anderen Familie kommen zu lassen, damit diese sich um die beiden kümmerte.

Die Gepflogenheiten der Stadt sahen vor, ein kleines Geschenk, vielleicht ein Schmuckstück der Bitte mitzugeben. Da man ebenfalls ein Geschenk für Lucius Seleukis, den Empfänger des Manifests besorgen wollte, machten die Gefährten sich in gemieteten Sänften auf, Besorgungen zu erledigen. Beim Juwelenhändler ihres Vertrauens verbrachten sie einige Stunden mit dem Bestaunen edler magischer und nichtmagischer Arbeiten. Minea erstand ein kleines silbernes Armband und Akela erwarb als Geschenk für Lucius einen Ring, auf dessen Schiene ein aus Juwelen gearbeiteter Salamander prangte, dem Symbol der Familie Seleukis. Zusätzlich leistete Akela sich den Kelch der Egalisierung, ein Gefäß, das entgiftende Wirkung auf alles besitzt, was man hineinschüttet.

Im Anschluss kehrte man zurück zum Haus und bald darauf kam auch bereits der Schneider, der die Gefährten in farbenfrohe und alles andere als unauffällige Gewänder kleidete. Als dann noch die geliehene Sklavin erschien und sowohl die Waldläuferin als auch den Assassinen heilte, konnte der Abend beginnen. Abermals reisten sie in gemieteten Sänften durch die Stadt. Alle Welt strömte in die Arena, die unter dem Platz der Tränen gelegen war. Unterteilt in acht Blöcke kamen sowohl die Anhänger der fünf großen Familien zusammen, als auch die Farrakeschs, des Sultans. Den Besuchern der Stadt wurden die beiden übrigen Achtel gewährt.

Die Spiele des Abends waren unterteilt in eine Hetzjagd, eine Geplänkel, ein Bestienkampf, hier mit einer Höllenechse und zum Abschluss einige Einzelkämpfe. Hier fochten die Sklaven und Gladiatoren der verschiedenen Familien, entschieden durch das Los, gegeneinander. Man konnte Wetten abschließen, worin sich Akela auch umgehend versuchte. Minea, die kurz zuvor von Rufius, ihrem Gastgeber, noch den Hinweis erhalten hatte, dass Valrew Lorian, ein stadtbekannter Spieler und Frauenheld in der Arena sei, schrieb diesem einen kurzen Brief und ließ ihn von einem Botenjungen überbringen. Da das Haus der Lorian gute Kontakte zum Piratenkapitän Gurgelnder Jonas besaß, war es ja durchaus möglich, auf diesem Wege etwas über das Schicksal der „Braut des Windes“ und ihrer Besatzung herauszufinden.

Wie erwartet nahm Valrew das Angebot an und ein Sklave geleitete die Waldläuferin zur Loge der Lorian. Zeitgleich nahm Akela intensiven Blickkontakt mit einer weißhaarigen Frau unbestimmten Alters auf, die ihn für einen ewig erscheinenden Augenblick mit ihren Blicken fixierte. Doch war es jemand anderes, ein unauffälliger Mann, der Illius zuraunte, das Treffen mit Lucius wäre bereitet. Unauffälligkeit sei jedoch das Gebot der Stunde und nur Illius solle ihn begleiten. Und so geschah es.

Währenddessen saß Minea bei Valrew in der Loge und gab sich die beste Mühe seinen Annäherungsversuchen zu widerstehen. Valrew gestand Minea zu, ihr eine Frage ihrer Wahl zu beantworten, sobald die von ihr favorisierte Seite in der Arena gewann. Doch musste sie ein magisches Schmuckstück einsetzen, wenn sie verlor. Zu guter Letzt musste sie sich von zwei magischen Schmuckstücken trennen, bis sie schließlich ihre letzte Wette denkbar knapp gewann. Am Ende stand einzig ein letzter Gladiator der von ihr favorisierten Familie noch auf dem Feld, während der Rest, sowohl Freund als auch Feind dahin gemeuchelt war.

Ihre Frage, ob der Gurgelnde Jonas in den letzten Monaten weißhäutige Sklaven von einem geenterten Schiff in die Stadt gebracht hatte, wurde von Valrew jedoch nur mit einem Kopfschütteln beantwortet. Hier war also nichts zu holen. Auch wenn es Minea einen geradezu schwindelerregenden Einsatz gekostet hatte, nun konnte sie zumindest einen der Piraten ausschließen.

Illius hingegen schlich vor die Loge der Seleukis und übergab das Manifest durch einen Vorhang an Lucius Seleukis. Rasch stellte sich heraus, dass der Alchemist aus Meridot der Onkel von Lucius und der Bruder Rashads, des Oberhaupts des Hauses war. Lucius sagte zu, seinem Vater die Bitte Akelas zu übermitteln. Er gab jedoch zu bedenken; wenn dreißig Männer aus seiner Klientel dem Diebesfürsten nach Meridot folgten, diese sicherlich ihre Familien mitnehmen würden. Darüber hinaus gab Lucius Illius den Rat, ein Haus in der Stadt zur Miete zu nehmen, denn sosehr ihr derzeitiger Gastgeber auch in ihrer Schuld stand, er war immer noch ein Klient der Rastumen. Man würde sich bei Akela und Illius melden, wenn die Familie der Seleukis eine Entscheidung getroffen hatte. Illius übergab noch den Ring, für den Lucius sich sehr freundlich bedankte und dann kehrte er zu den Besucherrängen zurück. Dort kamen die Gefährten wieder zusammen und eilten zu den bereit stehenden Sänften, denn die Spiele waren beendet.

Im Haus ihres Gastgebers angekommen, begab man sich fast umgehend ins Bett. Doch die angestrebte Nachtruhe war zumindest Akela Zhor nicht vergönnt. Kurz nachdem er eingeschlafen war, träumte er einen verstörenden Traum, in dem die weißhaarige, fahle Frau aus der Arena durch das Fenster schwebend in seinem Zimmer erschien und ihn mittels einer Geste zur sofortigen Bewegungsunfähigkeit verdammte. Der König der Diebe war machtlos und zu keiner Gegenwehr fähig. Die geisterhafte Gestalt in seinem Traum stellte sich als die Schwester des Vampirs vor, der in Meridot die Diebesgilde der Nachtfischer anführte.

Nun ergab auch der Brief aus dem versiegelten Schriftrollenaufbewahrungsbehälter einen Sinn, den die Gefährten bei dem toten Reisenden am vergifteten Brunnen gefunden hatten. Verschwommen nahm Akela wahr, wie die Vampirin ihn in den Hals biss und den Virus des Vampirismus auf ihn übertrug. Binnen der nächsten paar Tage würde er sich verwandeln, über seine Freunde herfallen und dann den Weg zu seiner neuen Meisterin finden. Dann wurde ihm schwarz vor Augen.
 

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Ababda: Böses Erwachen (Tag 24)

Als Akela erwachte, glaubte er zuerst an einen bösen Traum. Doch sobald er der beiden kleinen Wunden an seinem Hals gewahr wurde, erfasste er mit aller Klarheit, was in der gestrigen Nacht geschehen war. Zu tiefst beunruhigt verließ er kurz darauf sein Quartier.

Doch sobald er die Tür geöffnet hatte, stach das Sonnenlicht ihm unerbittlich in die Augen. Mit abgeschirmtem Blick wagte er sich dennoch nach unten in den Hof. Doch seine Lichtempfindlichkeit blieb bestehen und darüber hinaus musste er sich jedes Mal, wenn er den ungeschützten Hals einer Sklavin sah oder auch nur beobachtete, wie die Küchenmagd ein Kaninchen für das Abendessen vorbereitete, mehr und mehr gegen den Drang stemmen, seinem vampirischen Verlangen nachzugeben. Er entschied jedoch, sein Dilemma vor seinen Gefährten zu verheimlichen.

So machten sie sich nach dem Frühstück zusammen auf, dem örtlichen Heroxtempel einen Besuch abzustatten. Die Kleriker des Gottes des Windes unterhielten ein weltweit agierendes System von Boten, das persönliche Nachrichten an Empfänger auf der gesamten Scheibenwelt transportierte. So gab Akela der Spinne, einem seiner treuesten Mitstreiter in Meridot die Weisung, Unterkünfte für die angepeilten dreißig Mann mitsamt ihren Familien zu suchen, die sie hoffentlich von der Familie der Seleukis zur Verstärkung ihrer Gilde erhalten würden.

Der Weg zum Tempel und zurück gestaltete sich sehr anstrengend für Akela und wieder im Haus von Rufius angekommen (der immer noch nicht wieder zurück war) entschied Akela, Illius und Minea reinen Wein einzuschenken. Währenddessen traf ein gesiegelter und an Minea adressierter Brief ein, dessen Absender niemand anderes als Valrew Lorian war.


Die Abende ohne euch sind einsam und ich verrate in der Arena der Götter, Ihr besitzt mein ganzes Herz. Tausend Sklaven würde ich vor euren Augen opfern. Zweitausend Männer, die ihren begierigen Blick auf euch geworfen haben an den Ohren aufhängen. Dies sei mein Beleg und Antwort für all die Ungläubigen auf eure unausgesprochene Frage. Mein Herz und meine Seele befindet sich an einem dunklen Ort, an Bord eines der Schiffe in die Unterwelt. Lasst mich eurer eiserner Ritter sein, der euch vor den Unbillen des Lebens bewahrt, euer Fels in der Brandung. Ich zähle die Stunden bis zu eurer Antwort.

Der auf ewigst eure


Auf den ersten Blick handelte es sich um einen schwülstigen Liebesbrief, den Minea sogleich verstaute. Sie hatten schließlich größere Probleme. Die beiden, ebenso ratlos wie Akela selbst, entschieden, den Tempel des Hönurs, des Gottes des Todes und der Dunkelheit aufzusuchen und bei den dortigen Klerikern nachzufragen, ob Vampirismus heilbar wäre.

Akela blieb zu Hause. Dort erreichte ihn der Brief Rufius, der sich für seine ausgebliebene Rückkehr entschuldigte und erklärte, dass er im Dienst seines Herren gezwungen gewesen war, kurzfristig die Stadt zu verlassen. Der Brief bestärkte Akela in dem Wunsch, das Haus von Rufius alsbald wie möglich zu verlassen. Gleichzeitig entsandte er den Haussklaven, einen Heiler herbeizurufen. Unter Umständen wusste dieser, wie man mit solch einem Vampirbiss umzugehen hatte.

Minea und Illius hingegen erreichten nach einem einstündigen Marsch die Stadtmauern. Dahinter, weit draußen vor den Toren lag der Friedhof und der Tempel des Hönurs. In dessen dunklen Hallen fanden die beiden ein wenig später einen Kleriker und erhielten Antwort auf ihre Frage. Um den Fluch zu bannen, mit dem die Vampirin Akela belegt hatte, blieb ihnen wohl nichts anderes übrig, als die Verursacherin selbst zu töten. Ein äußerst schwieriges und gefahrvolles Unterfangen, war ihre Widersacherin doch eine echte und alte Vampirin.

Zurück in Rufius Haus hielt man Kriegsrat und entschloss sich, am Nachmittag den von Lucius Seleukis in der Arena angesprochenen Makler aufzusuchen, um einen eigenständigen und sicheren Rückzugsort innerhalb der Stadtmauern zu besitzen. Gesagt, getan.

Sie suchten Agnus Zitterbart, einen Zwerg auf, der bereits seit mehr als fünfzig Jahren in der Stadt seinen Geschäften nachging. Der joviale Makler zeigte ihn eines seiner Objekte. Es war eines der typischen Häuser, die in der Stadt anzutreffen waren. Ein sogenanntes Riad, ein Haus, dessen Räume sich um einen Innenhof herum gruppierten und dessen Außenmauern mit ihren kleinen Fenstern ihm das Aussehen einer kleinen Festung gaben.

Das Haus ähnelte demjenigen, in dem sie sich die letzten Tage aufgehalten hatten, war jedoch nicht ganz so prunkvoll wie das von Rufius. Zwei Sklaven gehörten zum Hausstand. Sie nahmen das Angebot des Zwergen an und mieteten ihr neues Domizil für 1000 Silberlinge im Monat. Zusätzlich war das Haus noch mit einem Keller ausgestattet, dessen bronzene Tür jedoch so in Mitleidenschaft gezogen war, dass kein Schlüsselloch oder sonstiges zu erkennen war. Sie gaben dem Haussklaven den Auftrag, die Tür zu säubern. Dann warteten sie auf den Einbruch der Nacht. Am Abend kam der Heiler vorbei, der vom Sklaven des Rufius die neue Adresse der Drei erfahren hatte.

Als Akela ihn in seine Lage eingeweiht und mit 200 Silberstücken entlohnt hatte, wurde er zu einem Quell des Wissens. Hinter verborgener Hand und mit flüsternder Stimme klärte er den Sharakinen über die Machtverhältnisse in der Stadt auf. Die Vampirin war ohne Zweifel die rechte Hand Farrakeschs, dem Fürsten der Stadt. Sie lebte umgeben von einer ihr hörigen Dienerschar in einem Stadthaus in der Nähe der Alten Brücke (die Brücke, die zum Sultanspalast auf der Insel vor der Stadt führte.) Ganz offensichtlich wurde ihr Treiben von Farrakesch selbst gedeckt.

Nachdem man dem Heiler eine gute Nacht gewünscht hatte, besprachen sie das weitere Vorgehen. Nach kurzer Unterredung kamen sie überein, das Haus der Vampirin im Geheimen auszuspähen. Man musste schließlich seinen Feind kennen. Kurzerhand schnappten sie sich die benötigte Ausrüstung und entschwanden durch den Hintereingang in die Nacht. Durch Gassen und Gässchen schlich die kleine Truppe in Richtung der Alten Brücke. Trotz der leisen Sohlen konnten sie jedoch nicht verhindern, die gesamte Zeit über von einem Vampir verfolgt zu werden. Wahrscheinlich wollte die Vampirin über die Schritte ihres neuesten Opfers informiert bleiben. Gleichzeitig bewachten von ihr engagierte Handlanger die Gassen in der Nähe ihres Stadthauses.

Zwar gelang es den geübten Augen der beiden Diebe, die mit einem Glöckchen versehene, quer über den Weg gespannte Alarm-Schnur zu entdecken, Minea wollte sich jedoch versichern, ob das Glöckchen wirklich von der Seitengasse aus überwacht wurde. Das wurde es. Drei gedungene Schurken griffen die Waldläuferin ohne weitere Umschweife an. Diese zog sich rasch in die Gasse zurück, in der ihre Mitstreiter bereits lauerten und nach kurzem Kampf lagen die Schurken tot im Staub danieder. Einem hatte Minea mit ihrem Katana das Haupt abgetrennt. Routiniert versteckte man die Leichen. Doch als sie den Vampir endlich bemerkten, der auf einem nahegelegenen Hausdach saß und ihr Treiben beobachtete, entschieden sie, den Versuch abzubrechen.

Missmutig und sich immer wieder umschauend, kehrten sie zum gemieteten Riad zurück. Wieder in den eigenen vier Wänden angekommen, wartete bereits die nächste Überraschung auf sie. Das abgetrennte Haupt eines ihrer vor kurzem gemeuchelten Widersacher lag auf dem Tisch im Hof und blickte sie aus toten Augen an. Akela konnte nur mit Mühe davon abgehalten werden, sich auf das blutige Haupt zu stürzen und mit aller Macht gelang es ihm, den Vampir in sich zurückzuhalten. Illius schnappte sich kurzentschlossen den Kopf des Toten, verpackte ihn und deponierte ihn einige Gassen weiter in einer Tonne. Danach begab man sich zur Nachtruhe.

Akela konnte in der Nacht kein Auge zutun, und Minea nutzte die Zeit, sich den vermeintlichen Liebesbrief Valrew Lorians noch einmal zu Gemüte zu führen. Im Licht einer kleinen Öllampe begutachtete sie das Schreiben Wort für Wort und Zeile für Zeile. So fand sich heraus, wie unterschiedlich manche der Worte geschrieben waren. Umkreiste man die ein wenig anders geschriebenen Worte, erhielt man folgende Botschaft:

Die Arena besitzt tausend Augen, zweitausend Ohren. Die Antwort auf eure Frage befindet sich an Bord der Eiserner Fels

Wie bereits geahnt, verbarg sich hinter dem schwülstigen Liebegebaren eine geheime Botschaft. Man mochte von Valrew halten was man wollte, der Mann hatte zumindest Prinzipien und hielt sein Wort. Die „Eiserner Fels“ war das Flaggschiff des Gurgelnden Jonas. Eines der drei Piratenkapitäne, die im Hafen der Stadt vor Anker lagen. Minea hoffte, die Worte Valrews würden sich bewahrheiten und sie nahm sich vor, der Spur am nächsten Tag zu folgen.
 

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Ababda: Ein Füllhorn der Ereignisse (Tag 25)

Am frühen Morgen des nächsten Tages trafen sie zum Frühstück im Innenhof wieder zusammen. Akela hatte keinen Appetit und zog sich in den Schatten zurück. Sie entschlossen sich, dem Geheimnis der Kellertür auf den Grund zu gehen. Der Sklave hatte zwar mit der Arbeit begonnen, sonderlich erfolgreich war er mit dem Reinigen der Tür jedoch nicht gewesen. Mittels einiger Portionen Schlössersäure lösten sie die Patina. Darunter erschien eine Reihe von Buchstaben, die scheinbar wahllos auf der Tür verteilt waren und erst einmal keinen Sinn ergaben.

Nach einigem Herumrätseln waren sie sich, bei dem gesuchten Wort, musste es sich um einen Namen handeln. Da sie in einem Haus wohnten, das offenbar dem Talmanar, dem Gott der Wüste geweiht war, (in allen Zimmern gab es kleine Schreine mit dem Abbild des Gottes) versuchten sie diesen Namen. Und tatsächlich: Die entsprechenden Buchstaben waren vorhanden. Wenn man sie mittels eines Stücks Kreide miteinander verband, entstand daraus ein Achteck. Solch ein Symbol hatten sie bereits einmal gesehen. Aber wo?

Illius erinnerte sich als erster. Auf den Säulen des Innenhofs waren allesamt in Höhe der ersten Etage geometrische Symbole eingearbeitet. Darunter war auch eines mit dem Symbol des Achtecks. Eine eingehende Untersuchung förderte einen kleinen Hohlraum dahinter zu Tage. In diesem lag eine bronzene, etwa faustgroße Statue eines Wüstenkäfers, dem geweihten Tier des Gottes der Wüste. Kurzentschlossen schnappte sich der Assassine die Plastik, ging damit zur Tür im Keller und siehe da: Die Tür schwang auf. Dahinter befand sich zum Erstaunen der drei Recken ein kleiner Keller ohne weiteren Ausgang.

Neugierig betraten sie den Raum und schauten sich um. Fast unmittelbar erkannte Akela Zhor eine Tür an der gegenüberliegenden Seite. Eine Tür, die den beiden anderen verborgen blieb. Sicher handelte es sich hier um das Werk eines Magiers, der die Tür vor neugierigen Blicken zu verbergen suchte. Akela untersuchte sie. Die Tür war verschlossen und zusätzlich mit einem magischen Stromriegel gesichert. Keines der beiden Hindernisse stellte für den Sharakinen jedoch eine übermäßige Herausforderung dar. Mit seiner Hilfe überwanden die beiden anderen anschließend ebenfalls die Illusion und traten in den zweiten Raum ein. Auch dieser war mit Ausnahme einer massiven eisernen Tür ohne Schloss vollkommen leer.

Diesmal war es der Assassine, der plötzlich auf den beiden gegenüberliegenden Wänden des Raums, zwei identisch aussehende Gemälde ausmachte. Die beiden anderen sahen davon nichts. So war es an Illius, die vier Fehler in einem der beiden Bilder zu erkennen. Nachdem er den letzten gefunden und seinen Finger darauf gelegt hatte, öffnete ein verborgener Mechanismus die Eisentür schließlich. Neugierig lugten sie hindurch.

Die Tür führte in einen Teil der unterirdischen Kanalisation. Gerade als sie zu einem Abstecher in den feuchten und stinkenden Untergrund aufbrechen wollten, bemerkten sie den Haussklavne, der mit einem unbekannten Mann im Schlepptau, den ersten Kellerraum betrat. Beide blickten sich suchend um, da sie die von der Illusion geschützte Geheimtür aber nicht entdeckten, verließen sie den Keller wieder.

Die Drei, neugierig wer sie in ihrem neuen Heim so unverhofft aufsuchen mochte, verließen den Keller. Oben beobachteten sie, wie der in schwarzes Leder gekleidete Mann vor der Tür ihres Empfangssaals auf sie wartete. Freundlich nickte er ihnen zu und öffnete die Tür. Mit einer Geste lud er die Gefährten ein, diesen zu betreten.

Etwas befremdet folgten sie dem Vorschlag und sahen sich im nächsten Augenblick Lucius Seleukis und einem unbekannten Mann gegenüber, die es sich bereits in den ausladenden Sitzkissen bequem gemacht hatten. Nachdem die Gefährten ebenfalls Platz genommen und ihre Überraschung überwunden hatten, unterhielt man sich. Lucius erzählte, er habe den Brief seinem Vater vorgelegt, der ihn wohlwollend zur Kenntnis genommen hatte.

Als Gegenleistung für die dreißig geforderten Männer samt ihren Familien forderte das Oberhaupt der Familie die Dienste der Recken jedoch in zweifacher Hinsicht. Zum einen befand sich ein Brief mit brisantem Inhalt im Besitz Sharia Rastumens. Die junge Frau hatte vor einiger Zeit den Schriftverkehr einer geheimen Romanze zwischen den Mitgliedern zweier Familien in die Finger bekommen. Nun hatte sie begonnen, eine der beiden involvierten Parteien damit zu erpressen. Da der Brief ihr einziger Beweis war, sollte er unentdeckt und ohne Aufsehen zu erregen aus den Gemächern Sharias verschwinden. Lucius erklärte mit einem Augenzwinkern, dass das Riad der Helden mit einem geheimen Zugang zur Kanalisation ausgestattet sei, die ihrerseits auf verschlungenen Wegen zum Palast der Rastumen führte. Das bestätigte die Gefährten in ihrer Annahme; in der Stadt der Sklaven gab es keine Zufälle. Dann erzählte Lucius von einem Gladiator namens Hector, der ein Champion der Familie der Salishar war und noch keinen Kampf in der Arena verloren hatte. Die Gefährten sollten für einen anderen Ausgang des Kampfes in zwei Wochen sorgen.

Nachdem man sich geeinigt hatte, nahmen Lucius und sein Begleiter Schrumpfungstränke ein. Zuvor kam er noch kurz auf die Vampirin zu sprechen. Am Abend des übernächsten Tags war sie, wie eine Vielzahl anderer Würdenträger, auf einer Feierlichkeit Farrakeschs, des Sultans von Ababda eingeladen. Dann nahm er den Schrumpfungstrank ein. Der Diener, der während des Gesprächs vor der Tür gewartet hatte, verabschiedete sich und brachte Lucius samt Begleiter anschließend in einem eigens dafür angefertigten Kasten unauffällig aus dem Haus. Als Gastgeschenk ließ er ein Etui zurück. In diesem befanden sich drei identische, einfache Eisenringe und ein kunstvoll gearbeiteter Dolch. Illius, der ihn zur Hand nahm, erkannte seine magischen Eigenschaften. Es war der Dolch des Lysimachos. Komplett aus Silber gefertigt, fügte er Vampiren zusätzlichen Schaden zu. Auch wenn sie keine Ahnung hatten, wofür die Ringe gut waren, zogen sie diese an und verließen das Zimmer.

Auf dem Hof bemerkten sie dann sogleich die Gestalt; einen alterslosen, glatzköpfigen Mann mit langer Toga und einem liebenswürdigen Lächeln, der gerade die Kellertreppe herabstieg. Alarmiert und zutiefst beunruhigt folgten sie dem Eindringling, der ihnen jedoch immer einen Schritt voraus zu sein schien, bis in die Kanalisation.

Dort realisierten sie, dass der Mann eine von den Ringen ausgehende Erscheinung war, die ihnen unterirdisch den Weg zum Palast der Rastumen wies. Er verschwand nämlich kurze Zeit später durch eine Wand in einem Seitenschacht der Kanalisation. Die Diebe suchten an der Stelle kurzerhand nach Fallen und fanden eine mit vier Schlössern gesicherte Geheimtür. Während sie suchend die feuchten Wände absuchten, krabbelten fast unentdeckt zwei Brackenasseln aus dem Kanal hinter ihnen. Ihr Ziel war der ungeschützte Rücken der ahnungslosen Abenteurer. Doch hatten die Asseln die Rechnung ohne die aufmerksame Waldläuferin gemacht, die umgehend auf die Kreaturen einschlug. Allerdings waren diese widerstandsfähiger als gedacht und sonderten zu allem Überfluss auch noch ätzende Säureschwaden ab.

Der folgende Kampf forderte einen gewissen Blutzoll bei den Recken; am Ende aber trieben die zerschlagenen Kadaver der Asseln im Brackwasser der Kanalisation. Sie wandten sich wieder dringlicheren Aufgaben zu. Da zwei der Schlösser der Geheimtür immer synchron geöffnet werden mussten, entschieden Minea und Akela die Tür zu öffnen. Der Assassine, dessen Haupttalent das Meucheln Ahnungsloser war, zog sich diskret einige Meter zurück. Eine Vorsichtsmaßnahme, die jedoch reichlich übertrieben war, gelang es den beiden doch auf Anhieb, das schwere Schloss zu knacken, ohne dabei die Fallen auszulösen.

Dahinter erwartete die kleine Gruppe ein niedriger, etwa einen Meter zwanzig hoher und einen Meter breiter Gang. An dessen Ende sahen sie wieder die Gestalt des freundlichen Mannes, der ihnen zuwinkte. Seufzend fügten sie sich und kletterten in den Gang. Der Sharakine, nach Fallen suchend, ging als erster. Und siehe da, nach fünf Metern fand er auch eine. In einer Bodenplatte, die die gesamte Breite des Ganges einnahm, befand sich eine Trittfalle. Trat man darauf, würde ein Steinblock aus der Wand über ihr fallen und alles darunter mit urtümlicher Energie umgehend zerquetschen. Jegliche Wiederbelebung der übriggebliebenen Masse wäre verschwendete Liebesmüh. Trotz alledem entschied sich der König der Diebe, die Falle zu entschärfen, während den beiden anderen nichts übrigblieb, als untätig abzuwarten. Ganze fünf Mal versuchte es der Sharakine vergeblich. (Bei einer Chance von eins zu vier, die Falle versehentlich zu aktivieren.) Doch beim sechsten Versuch löste sie schlussendlich aus. Schockstarre! Doch der Brocken löste sich nicht aus seiner Verankerung. Die Falle hatte so lange nicht ausgelöst, dass sie nun um ein Nü verzogen war. Whor, der Gott des Glücks war auf ihrer Seite.

Akela hielt die Luft an. Eine falsche Bewegung und sein Ende war beschlossene Sache. Tief atmete der Diebesfürst durch, besann sich seiner Rolle und entschärfte die Falle auf des Messers Schneide beim siebten Mal. Sie krochen weiter und blieben aufmerksam. Am Ende des kleinen Tunnels wartete ein Vorsprung, der in eine Höhle führte. Ihr Boden lag etwa zehn Meter unter den Füßen der Recken. Eine altersschwache Strickleiter führte in die Tiefe, doch schenkten sie ihr kein Vertrauen und kletterten stattdessen mittels Seil und Klettermessern hinab. Unten angekommen fanden sie einen Tunnel vor, dem sie in Richtung Palast folgten. Das leuchtende Männchen immer vorneweg.

Der Tunnel endete schließlich in einer kleinen Höhle. Von deren Decke stieg ein quadratischer Schacht geradewegs vierzig Meter in die Höhe. Offenbar standen sie am Boden des Belüftungsschachts, der den Palast der Rastumen mit frischer kalter Luft versorgte. Da erblickten sie das grünleuchtende Männchen in einem Schacht in dreißig Metern Höhe über ihnen und sahen, wie es ihnen freundlich zulächelte. Minea schüttelte seufzend den Kopf. Wer dachte sich nur so etwas aus? Doch eins nach dem anderen.

Der Eingang des Schachtes, knapp drei Meter über dem Boden, war mit einer Alarmanlage in Form zahlreicher, in der Mitte zusammenlaufender Fäden gesichert. Nach kurzer Unterredung nahm die Waldläuferin, die wesentlich stärker als erwartet war, den Fürsten der Diebe auf ihre Schultern. Solchermaßen in der Luft balancierend, entschärfte Akela die Anlage. Kurz darauf entschieden sie, die Echse nach oben zu schleudern, bis diese mittels Klettermessern Halt im Inneren des Schachtes gefunden hatte. Der Versuch gelang beim ersten Mal. Das Zwischenziel war ein Belüftungsschacht in dreizehn Metern Höhe. Dort sollte Akela ein Seil befestigen, auf das die beiden anderen hinterher klettern konnten.

Doch bei allen Göttern! Knapp vor dem Ziel rutschte Akela an der glatten Wand des Schachtes ab und fiel im nächsten Augenblick haltlos in die Tiefe. Schwer kam er neben seinen wartenden Kumpanen auf und brach sich einige Knochen. Von Schmerzen geplagt, griff er sich mit zitternden Händen einen bangoolischen Heiltrank, der seine gebrochenen Knochen in Sekundenschnelle wieder richtete. Dann machte er sich an einen zweiten Versuch. Und der gelang! So arbeiteten sich unsere drei Einbrecher über diverse Zwischenstationen immer weiter nach oben. Schließlich war es Illius, der eine falsche Bewegung machte und im Nachklang, bereits in die Tiefe stürzend, das Seil verpasste. Unten aufgekommen, entfuhr ein kurzer Schrei aus Schmerz und Agonie der Kehle des Assassinen. Schließlich hatte er sich das Sprunggelenk gebrochen.

Mit zusammengebissenen Zähnen schluckte auch er einen Heiltrank und machte sich unverdrossen wieder an den Aufstieg, seinen Gefährten hinterher. Akela, der währenddessen bereits den gesuchten, waagerecht ins Dunkle führenden Belüftungsschacht erreicht hatte, musste feststellen, dass der durch ein massives Gitter versperrt war. In diesem Augenblick erschien am oberen Ende des Schachtes ein Schatten. Eine Wache, offensichtlich vom Schrei des Assassinen angelockt, versuchte in der Dunkelheit des Schachts etwas zu erspähen. Mit angehaltenem Atem pressten die Drei sich in den Schatten der Wand. Dann verschwand die Wache so unvermittelt, wie sie aufgetaucht war.

Akela, dem die Waldläuferin dichtauf folgte, löste die Sprossen des Gitters mittels Schlössersäure aus ihrer Verankerung und Sekunden später krochen beide in den schmalen Belüftungsschacht.

Illius, genesen von seiner Verletzung und im Schacht baumelnd, blickte just nach oben, als die Wache abermals am Rand des Schachtes erschien. Diesmal hatte sie eine Fackel dabei. Seine letzten Kräfte mobilisierend, hangelte der Assassine seinen Kumpanen hinterher, zog seinen Körper in den Schacht und das Seil gleich hinterher, als ihn die Fackel auch schon auf ihrem Weg nach unten passierte. Mit angehaltenem Atem harrten sie der Dinge, die da kommen mochten. Doch sie waren unbemerkt geblieben. Der Schacht, in dem sie sich nun befanden, war etwa neunzig Zentimeter breit und fünfzig hoch. An dessen Ende konnten sie zwei Abzweigungen ausmachen. Akela, der sicher war, alle potentiell vorhandenen Fallen ausgemacht zu haben, wurde von Minea doch noch kurz vor einer unentdeckten Trittfalle gestoppt. Anstelle eines Feuerodems, der die gesamte Länge des Ganges durchmessen hätte, erfüllte in den nächsten Momenten das angespannte Zischen des Sharakinen den Tunnel, während er, seinen Werkzeugkasten neben sich, die Falle entschärfte. Beim ersten Mal! Sie nahmen die rechte Abzweigung. So erreichten sie, fortwährend schleichend, das Ende des Schachtes.

Kurz darauf blickten sie durch ein goldenes Belüftungsgitter in eine Art Ankleideraum. Neben einem voluminösen Toilettentisch war der Raum angefüllt mit Spiegeln und Ankleidepuppen. An den Wänden standen Kleiderschränke und Truhen, daneben und dazwischen Regale mit Schuhwerk. Hinter einem Paravent entkleidete sich gerade eine bildhübsche, junge Frau. Offenbar die gesuchte Rastumen. Drei weitere Türen führten aus dem Raum hinaus. Die zur Linken öffnete sich in eben der Sekunde. Eine Sklavin trat heraus und teilte ihrer Herrin mit, dass ihr Bad bereitet sei. Die warf sich ein Tuch um antwortete, sie würde nur noch rasch einen Brief aufsetzen und dann kommen. Die Sklavin verschwand wieder im Bad, während die junge Frau durch die Tür auf der gegenüberliegenden Seite des Belüftungsschachts den Raum verließ.

Für einen Moment konnte Akela, der vorne im Schacht lag, ein Bild dessen erhaschen, was sich dahinter verbarg. Offenbar führte die Tür hinaus auf eine Dachterrasse. Eine Wache oder zumindest ein Türaufhalter befand sich dort. Schnell besprach man den Plan. Sie wollten abwarten, bis die Rastumen und ihre Sklavin im Bad waren. Dann sollte Illius, der im Gegensatz zu Akela lesen konnte, sich unsichtbar machen, eine Carlyxt Murmel der magischen Ablenkung in der Ankleidekammer loslassen und warten, bis sie von der Wache hinter der Tür wahrgenommen wurde.

Sobald die Wache die Tür geöffnet hatte, würde der Assassine unsichtbar hinaus schleichen, sich nach einer Schatulle oder ähnlichem umschauen und im besten Fall den gesuchten Brief finden. Akela, löste mit einem Meridollar (einer kleinen Silbermünze aus Meridot) die Schrauben am goldenen Gitter. Dabei stellte er fest, dass die ebenfalls goldenen Schrauben mit einem lähmenden Kontaktgift überzogen waren. Glücklicherweise trug er Handschuhe. Gesagt, getan! Nachdem sich die Badezimmertür hinter der Frau geschlossen hatte, schlängelte sich ein unsichtbarer Illius aus dem Luftschacht, den Akela wieder in seine ursprüngliche Position zog. Der Plan ging auf. Als die Wache, von den Geräuschen angelockt, ins Zimmer trat, huschte Illius hindurch nach draußen. Hier gab es unter einem ausladenden Baldachin aus rotem Stoff einen wuchtigen Schreibtisch mit dutzenden Schubladen.

Kurz bevor der Assassine damit begann, alle zu durchwühlen, sah er den freundlich lächelnden Mann, der ihn mit eindeutiger Gestik auf eine bestimmte Schublade hinwies. Die Sekunden rannen herunter. Bald schon würde der Unsichtbarkeitstrank seine Wirkung verlieren und Illius wieder sichtbar werden. In der Schublade befanden sich vier Briefe. Schnell nahm Illius einen heraus und eilte wieder hinein. Die Wache stand in einer Ecke, die Quelle der mysteriösen Geräusche erlauschend. Da sah Illius, wie die Murmel nach draußen rollte. Der Wächter hinterher. Jetzt liefen die letzten Sekunden. Lautlos schob sich der Assassine zum Gitter. Doch als Illius es erreichte und den Brief Minea gab, erkannte die Waldläuferin, dass es sich um das falsche Dokument handelte.

Lautlos fluchend eilte Illius zurück. Fast jede Rücksicht fahren lassend, öffnete er die Schublade erneut, während die Wache einige Meter neben ihm den Geräuschen der Murmel folgte. Diesmal fand er den richtigen Brief und nahm ihn an sich. Als er abermals ins Halbdunkel des Ankleidezimmers trat, wurde er wieder sichtbar. Schnell versteckte er sich im Schatten und kletterte wieder in den Schacht zurück. Niemand hatte ihn bemerkt. Kurz darauf schraubte Akela das Lüftungsgitter wieder fest und sie machten sich lautlos wie sie gekommen waren auf den Rückweg. Der verlief wesentlich reibungsloser als der Hinweg.

Eine halbe Stunde später stiegen sie in einer Seitengasse aus einem Abwasserkanal in der Nähe ihres Riads. Den Geruch der Kanalisation in den Kleidern, kehrten sie nach Hause zurück und Illius und Minea nutzten ausgiebig den kleinen Baderaum.

Im Anschluss begaben sie sich in den Empfangsraum und orderten die Haussklavin, nach einem Schneider zu rufen. Mittlerweile war es spät am Nachmittag und das Wetter verschlechterte sich zusehends. Der Wind war aufgefrischt und trieb den Sand der Wüste durch die Straßen der Stadt. Nachdem sie beim Schneider neue Kleidung in Auftrag gegeben hatten, entschieden die Gefährten, ihr Riad ein weiteres Mal zu verlassen, um einer weiteren Spur zu folgen.
 

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Das Wetter verschlechterte sich zunehmend. Die Gunst der Stunde nutzend, warfen sie ihre Beduinengewänder über und banden Stofftücher über Mund und Nase. Dann traten sie hinaus in den Sandsturm und eilten über die menschenleeren Straßen zum Hafen. Minea wollte auf dem Flaggschiff des Gurgelnden Jonas, der „Eisernen Fels“, nach den Hinweisen über den Verbleib der verlorenen Mannschaft suchen, die laut Valrew Lorians Brief dort zu finden sein mussten. So kämpften sich die Gefährten durch den Sandsturm bis zum Hafen. Die Sichtweite betrug nur wenige Meter und die feinen Sandkörner fanden ihren Weg zwischen ihre Kleidung und in jegliche Körperöffnungen hinein.

Am Hafen angekommen fanden sie mit Hilfe eines freundlichen Krabbenfischers auch bald das gesuchte Schiff. Illius erkannte durch den Sturm einen Mann, der am gesuchten Anleger neben einigen Kisten und Fässern Wache hielt. Als Minea sich ihm näherte, reagierte er recht unwirsch und riet ihr, den Weg zurück zu nehmen, den sie gekommen war. Illius nutzte derweil die Ablenkung, ließ sich unbemerkt am hölzernen Anleger herab und kletterte im Schatten versteckt daran entlang. Hinter dem Piraten kam er lautlos wieder empor, stach ihm geschwind seinen Dolch in die Kehle und ließ die Leiche leise ins Wasser gleiten. Keine Sekunde zu spät, denn im nächsten Moment tauchte ein weiterer Pirat an der Reling auf.

Da dieser Illius für den wachhabenden Kumpanen hielt, rief er ihm rüber, dass er den Jungen in der Kabine des Kapitäns angekettet habe. Um welchen Jungen es sich handelte, wusste Illius nicht, doch er nickte dem Mann zu und der verschwand unter Deck. Dann gab der Assassine seinen Gefährten ein Zeichen, näherzukommen. Gerade wollte man an Bord gehen und die Kajüte des Kapitäns durchsuchen, als zwei weitere, offenbar betrunkene Piraten von ihrem Landgang zurückkehrten. Sie torkelten über den Steg auf die Gefährten zu, die sie für Mitglieder der Besatzung hielten.

Kurzentschlossen näherte sich Illius den beiden, vordergründig, ihnen buchstäblich unter die Arme zu greifen. Als er jedoch heran war, blitzte plötzlich sein Dolch auf. Einmal, zweimal, dreimal. Dann brach einer der beiden mit ungläubigem Blick tot zusammen und fiel ins Wasser. Der zweite, betrunken wie er war, wurde von Akela aus kürzester Distanz mit Bolzen gespickt und folgte seinem Mitstreiter Sekunden später. Im Anschluss schlichen sie endlich an Bord der „Eisernen Fels“. Der Sandsturm hatte noch zugelegt. Schnell fanden sie die Kabine des Kapitäns. Akela knackte das Schloss und sie huschten lautlos hinein. Der Kapitän war nicht anwesend. Das einzige, was neben den zahllosen leeren Flaschen in der stinkenden Kajüte auffiel, war eine riesige Truhe. Sie stand in einer Ecke und war mit einem Vorhängeschloss versehen. Neugierig näherten sie sich dem Möbel und begutachteten es.

Dann knackte Akela auch dieses Schloss. Als sie die Truhe erwartungsvoll öffneten, stockte ihnen der Atem. Darin eingesperrt lag ein weißhäutiger Junge von vielleicht fünfzehn Jahren. Um seinen Hals trug er ein mit magischen Runen versehenes Halsband, das mit einer Kette verbunden war, die in einem Loch im Boden der Truhe verschwand. Der Junge machte einen ausgemergelten Eindruck. Doch das war nicht das schlimmste. Er besaß keinen Mund. Dort, wo sich eigentlich sein Mund befunden hätte, flimmerte weißes Fleisch. Der Junge war bei Bewusstsein, doch es fand sich keine Möglichkeit, mit ihm zu kommunizieren.

Auf seiner Schulter entdeckte Minea die Tätowierung eines Ankers. Darunter stand in krakeliger Schrift „ABAGAIL“. Der Junge musste vom gesuchten Schiff stammen, da war die Waldläuferin sich sicher. War das die Information, auf die Valrew Lorian in seinem Brief abgezielt hatte?

Die Gefährten untersuchten die Truhe eingehend und fanden im Boden, dort wo die Kette verschwand, eine Geheimtür. Minea gelang es schließlich, sie trotz ihres magischen Schutzmechanismus zu öffnen. Darunter befand sich eine eiserne Wendeltreppe, die in unendliche Tiefen zu führen schien. Jetzt waren die letzten Zweifel ausgeräumt, es musste sich um eine magische Truhe handeln. In diesem Moment fuhr ein Energiestoß durch die Kette und für die Recken sah es so aus, als würde die Lebensenergie des Jungen durch die Kette nach unten abfließen. Da sie keine Möglichkeit sahen, die Kette zu öffnen, entschieden sie, in die Tiefe zu steigen.

Akela entzündete auf der Wendeltreppe ein Diebeslicht, doch es war nichts in ihrer Umgebung zu erkennen, außer allumfassender Finsternis. Plötzlich endeten die Stufen nach einer Weile und die drei traten hinaus in die Dunkelheit. Sie hatten eine Unterweltdimension betreten! Illius sah, wie die Kette von einem mächtigen Felsen umgeleitet wurde und in der Ferne verschwand. Schwach erkannten sie dort ein rötliches Glimmen und Reste einer unbekannten gigantischen Architektur. Schulterzuckend machten sie sich auf den Weg. Sie waren so weit gekommen und würden jetzt nicht mehr umkehren. Sie folgten der Spur der Kette und näherten sich allmählich einer riesenhaften Mauer. Die Kette hielt auf einen mächtigen Riss zu und führte geradewegs durch sie hindurch.

Die Recken folgten dem Weg. Schließlich erklommen sie nach einer Weile ein kleines Plateau. Hier brannte ein Seelenfeuer. Auf einer umgestürzten Säule daneben saß eine schemenhafte Gestalt, an deren Handgelenk die Kette endete. Die Recken kniffen die Augen zusammen. Die Gestalt war eine Nekroga, ein mächtiger Dämon der Niederhölle. Und der Dämon hatte sie bemerkt. Zuerst hielt er die Gefährten fälschlicherweise für den Gurgelnden Jonas. Aus ihren Worten entnahmen die Gefährten, dass die Nekroga offenbar einen Pakt mit dem Piratenfürsten geschlossen hatte. Für ihre Hilfe und Unterstützung bei seinen Schandtaten versorgte er sie durch die Truhe mit frischer, unverbrauchter Lebensenergie.

Doch plötzlich beendete der Dämon seine Ausführung und hob witternd den Kopf. In diesem Moment erkannte er seinen Irrtum. In der nächsten Sekunde stürzte sie sich auf die kleine Gruppe. Minea vorneweg, verwickelte sie in den Nahkampf, während Akela und Illius Bolzen um Bolzen von ihren kleinen Handarmbrüsten lossandten. Glücklicherweise befand sich die Nekroga in einem Zyklus der Regeneration und besaß weder die Energie noch die Kraft, die man von einem Dämon dieser Art erwartete. So explodierte der Dämon am Ende des kurzen Kampfes in einer Fontäne ätzender Säure, die auch die zurückweichende Minea teilweise verätzte. Während Minea sich leicht verletzt wieder aufrappelte, sahen die beiden anderen, wie die Kette begann, sich aufzulösen.

Hastig liefen sie zurück zur Wendeltreppe und eilten mit letzter Kraft wieder nach oben. In der Kajüte des Kapitäns lag der Junge bewusstlos am Boden. Doch die Kette war verschwunden und der Mund war in das Gesicht zurückgekehrt. Da Minea sicher war, dass der Junge über wertvolle Informationen verfügte, warf sie sich den Ohnmächtigen über die Schulter. Illius war bereits nach draußen in den Sturm entschwunden, um sich dort umzusehen. Akela ließ die Waldläuferin passieren und schloss die Kabine des Kapitäns von außen wieder ab. Illius erkannte in der Zwischenzeit einen an der Reling stehenden Piraten durch den Sturm. Unschlüssig blickte er Pirat zu der Stelle, an der eigentlich die Wache hätte stehen müssen. Wie ein Schatten schlich der Assassine sich von hinten an den Ahnungslosen heran und schickte ihn dahin, wo sein Kumpane bereits seit einiger Zeit auf ihn wartete.

Sie schlichen vom Schiff und eilten ohne weitere Zwischenfälle durch den Sturm zu ihrem Riad zurück. Dort betteten sie den immer noch Bewusstlosen auf ein Lager. Auch an ihnen war der Tag nicht spurlos vorbeigegangen, doch waren die Gefährten zufrieden mit den Ergebnissen des Tages. Inständig hoffte Minea, vom Jungen am Morgen näheres über die Mannschaft der „Braut des Windes“ erfahren zu können.
 

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Ababda: Neue Entwicklungen und Tatendrang (Tag 26)

Am nächsten Morgen hatte der Sandsturm sich gelegt. Die gesamte Stadt war von einer Schicht ockerfarbenen Sands überzogen. Als Akela und Illius ihre Gemächer verließen, waren die Haussklaven bereits dabei, sich des Staubs mittels Besen und Handfegern anzunehmen.

Im Empfangssaal war der gerettete Junge aufgewacht und unterhielt sich mit Minea, die die Nacht ebenfalls dort verbracht hatte. Man setzte sich und kurz darauf wurde das Frühstück gebracht, über das der Junge heißhungrig herfiel. Zwischendurch rangen die Gefährten ihm seine Geschichte ab. Der Junge, der sich als Jokesch vorstellte, war der Schiffsjunge an Bord der „Braut des Windes“ gewesen. Zu Beginn wiederholte er in ausladenden Worten den Teil der Geschichte, den sie bereits aus dem Mund Hansgar Althusers in Meridot erfahren hatten. Dann jedoch kam er auf die Zeit nach Althusers Flucht zu sprechen. Die Drei hörten, wie die meisten Mitglieder der Mannschaft bereits kurz nach ihrer Ankunft in die Silberminen der Vampirin verkauft worden waren.

Offenbar hatte die Untote überall in Ababda ihre Finger im Spiel. Der Kapitän und einige jüngere Männer, darunter auch Jokesch, waren jedoch an einem unbekannten Ort in Einzelzellen eingesperrt worden. Während die jungen Männer im Abstand einiger Tage und Wochen einer nach dem anderen verschwanden und nicht wiederkehrten, holte der Gurgelnde Jonas eines Tages den Kapitän ab und brachte ihn einige Zeit später wieder zurück in seine Zelle.

Die Stimmung der verbliebenen Besatzungsmitglieder sank mit jedem neuen Tag ein Stück mehr. Doch Kapitän Sprininsmeers Vorahnung, dass der König von Abagail bereits Recken zu ihrer Rettung entsandt hatte, trug ein Stück der Hoffnung zurück in die Herzen der Gefangenen. Hier fügte Jokesch an, wie er während der Reise erfahren hatte, dass der Kapitän ein Vertrauter der Königs und Sprininsmeer nur ein Deckname sei. Er hatte gehört, wie der Steuermann den Kapitän in einer ruhigen Minute Leondir Elbergratz genannt hatte. Dann war es schließlich an Jokesch, aus seiner Zelle geholt zu werden. In Ketten gelegt kehrte er an Bord der „Eisernen Fels“ zurück und wurde in die Kiste gepfercht, aus der die Recken ihn einige Wochen später in letzter Sekunde befreit hatten. In dieser Zeit allerdings wurde er eines Tages Zeuge, wie eine weißhaarige Frau den Kapitän besuchte, die von den Gefährten als die verfluchte Vampirin identifiziert wurde. Der Junge berichtete, wie die Frau mit dem Gurgelnden Jonas eine Abmachung getroffen hatte, Kapitän Sprininsmeer mitzunehmen, da er „etwas besonderes“ an sich habe. Sie wollte ihn zu einem Platz namens „Ort der Seelen“ bringen. Jokesch sah den Kapitän nie wieder und als bereits jegliche Hoffnung geschwunden war, die Truhe wieder lebendig zu verlassen, waren die Helden erschienen und hatten ihn gerettet. Nun war selbst den beiden Dieben klar, dass es sich bei der vermeintlichen Waldläuferin Minea Gandria um eine Agentin des abagalisischen Königs handelte.

Seufzend gab sie schließlich zu, den wirklichen Grund ihrer Reise verschleiert zu haben und nannte den Dreien ihren wahren Namen: Lady Dera Desdemonea, Siegerin der Spiele von Vasgor und Ritterin der Leibgarde König Nierdach I. von Abagail. Der Junge klebte an ihren Lippen, sah er sich doch einer Heroin des Königreichs gegenüber, die vermeintlich gekommen war, ihn zu retten.

Dera/Minea schärfte ihnen ein, nichts über ihre wahre Identität preiszugeben und gemeinsam dachten sie über ihre nächsten Schritte nach. Jokesch wurde nach draußen geschickt, um die Sklaven bei den Aufräumarbeiten zu unterstützen, während Akela, Illius und Minea darüber nachdachten, wie sie es mit Vampirin aufnehmen konnten. Nicht nur hatte sie Akela infiziert, der Tag für Tag zunehmend verfiel und seine vampirischen Triebe nur noch mit Mühe zurückhalten konnte. Jetzt hatten die Gefährten noch erfahren, dass sich auch der Kapitän der „Braut des Windes“ in ihrer Gewalt befand. Hoffentlich hatte sie ihn noch nicht in einen Vampir verwandelt. Sie hatten nicht die geringste Ahnung, wo sich der „Ort der Seelen“ befand. Doch wussten sie von Lucius Seleukis, dass die Vampirin am Abend auf dem Fest des Sultans von Ababda zu Gast ein würde.

Sie beschlossen, nach Sonnenuntergang in ihr Stadthaus einzubrechen. Hier wollten sie der Untoten bei ihrer Rückkehr einen Empfang bereiten, den sie so schnell nicht vergessen würde. Sie hofften, ihr bei dieser Gelegenheit eine Falle stellen zu können und in Erfahrung zu bringen, wo sich Leondir Elbergratz befand. Nach dem Gespräch warteten sie auf den Schneider, der ihre neuen Kleider vorbei brachte und ließen die Haussklavin einige Besorgungen auf dem Markt und beim Alchimisten tätigen. Unerwartet und ohne Termin erschien gegen Mittag der in schwarzes Leder gekleidete Sklavenhändler, der Lucius Seleukis am Tage zuvor begleitet hatte. Er dankte im Auftrag seines Herren für die rasche Erledigung der ersten Aufgabe und nahm den erbeuteten Brief aus dem Palast der Rastumen an sich. Am Nachmittag dann brachen Minea und Illius auf, um die Örtlichkeiten auszuspähen.

Sich immer wieder vergewissernd, dass sie nicht verfolgt wurden, spähten die beiden den großen Stadtpalais in der Nähe der Alten Brücke aus. Dabei suchten sie nach potentiellen Zugangsmöglichkeiten und Gefahren. Ohne Aufmerksamkeit zu erregen, brachen sie in eine leere Wohnung eines in der Nähe stehenden Mietshauses ein und beobachteten für einige Zeit das Heim der Vampirin. Der Garten wurde von einer übermannshohen Mauer umgeben, die mit spitzen Scherben bedeckt war. Im Garten hielten sich zwei gemein aussehende große Hunde auf. Kurze Zeit später erblickten sie auch noch einen Sandläufer, der offenbar in das Rudel der Hunde integriert war und mit diesen im Garten herumtollte. Minea schlug vor, die Hunde und den Sandläufer am Abend mit Schlafmittel zu vergiften. Auf dem Rückweg zum Riad, in dem Akela bereits auf sie wartete, machten sie kurz Halt und kauften Schlafmittel und drei große Steaks.

Zu Hause angekommen, schilderten sie dem Sharakinen die Situation. Mit Beginn der Abenddämmerung packten die Drei ihre Rucksäcke und schlichen durch die Nebenstraßen zum Palais der Vampirin. In einer dunklen Gasse wurden sie von zwei Dieben der Gilde der Tunnelratten gestellt. Die hatten jedoch den Fehler begangen, nicht auf die im Schatten versteckten Akela und Illius zu achten und dachten, ihnen wäre mit der Waldläuferin eine leichte Beute in die Falle gegangen. Als sie ihren Irrtum bemerkten, wehrten sie sich nach Leibeskräften, wurden jedoch binnen kurzer Zeit von den Gefährten niedergestreckt.

Nachdem die Leichen beiseite geschafft waren, eilten sie weiter und erreichten kurze Zeit später den kleinen Platz hinter dem Palais. Von hier beobachteten sie zwei Krieger, die den Vordereingang des Palais bewachten. Unverzüglich knackte Akela auf der rückwärtigen Seite die Haustür des daneben stehenden Gebäudes und im nächsten Moment schlichen die drei dunklen Gestalten die Treppen hinauf bis aufs Dach. Das Gebäude war ein wenig kleiner, als der Palais der Vampirin.

Nachdem sie die Situation überblickt hatten, kletterten sie leise und geschwind unter Einsatz ihrer Klettermesser auf dessen Dach. Keine Wache hielt sich hier oben versteckt. Doch die verschlossene Luke in der Mitte des Dachs war von einem Kreis magischer Runen umgeben. Ein Problem, dessen Tragweite keiner der Drei erfassen konnte, wussten sie doch nicht das Geringste über Magie. Sie beschlossen, sich erst einmal um die Hunde im Garten zu kümmern und den Kreis nicht zu betreten. Akela schleuderte eine Carlyxt magische Murmel der Ablenkung in den hinteren Teil des Gartens und sie sahen zu, wie die Hunde samt Sandläufer begannen, den vermeintlichen Störenfried aufzuspüren.

Schnell warfen sie das vergiftete Fleisch hinterher und warteten. Kurze Zeit später kehrten die Tiere zurück und stürzten sich auf den Köder. Einige Minuten später waren sie friedlich eingeschlafen. Aufgrund des Runenkreises beschlossen sie, durch eines der Fenster einzusteigen. Lautlos ließ Akela sich mit Hilfe seiner Gefährten an einem Seil hinab und knackte die Verriegelung eines Fensterladens. Nur um festzustellen, dass das dahinterliegende Fenster zugemauert war. Die Vampirin hatte offensichtlich keinen Bedarf an Fenstern in ihrem Haus. Nur zu verständlich, wenn man länger darüber nachdachte.

Kurzerhand ließ der Fürst der Diebe sich bis in den Garten hinab und überprüfte die rückwärtige Tür zum Haus. Auch hier waren Runenkreise in den Türbogen eingearbeitet. Schweren Herzens kletterte er schließlich zurück aufs Dach. Offenbar blieb ihnen kein anderer Weg ins Gebäude, als es durch die Dachluke zu versuchen; trotz des Runenkreises. Es war schließlich Illius, der den Kreis betrat. Im ersten Moment geschah nichts. Doch als er sich umdrehte und den beiden anderen seine Einschätzung mitteilte, begann der Kreis zu summen und zu leuchten. Der Kreis reagierte auf Geräusche. Hastig verstummte der Assassine. Bange Sekunden verstrichen, doch hatte die Lautstärke nicht für eine Aktivierung ausgereicht. Was auch immer dann geschehen wäre. Sich mit Handzeichen verständigend, betrat Akela schließlich den Kreis und machte sich daran, das komplizierte Schloss der Dachluke zu öffnen. Minea wies ihn auf eine Falle hin, die mit dem Schloss verbunden war.

Sollte es Akela nicht gelingen, würde Öl aus unzähligen, auf dem gesamten Dach verteilten Düsen spritzen und binnen Sekunden würde sich das Dach in eine lodernde und weithin sichtbare Fackel verwandeln. Solchermaßen motiviert, öffnete der Sharakine das Schloss ohne Probleme. Kurz darauf betraten sie die darunter liegenden Stufen und damit das Horrorhaus der Vampirin. Auf der Treppe erspähten sie noch einen Trittfalle, die sie umgingen. Am Ende der Stufen erwartete sie ein edler holzvertäfelter Korridor.
 

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Auf dem Boden lagen lange schwere Läufer und prunkvolle silberne Kerzenhalter hingen an den Wänden. Eine einzige Tür auf der gegenüberliegenden Seite verbarg einen großen Raum. Weiter den Flur herab, erblickten sie den Treppenabsatz zur nächten Etage und eine weitere Tür. Ohne Hast schlich Akela zur ersten Tür, öffnete diese und spähte mit einem Teleskopspiegel hinein. Der Raum erinnerte ihn an eine Liebegrotte, wie er sie aus großen Bordellen kannte. Kissen, Decken und halbtransparente Vorhänge in schummrigem Licht. Irgendetwas bewegte sich in den Schatten und weibliche Stimmen erklangen in Akelas Geist. Stimmen, die ihn riefen. Doch widerstand er den Lockrufen, schloss die Tür wieder und versperrte sie. Lautlos eilten sie weiter zum Treppenabsatz und schlichen hinab. Nicht die beste Wahl, wie sich schnell herausstellte.

Illius, der als letzter die Treppe herabstieg, spürte plötzlich den Druck spitzer Zähne, die versuchten, sich in seinen Hals zu bohren. Glücklicherweise trug er eine Kettenhaube. Alarmiert wirbelten die Gefährten herum und erblickten zwei nackte weibliche Vampire von ausgesuchter Schönheit, die sich auf die Recken stürzten. Während die eine mit Illius rang, versuchte die zweite mittels eines bösen Blicks, die Gefährten zur Flucht zu bewegen. Vergeblich! Auch wenn Minea sich der Wirkung des Zaubers nicht entziehen konnte, schleuderte sie Shurikine und Feuerkerne auf die Untote. Akela tat es ihr gleich, während Illius versuchte, die nackte, mit Sharakinenkrallen bewaffnete Furie vor sich zu bändigen.

Als die Vampirin am Treppenabsatz starb, wurden die hilfesuchenden Stimmen im Kopf des Sharakinen mit einem Mal übermächtig. Der Virus des Vampirismus in ihm übernahm die Kontrolle über seinen Körper und hilflos musste sein Ich dabei zusehen, wie er Minea hinterrücks mit einem Nunchaku angriff und verletzte. Während Minea sich nun den Attacken Akelas erwehrte, wogte der Kampf zwischen Illius und der einzig verbliebenen Vampirin hin und her. Doch zu guter Letzt streckte der Assassine sie nieder und der Bann fiel von Akela ab. Umgehend schlugen sie den Untoten die Köpfe ab und verstauten sie in einer kleinen Kammer.

Offenbar hatte trotz des Lärms, den sie während des Kampfs verursacht hatten, niemand von ihnen Notiz genommen. Ein wenig beruhigt, betraten sie im Anschluss die erste Etage. Auch hier gab es nur eine Tür im Gang. Sie war, ebenso wie der Rest der Wandverkleidung, mit aufwändigen Intarsienarbeiten verziert und mit einem Schloss versehen, dass selbst den König der Diebe vor Herausforderungen stellte. Doch gelang es ihm, es beim ersten Mal zu knacken. Mit einem zufriedenen Zischeln, versuchte Akela im Anschluss die Tür zu öffnen. Doch ein magischer Stromriegel ließ ihn zurückfahren.

Erst beim zweiten Mal gelang es ihm, das magische Hindernis zu überwinden. Dann standen sie in den Gemächern der Vampirin. Die linke Seite des Raums wurde von einer prachtvollen, ausladenden Sitzecke eingenommen. In der Mitte ragte ein mit Stoffen umrahmtes Himmelbett empor und zur Rechten erblickten die Recken Regalreihen voller Schriftrollen, Büchern, Tränke und Kräutern. Die Vampirin war nicht anwesend. Schnell verteilten sie sich. Minea trat zu den Büchern, Illius ans Bett und Akela wollte die Sitzecke unter die Lupe nehmen. Eine fremde Stimme ließ sie zusammenfahren. Wie aus dem Nichts manifestierten sich plötzlich zwei Augen neben Illius. Ihre Widersacherin hatte einen Wächter in ihrem Schlafgemach postiert! Umgehend griff der unsichtbare Dämon an. Minea hatte in dem Moment ein Buch zu Hand genommen und ehe sie sich versah, war das Buch aufgeklappt, hatte eine Reihe gefährlich aussehender Zähne präsentiert und sich in ihrer rechten Hand festgebissen. Vergeblich versuchte sie, das Buch abzuschütteln, während der Wächter mit seinem Dämonenschwert auf Illius einhieb. Akela konnte nur ahnen, wo sich ihr Gegner befand und schoss rasch hintereinander Bolzen ab, von denen einige ihr Ziel trafen. Der Wächter brachte mit seiner schwarzmagischen Klinge einen Treffer nach dem anderen an und Illius wusste dass er gegen diese Kreatur nicht mehr lange würde bestehen können. Dann endlich gelang es Minea, sich aus der Umklammerung des Buchs zu befreien. Entschieden schleuderte sie es von sich und eilte dann dem Assassinen zu Hilfe. Der trank gerade zwischen zwei Hieben einen Heiltrank und erkaufte sich so ein wenig Zeit. Die gebündelten Hiebe der beiden Recken und die Bolzen des Sharakinen schickten den Dämon dann zurück in die Niederhölle, aus der er beschworen worden war.

Sekunden später lag der Raum wieder still und scheinbar leer vor ihnen. Doch währte diese Stille nur einige Sekunden. Denn aus den Augenwinkeln heraus nahm Illius eine Bewegung hinter ihnen wahr. Das verfluchte beißende Buch, das Minea von sich geschleudert hatte, verschwand just in diesem Moment Zähne klappernd unter einem Schrank. Warum, das wusste der Assassine auch später nicht zu erklären, aber Illius wollte das Buch unbedingt haben und sprang diesem mit gezückter Klinge hinterher. Trotz, dass es sich mit aller Macht und wild um sich beißend wehrte, gelang es ihm, das magische Buch aufzuspießen und kurz darauf mit einem Seil zu verschnüren.

Da Minea das sich immer noch verzweifelt wehrende Buch unverständlicherweise nicht in ihrem Rucksack unterbringen wollte und der Assassine selbst keinen Platz mehr hatte, ließ man es schließlich dann doch zurück. Nicht, ohne es mit einer schweren Marmorplatte zu beschweren. Währenddessen nahm Akela, der an der Tür des Gemachs Wache gehalten hatte, eine widernatürliche Präsenz im Treppenhaus wahr. Urplötzlich kroch eine unnatürliche Kälte den Gang entlang und die Kerzen der Leuchter verdunkelten sich. Schnell gab er den beiden anderen ein Zeichen, auf das diese regungslos verharrten.

Doch dieses Mal erregten sie keine Aufmerksamkeit und die Präsenz entfernte sich wieder. Sie warteten noch einige Augenblicke und entschieden dann, den Rest des Hauses zu durchsuchen. Einerseits, damit sie bei der Rückkehr der Vampirin keine unbekannten Faktoren im Rücken hatten und andererseits um eventuell Hinweise über den Aufenthaltsorts Leondir Elbergratz zu erhalten. Leise wie Schatten huschten sie hinaus, die Treppe hinunter und ins Erdgeschoss. Hier befanden sich die Ausgänge, eine Tür zu einem vermutlich großen Aufenthaltsraum, ein Abgang in den Keller und eine weitere Tür nahe dem Hinterausgang.

Diese Tür erregte die Aufmerksamkeit der Drei, denn es drangen Geräusche daraus hervor. Ein beständiges, unmelodisches Summen und Brummen, das lauter wurde, je näher sie der Tür kamen. Akela lugte mit seinem Teleskopspiegel darunter hindurch und erblickte die typische Kulisse einer Küche und zwei klobige große Stiefel, die vor einem Herd standen. Vermutlich steckten die Füße irgendeiner Kreatur darin. Dann sprang von irgendwo hinter der Tür etwas gegen den Spiegel und versuchte, ihn zu fassen. Erschrocken riss Akela den Spiegel zurück und die Gefährten verharrten mit den Händen an ihren Waffen. Doch entgegen ihrer Annahme wurde die Tür nicht im folgenden Moment aufgerissen. Stattdessen ertönte eine tiefe Stimme von innen, die jemand anderen, offenbar den Hund hinter der Tür, zur Ordnung rief. Leise entfernten die Gefährten sich von der Tür und schlichen in den Keller. Vielleicht fanden sich dort ja weitere Hinweise auf den Verbleib des von Minea gesuchten Kapitäns.

Die Treppe endete in einem kleinen Raum mit festgestampftem Lehmboden. Einzig eine schwarze, mit aufwändigen Runen verzierte Tür führte daraus hinaus. Ein Fass stand in einer Ecke unter der Treppe. Etwas darin klopfte von innen gegen das Holz. Ohne weiter darauf zu achten, widmeten die Einbrecher sich der Tür und ihrem Schloss. Auch wenn letzteres von fürstlicher Qualität war, hatte es den flinken Fingern und feinen Dietrichen des Sharakinen nichts entgegenzusetzen. Auch den magischen Stromriegel, mit dem die Tür zusätzlich gesichert war, überwand Akela im Anschluss spielend. Ein durchdringender Gestank nach Tod und Verwesung schlug ihnen entgegen, als sie vorsichtig den Raum betraten. Schnell erkannten sie den Grund dafür. Die gegenüberliegende Hälfte bestand aus einer knapp drei Meter tiefen Grube, in der ein Dutzend Zombies herum wankten und torkelten. Am Rand der Grube stand ein Eimer, aus dem der Fuß eines Unglücklichen hervorragte. Offenbar wurden die Untoten regelmäßig gefüttert.

Das Haus der Vampirin wurde den Recken mit jedem neuen Raum, den sie betraten unheimlicher und unheimlicher. Der einzig erkennbare Ausgang aus diesem Raum lag unglücklicherweise auf Höhe der Zombiegrube. Irgendwie musste es eine Möglichkeit geben, auf die andere Seite zu gelangen. Akribisch durchsuchten sie den Raum, doch wenn es eine gab, dann fanden sie sie nicht. So improvisierten sie. Schnell kramte jeder von Ihnen ein Stück Grottenrinde aus seinem Beutel und hängte es um. Auf diese Weise würden die untoten Kreaturen sie vollständig ignorieren, solange sie diese nicht selbst angreifen würden. Im Anschluss warf Akela eine Carlyxt magische Murmel der Ablenkung in eine Ecke der Grube, woraufhin die Zombies umgehend dorthin schlurften.

Unbemerkt durchquerten die Gefährten währenddessen das Hindernis. Auf der anderen Seite kletterten sie die Wand empor und fanden auf dem schmalen Sims vor der Tür mit ihren Füßen Halt. Wenig überraschend war auch das Schloss dieser Tür äußerst kompliziert. Nicht nur das! Es handelte sich gleich um zwei Schlösser, die synchron geöffnet werden mussten. Sollte dies nicht gelingen, war im Schloss ein Mechanismus verbaut, der die Dietriche umgehend unbrauchbar machen würde. Daraufhin entspannen sich zahlreiche Gedankenexperimente zwischen Akela und Minea, wie man seine Fähigkeiten des Schlösser Öffnens temporär verbessern konnte und nachdem man auf dem schmalen Sims Ringe getauscht, Tränke getrunken und Kräuter eingenommen hatte, wagten sie sich an die vor ihnen liegende Aufgabe.

Sekunden später schwang die Tür auf. Rasch kraxelten sie hindurch und blickten sich im dahinterliegenden Raum um. Hinter ihnen fiel die Tür ins Schloss. Sie befanden sich in einem achteckigen Raum mit niedriger Decke. An den Wänden hingen lange Tafeln aus dunklem Stein, die mit zahlreichen Flachreliefs verziert waren. Schlangenleiber und Medusenhäupter waren darauf abgebildet. Je länger die Gefährten auf die Reliefs starrten, desto eher sah es so aus, als würden die Schlangenleiber sich umeinander winden und bewegen. Illius riss sich als erster los und wandte seine Aufmerksamkeit dem Podest in der Mitte des Raums zu. Es war etwa einen Meter hoch und geformt wie der Leib einer enorm großen Schlange, deren aufgerissenes Maul das obere Ende bildete.

Minea untersuchte derweil die Wände des Raums nach Geheimtüren, denn auf den ersten Blick war kein weiterer Ausgang zu erkennen. Doch nur auf den ersten Blick. Auf den zweiten Blick hingegen erkannte die Waldläuferin mit einem Mal die hauchzarten, feinen Striche, die auf eine Geheimtür hinwiesen. Gerade als sie Illius und Akela von ihrer Entdeckung berichtete, fand ersterer heraus, dass die rubinroten Augen des Schlangenpodestes einen verborgenen Mechanismus enthielten und löste ihn aus. Die Welt versank in Bewegungslosigkeit.

Erstaunt musste Akela feststellen, dass der durch den Mechanismus ausgelöste Zauber Minea und Illius umgehend versteinert hatte, er jedoch offenbar widerstanden hatte. Zeitgleich sah er, wie sich die Geheimtür neben der versteinerten Waldläuferin öffnete. Eilig hastete er durch den Raum, als sich die Tür auch bereits wieder schloss. Dahinter konnte er einen weiteren Raum mit einem übermannshohen steinernen Ring erkennen, der eine Handbreit über dem Boden in der Luft schwebte. Einige Sekunden lang haderte er mit sich, doch wollte er seine Gefährten nicht zurücklassen.

Wie von Akela erhofft, wich der Bann der Versteinerung, nachdem sich die Geheimtür wieder geschlossen hatte. Kurz erklärte er seinen verdutzten Begleitern den Mechanismus und beim folgenden Versuch konzentrierten sie sich besonders darauf, dem Bann zu widerstehen. Vergeblich, denn ein jeder wurde versteinert. Beim dritten Mal gelang es einzig der Waldläuferin, zu widerstehen. Wie verabredet, hastete sie durch die Tür. Als Akela und Illius erwachten, war Minea verschwunden. Sofort drückte Illius den Mechanismus erneut. Als er sah, dass zwar er widerstanden hatte, sein treuer Begleiter jedoch nicht, überschüttete er ihn im Vorbeilaufen mit einem Entsteinerungstrank.

So stoben und schlitterten beide schließlich im letzten Augenblick unter der sich schließenden Tür hindurch in den nächsten Raum. Hier wartete Minea bereits auf sie. Doch nicht nur sie. Eine halbdurchscheinende Wesenheit waberte in der Luft zwischen ihr und dem schwebenden Kreis. Ein Geist! Rasch zählten die Gefährten eins und eins zusammen. Bei dem schwebenden Kreis musste es sich um ein magisches Portal handeln, das an einen anderen Ort führte. Der Geist war wohl der Wächter des Portals. Doch wohin mochte das Portal wohl führen? An den Ort der Seelen, dort wo die Vampirin Kapitän Elbergratz hin verschleppt hatte? Minea war bereit, es herauszufinden. Sie trat einen Schritt nach vorne und die Grabesstimme des Geists ertönte:
Mit „H“ eilt es.
Mit „R“ weilt es.
Mit „L“ beschwert es.
Mit „M“ ragt es.
Mit „G“ – „Danke“, sagt es.
 

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Fragend blickten die Gefährten sich an. Was konnte damit gemeint sein? Es war schließlich Minea, die triumphierend aufschrie. Sie hatte die Lösung gefunden. Es handelte sich nicht um ein Wort, es handelte sich um den Teil eines Wortes, das mit den jeweiligen Anfangsbuchstaben zutreffenden Sinn ergab. Es waren die Worte: Hast, Rast, Last, Mast und Gast.

Nachdem sie sie ausgesprochen hatte, fuhr mit einem Mal ein Donner durch den Raum und der Geist verschwand. Als sie wieder aufblickten, war im Kreis ein blau leuchtender magischer Wirbel entstanden. Sie hatten das Portal aktiviert. Wollten sie nun zurückgehen und auf die Rückkehr der Vampirin warten? Nein, sie waren soweit gekommen, da konnten sie wenigstens einen kurzen Blick auf die andere Seite des Dimensionstors werfen. Entschlossen gingen sie hindurch…

Und standen in der folgenden Sekunde in eine Art Ankleidezimmer. Regale und Schränke standen an den felsigen Wänden und auf der gegenüberliegenden Seite führten einige lange und flache Stufen hinauf, zu einer schief in den Stein gezimmerten Tür. Als sie sich umblickten, erkannten die Drei, dass sie aus einem kreisrunden, übermannshohen Spiegel hinausgetreten waren. Auf dieser Seite gab es keinerlei Anzeichen auf die Nutzung als Dimensionstor. Wo waren sie? Neugierig schlichen sie zur Tür.

Vorsichtig öffneten der Sharakine sie ein Stückchen. Mit dem was sie dahinter erblickten, hatte keiner der Drei gerechnet. Sie erblickten eine riesige natürliche Höhle, in deren Mitte ein hohes Lagerfeuer brannte. Träge zogen dessen schwarze Rauchschwaden durch ein großes Loch in der Höhlendecke ab, durch das die Recken den Sternenhimmel erblicken konnten. Am Feuer saß eine riesenhafte Gestalt mit den Rücken zu den Gefährten und scharrte mit seinen Füßen im Sand des Höhlenbodens. Ein Halbriese! Erst jetzt erblickten sie das Segelschiff.

Offenbar besaß die Höhle einen Zugang zum Meer und der tiefer gelegene hintere Teil war eine natürliche Anlegestelle. Sie verharrten einige Augenblicke, doch auf dem Schiff war keine Bewegung zu erkennen. Illius zählte zwei weitere Ausgänge aus der Höhle. In der Mitte zu ihrer Linken führte ein Durchgang hinaus. Doch wohin, das konnten sie nicht erkennen. Zu ihrer Rechten sahen sie eine massive Holztür. Doch befand sich diese in direkter Sichtlinie des Halbriesens. Akela, auf seine Fähigkeiten vertrauend, entschied sich, zur Tür zu schleichen, um herauszufinden, was sich dahinter verbarg. Geschickt die Schatten ausnutzend, schlich er durch die Dunkelheit und… so tumb der Riese im ersten Augenblick auch erschienen haben mag, er war aufmerksam. Sobald Akela seine Dietriche im Schloss angesetzt hatte, sprang er grollend auf, denn er hatte den Dieb bemerkt.

Mit Riesenschritten näherte er sich ihm, einen massigen Hammer in den Händen schwingend. In letzter Sekunde öffnete Akela die Tür und stürzte hindurch. Der Riese setzte nach und griff mit seiner Pranke in den Gang, doch Akela presste sich an dessen rückwärtige Tür und schoss dem Monster einige Bolzen in die Finger. Der war außer sich vor Wut und stampfte zum Feuer zurück, um glühende Äste daraus hervor zu ziehen. Minea und Illius sprinteten im Rücken des Riesen geradewegs zum Gang, in dem der Sharakine verschwunden war, als Akela plötzlich spürte, wie der Druck der Tür in seinem Rücken schwand. Während die anderen den Gang erreichten, die Tür zuwarfen und den Riesen damit aussperrten, blickte Akela sich um und unmittelbar in das fratzenhafte Gesicht eines Seelensammlers.

Murmelnd offerierte er Akela binnen Sekundenbruchteilen ein Leben in Reichtum und Macht, doch hatte der Sharakine nicht vor, dem Dämon dafür seine Seele zu überlassen und griff ihn an. Während der Riese hinter ihnen versuchte, mit wummernden Tritten die Tür aus den Angeln zu reißen, eilten Minea und Illius ihrem bedrängten Begleiter zu Hilfe. Nur, um feststellen zu müssen, dass hinter dem ersten Seelensammler noch ein zweiter auftauchte. Das Zimmer, aus dem die beiden strömten, sah aus wie eine Folterkammer. Minea erspähte kurz einen nackten Mann, der an ein Kreuz gebunden, wohl von den Seelensammlern vor ihrem Auftauchen gemartert worden war.

Doch die Seelensammler bedurften ihrer gesamten Aufmerksamkeit. Die riesigen Klauen der Dämonen schlugen grauenerregende Wunden und ihre magischen Fähigkeiten waren legendär. Und so begann der Kampf. Während der erste mit Akela und Minea rang, zwängte Akela sich zum zweiten durch, der Säurepfeile auf die Recken schleuderte. Mittels Tränken und Kräutern versetzten die Gefährten sich während des blutigen Gemetzels schließlich in die Lage, den Dämonen Herr zu werden. Am Ende vergingen die beiden Dämonen und lösten sich auf. Doch die von den Seelensammlern angerichteten Wunden waren beträchtlich.

Akela schnitt den gefolterten Mann von seinem Kreuz, während Illius und Minea ihre Wunden und die des Mannes verbanden und ihm zu guter Letzt noch einen Heiltrank einflößten. Der Mann fand schließlich seine Sprache wieder und stelle sich als Leondir Elbergratz vor. Minea/Desdemonea währte sich endlich am Ziel ihrer Reise. Sie spürte, wie eine tonnenschwere Last von ihr abfiel. Sie hatte ihn gefunden und er lebte noch! Da der Riese offenbar von seinem Vorhaben, die Tür einzurammen abgelassen hatte, ließen sie Leondir seine Geschichte erzählen. Und der offenbarte ihnen den Grund ihrer Reise.

Unsichtbar um seinen Hals trug er ein reichverziertes, magisches Amulett, dessen Innerstes ein magisches Auge zeigte. Es handelte sich um „Das Auge der Götter“. Ein Amulett, das seinem Träger einen göttlichen Bick in die Zukunft ermöglichte und damit eine überirdische Macht verlieh. Dieses Amulett war der Grund seiner Reise, denn des Königs Wunsch war es gewesen, beim Erzbischof von Elsinghorst Aufklärung über dessen Eigenschaften zu erhalten. Nun da er von diesen erfahren hatte, musste es unbemerkt zurück nach Abagail und zum König gebracht werden.

Die Vampirin hatte die Macht des Amuletts gespürt, hatte ihren Ursprung aber nicht genau verorten können. Deshalb hatte sie ihn hierher gebracht und ihn von den Seelensammlern foltern lassen. Doch hatte er sein Geheimnis bewahrt, bis die Helden aufgetaucht waren und ihn gerettet hatten. Jetzt, da die Gefährten Kapitän Elbergratz und das Amulett hatten, war es Zeit, den so unwirtlichen Ort zu verlassen. Sie hatten schließlich noch eine Verabredung mit der Vampirin. Sie entschieden, sich nun um den Halbriesen zu kümmern und schlichen zur Tür zurück. Hier bemerkten sie eine kleine Rauchfahne, die unter der Tür empor waberte.

Vorsichtig öffnete Illius die Tür. Rauch schlug ihm entgegen. Der Riese hatte das Lagerfeuer an die Tür verbracht und versuchte nun, die Gruppe auszuräuchern. Er selbst hatte sich hinter einem riesenhaften Tisch verbarrikadiert, den er aufrecht vor sich hingestellt hatte. Unmittelbar nachdem Illius hinausgeschaut hatte, flog bereits der erste Felsblock, traf den verdutzten Assassinen mittig auf die Brust und schleuderte ihn in den Gang hinein. Akela jedoch kam hinter der Tür hervor und jagte Bolzen gegen den Riesen.

So flogen für eine Weile Steinbrocken in Richtung Tür und Bolzen zurück. Schließlich glich der Kopf des Halbriesens einem Nadelkissen und aus unzähligen kleinen Wunden blutend, fiel er schließlich um und blieb tot liegen. Der Ort der Seelen befand sich in ihrer Hand. Rasch durchsuchte Minea die riesige Gürteltasche des Halbriesen. Kurz darauf hielt sie triumphierend einen Klumpen Gold in ihren Händen, dessen Wert die Drei irgendwo zwischen 1200 und 13.000 Silberstücken verorteten.

Vollkommen erschöpft ließen sie sich an den Resten des Lagerfeuers nieder. Stille legte sich über die Szenerie und jeder hing für eine Weile seinen Gedanken nach. Dann sprach Minea das Offensichtliche aus. Wenn es sich bei dem Höhlensystem wirklich um den Ort der Seelen handelte, dann war eine gewisse Wahrscheinlichkeit vorhanden, dass die Vampirin ihren Weg durch den Spiegel finden würde. Nach den Auseinandersetzungen der letzten Zeit entschieden die Gefährten und Leondir, auf weitere Überraschung feindseliger Art in den nächsten Stunden verzichten zu wollen. Leondir, der immer noch einen kläglichen Mangel an Kleidung aufwies, machte sich auf, den Spiegel im Ankleidezimmer zu zerstören, suchte sich einige passende Kleidungsstücke und kehrte dann zu den Gefährten zurück.

Von neuer Antriebskraft gepackt, erkundete man den letzten Durchgang. Wie sich herausstellte, führte er zu einer in den Fels gemeißelten Treppe, die ihrerseits auf ein Plateau führte. Hier funkelten die Sterne hell am Himmel und das beständige Rauschen der Brandung ließ sie ahnen, dass sie sich in unmittelbarer Nähe des Meeres befanden. Leondir, der Sternnavigation kundig, verortete nach einigen Augenblicken ihre Lage. Die magische Kraft des Dimensionstors hatte sie auf die andere Seite des Golfs von Ababda befördert. An die felsige Steilküste eines kargen und tristen Landstrichs.

Hier, in den unwirtlichen Silberhügeln, die die Gefährten am nächtlichen Horizont erkennen konnten, lagen die Edelmetall-Minen des Reichs. In einer dieser Minen mussten sich die versklavten Männer der Besatzung befinden. Gewiss hatte die Vampirin die Lage ihres Unterschlupfs nicht ohne Grund gewählt. Leondir war überzeugt, mitsamt seiner Besatzung das Segelschiff in der Höhle steuern zu können. Es musste einen Weg geben, die Männer zu befreien. Entschlossen verließen sie das Hochplateau und der Kapitän machte sich mit Minea auf, das Segelschiff in der Höhle einer näheren Begutachtung zu unterziehen. Akela fiel es währenddessen immer schwerer, seine vampirischen Bedürfnisse zu unterdrücken. Während seine Gefährten vor Erschöpfung fast umfielen, fühlte er eine unheilige Energie in sich wachsen, die er kaum noch bezwingen konnte. Heimlich und im Schatten versteckt, schlich er den beiden hinterher und belauschte ihr Gespräch.

So bekam er mit, dass Leondir den Dieben nicht über den Weg traute, sich aber auf Mineas Wort verließ, die sich für die beiden einsetzte. Auf dem Schiff angekommen, nahm der grauhaarige Kapitän es genau unter die Lupe. Es hinterließ einen sehr guten Zustand bei ihm. Das einzige, was fehlte, war eine Besatzung. Die Kajüte des Kapitäns war verschlossen und bevor die beiden einen Versuch wagten, sie zu öffnen, tauchte der Sharakine aus dem Schatten auf und bot seine Hilfe an. Das Schloss öffnete sich Sekunden später und auch der magische Stromriegel, der die Tür zusätzlich sicherte, wurde vom Fürst der Diebe entsichert. Die Kabine war prunkvoll eingerichtet, jedoch vollkommen leer.

In der folgenden Zeit schmiedeten sie ein Bündnis. Akela und Illius würden Leondir Elbergratz dabei helfen, seine versklavte Besatzung zu befreien und im Gegenzug dazu würde er sie nach Ababda und im Anschluss nach Meridot bringen. Mitsamt der Männer und Frauen, die Akela von Lucius Seleukis erhalten würde. Sie besiegelten den Pakt mit einem Handschlag und kehrten dann zum Feuer zurück, an dem Illius zurückgeblieben war. Nicht ganz untätig, hatte er doch den Rucksack des Riesen durchsucht und neben einigem Krimskrams auch einen Carlyxt magischen Rucksack zu Tage gefördert. Sie teilten Wachen ein und schliefen bis zur Morgendämmerung.
 

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Ein verwegener Plan (Tag 27)

Dann stiegen sie alle noch einmal nach oben auf das Plateau. Im Licht des frühen Morgen suchten sie die Hügel im Hinterland mit den Augen ab. Nach einigen Minuten fielen Leondir Staubwolken auf. Als er die anderen darauf hinwies, erkannten sie schließlich, was es mit dem Staub auf sich hatte. Eine Karawane, sicher schwer beladen mit kostbarem Edelmetall, verließ gerade eine Höhle. Offenbar handelte es sich um einen Stollen bzw. eine Silbermine. Hier wollte Leondir ansetzen. Sie beschlossen, in der Abenddämmerung aufzubrechen.

Im Schutze der Nacht waren ihre Aussichten weitaus größer, unbemerkt an die Mine heranzukommen, zumal Akela und Illius als Assassinen Geschöpfe der Nacht waren. So nutzten sie den Tag, um wieder zu Kräften zu kommen. Als die Abenddämmerung sich über das Land legte, verließen sie den Ort der Seelen. Sie wanderten im Licht der Sterne über die Dornbuschsavanne und benötigten drei Stunden, bis sie den Fuß des Hügels erreicht hatten.

Die Mine lag auf halbem Wege zum Gipfel an einem Hang. Ein Schotterweg führte in Serpentinen hinauf. Neben dem Eingang zur Mine erkannten sie zwei massige hölzerne Karren. Karren, wie sie zum Transport von Erzen gebraucht wurden. An einem Feuer in der Nähe erblickten die guten Augen der Diebe zwei Wachen. Es waren Goratktoren, jene kleinen und korpulenten Echsenwesen, die als Ingenieure, Bergbauer und Sklaventreiber auf dem Schwarzen Kontinent ebenso berühmt wie berüchtigt waren. Wie eine gut geölte Zwergen-Mechanik gingen die beiden die Sache an, schlichen sich von hinten an die ahnungslosen Wachen heran und meuchelten sie geräuschlos. Fast! Akela, der vom bloßen Hals des Mannes vor ihm abgelenkt war, hieb mit seiner Klinge daneben. Schnell stürzten sich alle auf die Wache, die der Übermacht nicht gewachsen war. In der darauffolgenden Stille verharrten sie regungslos, doch nichts regte sich. Sie versteckten die Leichen, nahmen ihnen ihre Schlüssel ab und lugten in den Stollen hinein.

Mit beständiger Neigung in den Stein geschlagen, verlief dieser leicht zur Seite geneigt immer tiefer in den Hügel und verschwand nach dreißig Metern hinter einer Biegung. In der linken Wand, etwa sechs Meter vom Eingang entfernt entdeckten die Gefährten eine Tür. Eine weitere befand sich in fünfzehn Metern Entfernung auf der rechten Seite. Vor dieser lag die Miniaturausgabe eine Wüstenechse. Offenbar schlief das Untier. Hinter der Tür verbargen sich wahrscheinlich die Sklavenquartiere. Ohne viele Worte zu verlieren, vergifteten sie ein Stück Fleisch mit einem Betäubungstrank, bevor Illius in den Stollen schlich und der Bestie das Stück Fleisch vor die Nase hielt. Aus einem Reflex heraus biss die Kreatur zu und schlang den Brocken mit einem Mal herunter.

Dann sprang es auf Illius zu, der Stück für Stück immer weiter zurückwich, auf den Ausgang zu. Nach einigen Sekunden tat der Trank dann doch seine Wirkung und das Biest schlief ein, ohne größere Geräusche verursacht zu haben. Währenddessen schlich Akela zur zweiten Tür. Dahinter lag das Quartier der Wachen. Ohne einen Laut zu verursachen, schloss Akela die Tür ab und brach den Dietrich im Schloss ab. Die anderen hatten zwischenzeitlich die Tür zu den Sklavenquartieren geöffnet. Jetzt ging es um alles! Sie mussten einfach Glück haben. Leondir machte das Zeichen des Holems und öffnete die Tür. Und wirklich, die Besatzung der Braut des Windes befand sich fast vollständig hinter der Tür.

In die Sklaverei verkauft, waren sie in langen Reihen in den Süden gelaufen und mussten nur hier als Sklaven schuften. Rasch übernahm Elbergratz das Kommando über seine Männer. Geordnet befreiten sie sich schnell von den Ketten und magischen Sklavenhalsbändern. Der Versuch, ohne Aufsehen den Ort des Geschehens wieder zu verlassen, schlug jedoch fehl. Während die befreiten Sklaven in kleinen Gruppen durch den Tunnel huschten, kamen unversehens zwei weitere Goraktoren aus der Mine. Sie hielten einen offenbar toten Sklaven zwischen sich.

Die folgende Auseinandersetzung entschieden die Recken zwar für sich, doch hatten sie die Wächter hinter der verschlossenen Tür aufgeweckt, die nun mit Nachdruck versuchten, ihr Quartier wieder zu verlassen. Hastig und unter Aufbietung all ihrer Kräfte machten die Gefährten sich zusammen mit Leondir Elergratz und den befreiten Sklaven auf den Weg, zurück zur Steilküste. Kurz nachdem die Geflohenen in der Nacht verschwunden waren, ertönte das Geräusch von brechendem und zersplitterten Holz. Die Wächter hatten die Tür geöffnet.


Flucht (Tag 28)

Rasch hatten die entflohenen Sklaven die Ebene erreicht und bald schon waren sie zwischen den teils übermannhohen Dornbüschen verwunden. Während Kapitän Elbergratz die Führung des Trupps übernahm, versuchten die Gefährten die Übersicht über die Nachzügler zu behalten. Als in ihrer Nähe einer der Männer über eine Wurzel stolperte und fiel, halfen sie ihm auf, hasteten weiter und übergaben ihn bald darauf einem anderen Besatzungsmitglied. Es durfte niemand zurückbleiben, der in der Lage war, das Schiff zu steuern.

Auf der Kuppe eines Hügels verschnauften sie für einen Augenblick und verschafften sich einen Überblick über die Gegend. Die Hälfte der Strecke hatten sie bereits hinter sich gebracht. Doch entdeckten sie hinter, dort, wo sie vor einigen Minuten noch gestanden hatten, die ersten Fackeln ihrer Verfolger. Aber es war nicht nur das. Von links näherte sich ebenfalls etwas durch die Büsche. Und dieses Etwa war wesentlich schneller als die Goratkoren.

Sie hasteten weiter, alle Männer waren bereits an ihnen vorbei. Hin und her zwischen den Dornbüschen hindurch, den anderen hinterher. Doch kurz darauf hatte ihr unbekannter Verfolger sie eingeholt. Lautlos wie ein Windhauch und schnell wie eine Götterkobra, stieß er aus den Büschen hervor, packte die Waldläuferin mit seinen enormen Hauern und riss sie aus ihrem Lauf. Hilflos wurde Minea über den Boden der Steppe geschleift. Gleichzeitig hieb die Bestie mit seinen überzähligen, klauenbewehrten Beinen auf sie ein. Eine Rastbestie! Sicher war das Tier durch die große Gruppe von Menschen angelockt worden, die des Nachts durch die Steppe lief. Endlich hielt es inne und ließ Minea fallen.

Die Waldläuferin hatte eine Sekunde, zu verschnaufen. Dann begann das Tier erneut, wie ein Wirbelwind auf sie einzuschlagen. Verzweifelt versuchte sie aufzustehen, doch die gelungenen Attacken des Tiers trieben sie immer wieder zurück auf den Boden. Hinter sich hörte sie in einiger Entfernung die beiden Diebe, die alle Vorsicht fahren ließen und ihr hinterher durch die Dunkelheit stürzten. Dann endlich waren sie heran und das Blatt des Kampfes wendet sich umgehend. Von mehreren Gegnern attackiert, ließ die Rastbestie kurze Zeit später von ihrem Opfer ab und verschwand in der Dunkelheit.

Wankend stand Minea auf und klopfte sich den Staub von der Kleidung. Keiner der Drei verspürte das Verlangen, dem Tier zu folgen, also nahmen sie ihren ursprünglichen Weg wieder auf. Zumindest glaubten sie es. Illius, der vorne lief, bemerkte ihren Fauxpas als erster. Denn nachdem er einen besonders großen Dornbusch umrundet hatte, taucht urplötzlich eine Abbruchkante vor ihm auf. Unfähig, seinen Lauf zu stoppen, stürzte er in die Schlucht, konnte sich jedoch nach einem Meter an ein paar aus der Wand ragenden Wurzeln festhalten. Während die beiden anderen dem Assassinen aus seiner misslichen Lage befreiten, bemerkte Minea, dass ihre Häscher - die Goraktoren - bereits aufgeholt hatten und in einiger Entfernung an ihnen vorbeiliefen. Die Echenwesen hatten sie in der Dunkelheit nicht gesehen.

Lautlos huschten die drei Gefährten parallel zu den Sklaventreibern und warfen einige Carlyxt Murmel der magischen Ablenkung in die Nacht. Und tatsächlich; sie hatten Erfolg. Einige der Verfolger ließen von der Spur der Seeleute ab und folgten den neuen Geräuschen. Die Gunst der Stunde nutzend, zogen die Drei ihr Tempo an, überholten unbemerkt die noch verbliebenen Häscher und erreichten den Aufstieg zum Hochplateau.

Die meisten anderen Seeleute und einige weitere befreite Sklaven waren bereits eingetroffen. Auf dem Weg sammelten sie einen Verletzten ein und kurz darauf stiegen alle zusammen in die gewaltige Höhle hinab. Mit letzter Kraft erreichten sie das Schiff. Leondir Elbergratz war in seinem Element. Mit harschen Worten und genauen Befehlen holte er das letzte aus seiner geschundenen Mannschaft heraus und bald schon stand das Schiff unter Segeln und trieb aus der Höhle hinaus. Im nächsten Moment erreichte es das offene Meer. Jubel brandete unter der Mannschaft auf.

Sie waren ihren Häschern entkommen. Auch die Gefährten spürten eine Welle der Erleichterung. Während das Schiff sich immer weiter von der Küste entfernte, besprachen sie sich mit Elbergratz auf dem Achterdeck. Der Kapitän wollte sie so schnell als möglich nach Ababda bringen. Mehr noch, als er von Minea erfuhr, dass sich sein Schiffjunge in der Stadt befand. Doch wegen der Gefahr durch die Piraten des Schwarzen Auges wollte er in einem kleinen Ort in der Nähe der Stadt anlanden und dort solange ausharren, bis die Gefährten mit zusätzlichen Männern wieder zurück waren. Leondir veranschlagte drei Tage für die Reise durch den Golf von Ababda und er betete zu den Göttern, dass ihnen keine Piratenschiffe auflauern mochten. Akela zog sich in die Kabine des Kapitäns zurück, denn das Sonnenlicht reizte in zusehends. Dort angekommen, verkroch er sich in der größten Kiste und schloss den Deckel.

Die beiden anderen verbrachten den Nachmittag an Deck. Als der Abend dämmerte, beschloss Illius bei der Besatzung zu schlafen. Elbergratz stellte Minea seine Kabine zur Verfügung und tat es Illius gleich. Als die junge Frau jedoch bemerkte, wer sich in ihrer Kajüte einquartiert hatte, verschloss sie die Kiste mit einem Vorhängeschloss. Sicher blieb sicher. Dann bettete sie sich zur Ruhe.
 

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Tödliche Überraschung (Tag 29)

Akela, der am Morgen vor der Waldläuferin erwachte, musste feststellen, dass irgendjemand seine Schlafkiste in der Nacht verschlossen hatte. Nachdem er Minea gebührend darauf aufmerksam gemacht hatte, ließ sie ihn schließlich hinaus. Den Tag verbrachte man mit Müßiggang. Eine willkommene Abwechslung zu den Erlebnissen der letzten Zeit.

Am Nachmittag erscholl der Ruf „Land in Sicht“ aus dem Krähennest hoch oben über ihnen. Bald darauf sahen auch die übrigen Besatzungsmitglieder die Insel, die sich aus der See zu ihrer Linken erhob. Stück für Stück schälten sich mehr Umrisse aus dem Dunst. Die Gefährten erkannten eine Steilküste, dichte grüne Vegetation und bewaldete Berghänge im Inneren der Insel. Hier, erklärte Elbergratz, würden die Überreste eines alten, lange verschollenen Volkes unter den Blättern der hohen Bäume vermodern. Niemand wusste etwas über dieses Volk, doch die Insel soll verflucht sein und die Seefahrer mieden diese Gewässer. Bei jedem Wort des Kapitäns leuchteten die Augen des Assassinen auf und im Geiste machte sich Illius einen Vermerk, eines Tages hierhin zurück zu segeln.

Abends dann kehrte man in der Kabine der Waldläuferin ein. Am Nachmittag des nächsten Tages würden sie an Land gehen und bald darauf Ababda erreicht haben. Einerseits fieberten die Gefährten der Begegnung mit der Vampirin entgegen, allen voran Akela, der die Folgen des Vampirbisses immer stärker zu spüren begann. Andererseits, was würde geschehen, wenn der Vampir zu stark für sie war?

Kurz bevor sie für die Nacht auseinandergehen wollten, schlich sich mit einem Mal eine leise Stimme in Akelas Geist. Die Worte griffen nach ihm, zerrten und schoben in aus der Kabine und an Deck. Willenlos ließ er sich treiben. Seine Begleiter blieben an seiner Seite. Die Hände an den Waffen, ein Auge auf die Umgebung gerichtet und das andere auf den Sharakinen. Das Deck lag verlassen unter dem Sternenhimmel vor ihnen. Auf dem Achterdeck, am Steuerrad war niemand zu sehen. Illius, der mit der Seefahrt vertraut war, sprang in einigen Sätzen hinauf und beendete den Schlingerkurs des Schiffs.

Akela folgte ihm. In diesem Augenblick stürzte ein Körper vom Mast auf das Zwischendeck herab. Mit einem klauten Klatschen kam er unten auf. Es war der Steuermann! Dann geschah alles sehr schnell. Ein dunkler Nebel wogte von achtern auf das Schiff zu, überwand die Reling und verdichtete sich zur Gestalt einer Frau. Die Vampirin! Mit einer Handbewegung zwang sie den Sharakinen in die Bewegungslosigkeit, warf einen Lakir über die Brüstung vor die Waldläuferin und attackierte den verdutzten Assassinen mit einer weiteren Klinge.

„Jetzt wird geerntet, was ich gesät habe. Ihr seid nur im Weg und müsst verschwinden“, schleuderte sie Illius entgegen und entblößte ihre spitzen Eckzähne. Das Krummschwert vor Minea verharrte für einen Moment frei in der Luft schwebend. Dann griff es an. Verdutzt parierte die Waldläuferin die Klinge ein ums andere Mal, um dann in den Gegenangriff überzugehen. Gegen eine magische Klinge!

Der Kampf entbrannte und es sah bereits nach kurzer Zeit so aus, als würde die Vampirin als Sieger aus dem Kampf hervorgehen. Immer wieder überwand sie mit ihrer verwunschenen Klinge die Deckung Illius und versetzte ihm heftige Treffer, die zu allem Überfluss auch noch seine Rüstung beschädigten. Akela nahm all seine Kräfte zusammen und versuchte, dem Bann der Vampirin zu widerstehen. Doch es war, als würde er ein ums andere Mal gegen eine Steinmauer anstürmen. Hilflos musste er mit ansehen, wie Minea mit der magischen Klinge focht. Auch sie hatte bereits den ein oder anderen Hieb einstecken musste.

Illius spürte bereits das Steuerrad in seinem Rücken. Weiter zurückweichen konnte er nicht mehr. Hastig nahm er seinen letzten Heiltrank ein, als Akela endlich den Zauber brach und in den Kampf eingriff. In der nächsten Sekunde hagelten Bolzen gegen die Rüstung der Vampirin. Die meisten prallten mehr oder minder wirkungslos ab. Einer aber durchbohrte den Hals. Verwirrt presste die Vampirin ihre Hand an den Hals und zog den Bolzen wieder daraus hervor. Nicht ein Tropfen Blut war daran zu sehen. Dann verwandelte sich mit einem Mal ihr Gesicht in eine dämonenhafte Fratze und sie begann leise Worte in Alter Sprache zu murmeln.

Mit einem Mal begannen die beiden Waffen der Vampirin rötlich zu glimmen. Sie hatte einen unheiligen Blutzauber gewirkt. Jeder Treffer ihrer Waffen würde die von ihrem Gegner geraubte Lebensenergie, ihr zukommen lassen und sie stärker machen. Doch die Recken wehrten sich nach Leibeskräften und suchten geistige und körperliche Stärkung in diversen magischen Tränken. So fochten sie weiter in der Nacht auf dem schaukelnden Deck des Segelschiffs. Als Akela sah, wie sein Freund immer mehr Treffer der Unoten einstecken musste, entschied er gegen jede Logik, ihn im Nahkampf zu unterstützen. Er spürte den Geist der Vampirin, der mit Macht versuchte, in seinen Kopf einzudringen, doch sperrte er sich mit aller Kraft dagegen und hieb mit seinem Nunchaku auf die weißhaarige Frau ein.

Überrascht wandte sie sich ihrem neuen, unverhofften Gegner zu. Illius nutzte die Gelegenheit und kam wieder zu Atem. Dann attackierte er erneut. Als die Vampirin erkannte, dass sie ihre Gegner stärker als erwartet und ihr Opfer noch nicht bereit war, war es zu spät. Der entscheidende Hieb kam von Illius und schlitzte den Hals der Untoten von einem Ohr zum anderen auf. Mit einem Trommelfell zerfetzendem Kreischen explodierte sie in der nächsten Sekunde und verging zu Asche, die vom Wind verweht wurde. Die magische, frei in der Luft schwebende Klinge fiel plötzlich auf den Boden zu Füßen Mineas. Ein Moment der Stille folgte.

Dann endlich sprang die Tür zu den Kajüten auf und Leondir Elbergratz und die Mannschaft stürmten an Deck. Fragend blickten die Männer sich um, doch die Gefährten beachteten sie nicht. Die Vampirin war vernichtet und der Bann war von Akela gewichen. Grenzenlose Erleichterung überkam den Fürst der Diebe und er dankte seinen Göttern Tiegra und Vena. Im darauffolgenden Durcheinander beugte Minea sich vor und hob das Schwert auf, gegen das sie kurz zuvor noch gefochten hatte. Das hätte sie besser nicht getan.

Der Geist der schwarzmagischen Klinge nahm Besitz von ihr und binnen eines Wimpernschlags hieb die Waldläuferin willenlos auf den verdutzten Elbergratz ein. In letzter Sekunde sprang Illius dazwischen und hielt die Waldläuferin auf Abstand. Minea schrie und wollte die Klinge loswerden, doch die hatte andere Pläne. Ein ums andere Mal fuhr sie auf den Assassinen nieder, während der Rest der Mannschaft um das kämpfende Paar herumstand und verzweifelt nach Möglichkeiten suchte, die Waldläuferin zu entwaffnen, ohne sie zu verletzten. Schließlich warf Akela eine Steineichel, auf das sie umgehend versteinerte. Viel Zeit hatten sie nicht. Die Wirkung der magischen Wurfwaffe würde bald verfliegen.

Schnell knoteten sie ein Seil um das ebenfalls versteinerte Schwert und warteten. Als die Magie nachließ, zerrten die stärksten Männer der Mannschaft am Seil. So sehr das Schwert sich auch dagegen wehrte, es wurde der Waldläuferin aus den Händen gerissen. Entschlossen kickte Illius es im Anschluss über Bord. Jetzt wurde es auch den anderen beiden bewusst. Sie hatten die Vampirin getötet. Die Frau, die die letzte Woche ihres Lebens bestimmt hatte und die ihnen Fallen, Gegner und bösartige Überraschungen beschert hatte, auf die sie nur zu gerne verzichtet hätten. Heute Nacht waren sie ihrem Ziel ein ganzes Stück nähergekommen.



„Land in Sicht“ (Tag 30)

Es war das erste Mal seit langer Zeit, dass die Gefährten am folgenden Morgen ihre Betten ausgeschlafen und gut gelaunt verließen. Der Sharakine war der erste, der auf den Beinen war. Bereits kurz nach Sonnenaufgang war er an Deck gestiegen und badete in den ersten Sonnenstrahlen. Auch die Stimmung der anderen hatte sich merklich aufgehellt. Am späten Mittag ertönte der Ruf aus dem Krähennest „Land gesichtet!“ und bald schon erkannten auch die anderen an Bord die sich nähernde Küstenlinie.

Die folgende Zeit verbrachte man damit, die Küste nach Anzeichen einer Besiedlung abzusuchen. Nach kurzer Zeit fand Minea, die mit einem Fernrohr suchte, einige Gebäude in Ufernähe. Sie sahen einige tanzende schwarze Punkte auf dem Meer vor dem vermeintlichen Dorf; Fischerboote. Elbergratz ließ das Schiff näher an die Küste heransegeln. Dann stiegen die Gefährten in ein Beiboot, das sie an Land bringen sollte. Sie verabredeten, dass Mina in zwei Tagen den Schiffsjungen aus Ababda mit neuen Instruktionen hier her schicken sollte.

Man verabschiedete sich und bald darauf war das Beiboot von Fischerbooten umringt, die es auf seinem Weg zur Küste begleiteten. Als sie anlandeten, standen bereits einige Dorfbewohner am Strand, die sie freundlich begrüßten. Die Männer des Dorfes stellten sich als sehr hilfsbereit heraus und als sie die guten Geschäfte witterten, die sie mit den Reisenden abschließen konnten, lud man sie zu einem gemeinsamen Abendessen ein. In diesem erfuhr Akela, dass der Großteil der Dorfbewohner vom Fischfang und dem Pöckeln von Fischen lebte.

Die gesalzenen Fische wurden nach Ababda gebracht und dort verkauft. Akela, der sich um die Verproviantierung der angepeilten sechzig Männer, Frauen und Kinder auf ihrem Weg nach Ababda kümmern wollte, schloss einen Handel über einige Fässer des salzigen Fischs und andere Dinge ab. Darüber hinaus mieteten die Drei sich zwei Kamele und einen Führer, wollten sie doch am nächsten Tag wieder nach Ababda aufbrechen. So ging der Abend zu Ende und man brachte die willkommenen Fremden in verschiedenen Häusern unter.
 

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Rückkehr nach Ababda/ Neue Ziele (Tag 31)

Früh am nächsten Morgen brach man auf. Der Führer war ein vielleicht vierzehnjähriger Junge, der sich als Fahrud vorstellte und der einen Heidenrespekt vor der blassen Halbelfin mitbrachte. Ein Umstand, den Illius sich zunutze machte und den armen Jungen fast vor Angst erstarren ließ, indem er ihm bitterböse Geschichten über Minea erzählte.

Der Weg an der Küste entlang und durch die Palmenhaine war lauschig und angenehm. Kurz vor der Mittagszeit, auf halber Strecke nach Ababda trafen sie einen Reisenden. Frohen Mutes ritt der ältere Mann den Gefährten entgegen und erklärte ihnen, dass heute sein Glückstag wäre. Wenn sie ihm 100 Silberstücke geben würden, würde er auch einen Glückstag für sie daraus machen. Akela, dem das Gebaren des Menschen merkwürdig vorkam, nutzte die Gelegenheit, und gab dem Mann unter anderem den mit Kontaktgift versetzten Meridollar.

Als der im Anschluss ansetzte, den Dreien etwas zu erzählen, begann das lähmende Gift seine Wirkung und er fiel aus dem Sattel. Es schloss sich ein Disput unter den Gefährten an, denn Minea und Illius wollten den Reisenden nicht die Kehle durchschneiden und all sein Geld nehmen. So fügte Akela sich schließlich missmutig, stahl dem Mann nur seinen Geldbeutel – der sich kurze Zeit später als magisch und mit zahlreichen Zähnen bewehrt herausstellte – und sie ritten weiter.

Einige Zeit später erreichten sie eine Brücke, die einen breiten Bewässerungskanal überspannte und von ein paar Wächtern bewacht wurde. Es handelte sich um Soldaten der Rastumen, erkennbar an ihren lila Umhängen. Recht rüde wies der Hauptmann der Truppe die Gefährten zurück, als diese Anstalten machten, die Brücke zu überqueren. Aufgrund aktueller Ereignisse in der Stadt kam niemand hindurch. Zumindest so viel konnten sie den Kommentaren der Soldaten entnehmen. Sie ritten den Weg ein Stück zurück und schickten den Jungen zurück ins Dorf.

Dann suchten sie eine Möglichkeit, abseits des Weges die Stadt zu erreichen. Sie fanden einen Weg, überquerten dafür den Bewässerungskanal im bewaldeten Hinterland mittels eines Seils und erreichten zwei Stunden später das Tor zu Stadt. Wie die Brückenwächter bereits angekündigt hatten, waren viele Soldaten zu sehen, die sowohl diejenigen kontrollierten, die hereingingen, als auch diejenigen, die die Stadt verließen. Auch hielt sich das Aufkommen an den Stadttoren in Grenzen.

Viele Menschen waren wohl ebenso wie die Recken an einer Straße aufgehalten oder abgewiesen worden. Während Akela und Illius sich im Schatten eines Karrens versteckten und auf diese Weise unbemerkt die Stadt betraten, trank Minea einen Unsichtbarkeitstrank und folgte den beiden unbehelligt. Als sie im Anschluss jedoch zwei Männern dabei zusahen, wie diese Fahndungsplakate an einigen Häuserwänden anbrachten, verdüsterte sich ihre Stimmung wieder. Natürlich; es handelte sich um Plakate, die ihr Konterfei zeigten. Zumindest die von Akela und Minea. Von Illius wurde zumindest gesprochen. Gesucht wurden beide wegen des Mordes an der Beraterin des Sultans von Meridot – der Vampirin.

Doch woher wusste der Sultan von der Tat? Hatten sie der Untoten nicht auf hoher See und ohne Zeugen den Gar aus gemacht? Doch bald schon zählten die Gefährten zwei und zwei zusammen. Es existierte eine beständige Verbindung zwischen der Ober-Vampirin und ihren Dienern. Diese mussten gefühlt haben, was vorgefallen war. Akela hatte ihr Ende schließlich auch gespürt. Durch die Ereignisse der letzten Tage wussten die übrigen Vampire wahrscheinlich auch, wer dafür verantwortlich war. Es half alles nichts. Sie mussten ungesehen in ihr Stadthaus zurückkehren. Dankbar nahmen sie Illius Vorschlag auf, den Weg durch die Kanalisation zu nehmen. Schließlich war ihr Haus mit einem geheimen Zugang ausgestattet. Minuten darauf waren sie ungesehen in der Kanalisation verschwunden.

Als sie einige Zeit später zu Hause angekommen waren und vorsichtig die Treppe zum Innenhof empor schlichen, entdeckten sie den in schwarzes Leder gekleideten Sklavenhändler, der ihnen als Agent Lucius Seleukis im Gedächtnis geblieben war. Er saß mit übereinandergeschlagenen Beinen auf einem Stuhl im Schatten, rauchte versonnen ein Pfeifchen und hatte die Gefährten noch nicht entdeckt. Da der Mann zu Lucius gehörte, entschieden sie, sich ihm zu erkennen zu geben. Detrok, so stellte er sich nunmehr vor, war von Lucius geschickt, um Ausschau nach ihnen zu halten. Rasch setzte er sie über die Geschehnisse der vergangenen Tage in Kenntnis. Offenbar, und das hatten die Recken bereits selbst bemerkt, befand sich die Stadt nach dem Tod der Beraterin des Sultans in Aufruhr.

Die Familien wussten nicht, was es damit auf sich hatte und in welchem Auftrag der Mord erfolgt war. Und das beunruhigte viele Menschen sehr. Mit kurzen Worten teilte Detrok ihnen mit, dass die Pläne sich geändert hätten. Neue Informationen würden jedoch bald folgen. So lange sollten sie sich bedeckt halten. Mit diesen Worten verließ er das Riad und Minea, Akela und Illius konnten sich des Gefühls nicht erwehren, wie Ratten in der Falle zu sitzen. Kurz nachdem Detrok gegangen war, hörte Minea ein charakteristisches Geräusch an der Hintertür des Hauses. Als sie zu dritt und mit gezückten Waffen nachschauten, fanden sie einen Brief, der unter der Tür hindurch geschoben war. Zurückgekehrt in den Innenhof öffneten sie ihn mit spitzen Fingern und behandschuhten Händen. Man wusste ja nie! Doch der Brief war nicht vergiftet. Es war vielmehr eine Reihe aus Zetteln, die offenbar zusammen ein Ganzes ergaben. So setzten sie sich an den Tisch und puzzelten die geheime Botschaft zusammen. Am Ende kam folgender Text heraus:


Wir werden uns heute Abend zur XXI Stunde des Tages zu einem persönlichen Gespräch treffen müssen. Die Lage hat sich seit unserem letzten Gespräch maßgeblich verändert. Nicht nur hier, auch in Meridot. Trefft mich in der zweiten Etage des alten Hauses in der Straße der Schreie. Tragt Sorge dafür, dass euch niemand sieht und lasst nichts zurück. Tötet die Sklaven..

L.

Tötet die Sklaven! Nein, das wollte Minea sicher nicht. Sogleich suchte sie Möglichkeiten, das Leben ihrer beiden Diener zu retten, doch weder Illius noch der Sharakine beteiligten sich sonderlich bei der Suche nach einem Ausweg. Sie kamen überein, ihre Sachen zu packen und zur zwanzigsten Stunde des Tages das Haus zu verlassen. Jokesch, der Schiffsjunge der „Braut des Windes“, den sie vom Schiff des Gurgelnden Jonas gerettet hatten, sollte mit ihnen gehen. Zwar wollten sie ihn nicht mit zum Treffen in der Straße der Schreie nehmen, doch ihn im Haus zurückzulassen war auch keine Option. Kurz vor ihrer Abreise zog sich Minea in ihr Zimmer zurück.

Währenddessen beschlossen Akela und Illius, der Aufforderung Lucius zu folgen und die potentiellen Zeugen zu beseitigen. Da sie ihrer Arbeit jedoch äußerst stümperhaft nachgingen, hallten kurz darauf Wehklage und Schmerzensschreie über den Hof. Nach endlosen Sekunden hatten die beiden Schurken endlich ihr mörderisches Werk vollbracht und die wehrlosen Sklaven ermordet. Kurz darauf verließen sie zu viert das liebgewonnene Stadthaus zum letzen Mal.

Draußen war es bereits dunkel. Möglichst unauffällig ging es durch die belebten Straßen der Stadt, bis sie den „Grillenden Eber“, eine kleine Taverne in einer Seitenstraße, erreichten. Kurzentschlossen gab Minea, Jokesch einige Münzen und trug ihm auf, dort bis zu ihrer Rückkehr zu warten.

Danach begaben sie sich ohne weitere Umwege zum Ort des Treffens. Die gesuchte Straße befand sich direkt an der Stadtmauer. Ihr Name leitete sich wahrscheinlich von den zahlreichen verurteilten Sklaven ab, die dort in Ketten geschlagen, den Unbillen der Natur und der Bösartigkeit der Anwohner schutzlos ausgeliefert waren.

Ohne diesen bemitleidenswerten Kreaturen einen zweiten Blick zu schenken, machten die Drei sich auf die Suche nach besagtem Haus. Dort angekommen, bemerkten sie allerdings unmittelbar zweierlei. Zum einen schlug ihnen sofort der urtümliche Geruch von verbranntem Haingais entgegen. Zum anderen standen drei Gestalten in der Nähe des Hauseingangs, die offenbar die bewusstseinserweiternde Droge zum Kauf anboten. Akela versteckte sich im Schatten, schlich leise zur Eingangstür und öffnete dessen Schloss binnen Sekunden.

Dann gab er den beiden anderen ein Zeichen und verschwand im Haus. Illius folgte ihm einen Augenblick später unbemerkt. Minea gelang es nicht, sich im Schatten zu verstecken. Als sie auch auf die Zurufe der Verkäufer an der Ecke nicht reagierte und weiter auf das Haus zuhielt, sahen diese sich zum Handeln veranlasst. Wer nichts kaufen wollte, hatte an ihrer Ecke nichts verloren. Doch als die drei Drogen-Verkäufer die Eingangstür des Hauses erreicht hatten, war die Waldläuferin spurlos verschwunden.

Im Inneren des Hauses hielten die Gefährten ihren Atem an und langsam nahm Akela die Hände vom kurz zuvor wieder verschlossenen Riegel. Dann schlichen sie nach oben, in die zweite Etage und hofften, dort Lucius Seleukis vorzufinden. Und das taten sie. Lucius und seine beiden Begleiter saßen in einem kleinen Raum, dessen Möbel unter Tüchern verborgen waren. Eine einzige Kerze brannte.

Mit einer Geste hieß der Sklavenhändler die Gefährten, sich zu setzen. Dann begann er zu reden. Die Neuigkeiten, die er mit sich brachte, verschlugen den Dieben und der Waldläuferin den Atem. Der Tod der Vampirin hatte noch weitaus höhere Wellen geschlagen, als sie vermutet hatten. Kurz nach der Vernichtung der Untoten war der Sultan von Meridot tot in seinem Schlafgemach aufgefunden worden und nun befand sich die Ordnung in der Hauptstadt in Auflösung. Der einzig legitime Nachfahre, sein Bruder, war der Sultan von Ababda. Und der hatte nach dem Tod seiner Beraterin ebenfalls alle Hände voll zu tun, die Ordnung in seiner Stadt aufrecht zu erhalten. Andere Adelsfamilien streckten nun in Meridot die Hand nach der Macht aus. Lucius Informationen zufolge sollte hinter all dem der Vampir aus Meridot stammen. Der Sklavenhändler hatte vor, die Gunst der Stunde zu nutzen. Vom Anschlag auf Hector, dem berühmten Sklaven, wollte er deshalb nichts mehr wissen. Viel mehr lag ihm daran, die beiden Diebe samt seiner Männer sobald als möglich in Meridot zu wissen.

Lucius und seine Familie hatte schließlich umfangreiche Interessen in der Hauptstadt des Reiches und Akela und Illius sollten dafür Sorge tragen, dass diese auch in Zukunft geschützt blieben. Natürlich sagte Akela seine volle Unterstützung zu. Um die Umsetzung von Lucius Plänen zu forcieren, übergab er dem Fürsten der Diebe einen kleinen Lederbeutel, dessen Inhalt aus 150 Sternmetall Münzen bestand. Die von Akela angeforderten Männer würden zur Mittagszeit am nächsten Tag bereit stehen und sich auf den Weg zum Küstendorf machen.

Dort würde das Schiff Elbergratz bereits auf sie warten. Denn es war verabredet, dass der Kapitän am Mittag des Tages nach Morgen wieder dort auftauchen würde. Lucius beendete das Treffen, indem er abermals einen Schrumpfungstrank einnahm und sich ungesehen in einer Kiste aus dem Haus tragen ließ. Kurze Zeit später folgten ihm die Gefährten.

Draußen hatten sich die Straßen mittlerweile geleert. Der Mond stand hoch am Himmel und tauchte die Stadt in ein milchiges Zwielicht. Flugs eilten sie zurück zur Taverne, in der sie Jokesch zurückgelassen hatten. Während die steckbrieflich Gesuchten draußen warteten, betrat Illius den „Grillenden Eber„ und blickte sich suchend um. Viele Gäste waren zu dieser Stunde nicht mehr anwesend. Bei keinem handelte es sich um den gesuchten Schiffsjungen.

Illius seufzte. Nicht auch das jetzt noch. Eine kurze, durch einige Münzen initiierte Zwiesprache mit dem Wirt förderte allerdings interessante Informationen zutage. Jokesch war wohl kurz nach seiner Ankunft von einer Gruppe jugendlicher Straßenkinder angesprochen worden, die häufiger in der Taverne verkehrten. Nach einiger Zeit hatte er dann mit ihnen zusammen die Taverne verlassen.

Der Wirt selbst wusste nicht, wohin die Gruppe gegangen war. Allerdings gab es einen weiteren Gast, der wohl mit einigen Mitgliedern der Bande bekannt war. Der musste, laut Aussage des Wirts, mehr wissen. Leider hatte der besagte Gast vor einigen Minuten die Taverne verlassen. Illius erinnerte sich an den Mann, der bei ihrer Ankunft offenbar gegen eine Mauer in der Nähe der Taverne uriniert hatte. Umgehend verließ er die Taverne. Akela und Minea hatten den Mann beobachtet und wussten, wohin er gegangen war. Ganz am Ende der langen Straße erkannten sie noch schemenhaft die Silhouette des ganz offensichtlich Betrunkenen. Schnell eilten sie ihm hinterher.

Doch bei den Göttern! Unerwartet stießen sie bei ihrer Verfolgung auf einen Trupp Stadtwachen, der einige Dutzend Meter vor ihnen aus einer Seitenstraße marschierte. Rasch versteckten sie sich hinter einer Mauer. Der Mann am Ende der Straße war bereits fast ihrem Blickfeld entschwunden. Kurzerhand beschlossen Akela und Illius, sich an den Wachen vorbei zu schleichen und ihm weiter zu folgen. Minea sollte warten, bis die Soldaten verschwunden waren. Doch es kam alles ganz anders. Die Wachen waren keine tumben Tore und als die beiden Schurken den Trupp bereits fast passiert hatten, fielen einem der Soldaten die in den Schatten lungernden Gestalten auf. Da weder Akela noch Illius den Wunsch verspürten, den Rest ihres Lebens in den finsteren Kerkern unter dem Palast des Stadtfürsten zu verbringen, nahmen sie die Beine in die Hand. Die Stadtwachen folgten ihnen wie ein Mann.

Minea, die aus ihrem Versteck das Schauspiel beobachtet hatte, machte sich an die Verfolgung des Trunkenbolds. Als sie bereits glaubte, den Mann verloren zu haben, erblickte sie ihn plötzlich, wie er wankend vor dem Tor eines Mietshauses in der Nähe stand und im nächsten Moment darin verschwunden war.

Währenddessen jagten der Assassine und der Dieb durch die Straßen der Stadt und hatten bereits einen kleinen Vorsprung vor den Wachen herausgearbeitet. In einer Seitengasse pressten sie sich in eine Toreinfahrt. Akela öffnete das Schloss und beide huschten ungesehen hinein. Sekunden später hörten sie die Wachen draußen vorbeilaufen.

Minea ihrerseits ließ sich nicht lange bitten, kramte ihren Dietrich hervor, öffnete das Tor zum Innenhof der Mietskaserne und folgte dem Mann. Vor seiner Wohnungstür stellte sie ihn. Unbemerkt hatte sie sich in der Finsternis an ihn herangeschlichen und trat dann ins Licht der funzligen Öllampe, die der Betrunkene entzündet hatte. Als er sie bemerkte, ließ er vor Schreck seinen Wohnungsschlüssel fallen. Mit knappen Worten schilderte die „Waldläuferin“ dem Mann ihr Anliegen. Währenddessen ruhte eine Hand unübersehbar am Heft ihres Katanas, während die andere einige Münzen hielt. Rasch entschied sich der Mann für die Hand mit den Münzen. Er erzählte ihr, dass sich die Jungen wahrscheinlich in der Schreinerei des alten Nabil aufhalten würden. Der Schreiner war mittlerweile fast blind und taub und einer der Jungen war ein entfernter Verwandter von ihm. So hatten sie die Schreinerei zu ihrem Hauptquartier erkoren.

Nachdem Minea die gewünschten Informationen erhalten hatte, verschwand sie übergangslos wieder im Schatten und ließ den Mann mit einer Handvoll Silber zurück. Auf der Straße traf sie die beiden Schurken wieder, denen es gelungen war, die Stadtwachen abzuschütteln. Zusammen machten sie sich auf den Weg zur Schreinerei. Da keiner der drei übermäßige Sympathien für die potentiellen Entführer Jockeschs hegte, packten sie Begriffe wie Nachsicht und Freundlichkeit ganz nach unten in den Rucksack und Akela öffnete leise und ungesehen das Tor zum Innenhof.

Dort erkannten sie umgehend vier junge Männer, die in der Mitte des Innenhofs ein kleines Feuer aus Brettern entzündet hatten und um einen Tisch herumlungerten. Ein wenig abseits erblickten sie auch Jokesch, gefesselt auf einem Stuhl sitzend. Aus den Gesprächen der Vier entnahmen die Gefährten, dass die Jungen Jokesch als Sklaven verkaufen wollten. Weißhäutige Sklaven brachten auf dem Markt der Tränen gutes Geld und das wollten sich die Nachwuchs-Sklavenhändler nicht entgehen lassen.

An diesem Punkt sahen sich die Gefährten gezwungen, einzugreifen. Im Schutze der Nacht schlichen sich Akela und Illius an die angetrunkenen Jugendlichen heran. Dann tauchten sie wie Geister aus der Unterwelt hinter ihnen auf. Während Illius den Kuss des Todes perfektioniert hatte und seinem Kontrahenten den Dolch zielsicher tief in die Kehle stieß, verschätzte Akela sich um einige Zentimeter. Mit der Energie der Verzweiflung riss sich sein vermeintliches Opfer von ihm los, doch das Chaos war perfekt. Überrumpelt aber nicht gewillt, kampflos aufzugeben, griffen die verbleibenden Drei ihre Waffen und stellten sich zur Gegenwehr.

Das war der Moment, in dem Minea mit gezogenem Katana in das Geschehen eingriff. Nur Sekunden später lagen drei der vier verhinderten Sklavenhändler tot in ihrem Blut. Der vierte klammerte sich, aus diversen Wunden blutend, an sein Leben. Schnell befreite man den offensichtlich angetrunkenen Jokesch, der von alle dem nichts mitbekommen hatte, da er tief und fest schlief. Auch der alte Nabil, der Besitzer der Schreinerei, der sich in der Dachwohnung über der Schreinerei aufhalten sollte, schien über einen tiefen Schlaf zu verfügen. Besser hätten die Recken es nicht treffen können.

So beschlossen sie, den Rest der Nacht hier zu verbringen und am nächsten Morgen aufzubrechen. Akela nutzte die Gelegenheit und schlich sich ins Haus Nabils und verschloss alle Türen, damit sie in der Dunkelheit keine bösen Überraschungen erleben würden. Die Leichen zog man in eine Ecke und den blutenden Überlebenden fesselten sie. Dann stellten sie dem Jungen einige Frage, denn die Gefährten wollten die Stadt so schnell als möglich verlassen. Und wirklich, der Junge verfügte über Kontakte zur örtlichen Diebesgilde und wurde nicht müde, zu beteuern, diese für die Recken einzusetzen. Da die Drei jedoch nach kurzer Unterhaltung zum Schluss kamen, dass es zu gefährlich wäre, weitere Außenstehende einzuweihen, nahmen sie Abstand von der Idee, bei den Dieben der Stadt nachzufragen. So warfen sie den Verwundeten in den Keller und sperrten dessen Türen ab. Wenn er die Nacht überlebte, gut, wenn nicht, auch gut.
 

Master-Jeffrey

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Von Ababda ins Küstendorf (Tag 32)

Am nächsten Morgen weckten sie Jokesch, den sowohl ein schlechtes Gewissen als auch ein enormer Kater marterte. Gegen den Kater hatte Minea eine Blüte Trollenzahn dabei, die den Schiffsjungen umgehend ausnüchterte. Dann warfen sie lange Gewänder über, verließen die Schreinerei und tauchten in der Menge unter, die bereits zu dieser frühen Uhrzeit die Straßen erfüllte. Nur nicht auffallen lautete die Devise.

Nach einem kurzen Abstecher in die Kanalisation, stellte sich heraus, dass diese nicht über die Stadtmauern hinaus ausgebaut worden war und deshalb kein geeignetes Mittel zur ungesehenen Flucht aus der Stadt war. Da Lucius sie mit ungeheuerlichen Geldmitteln ausgestattet hatte, griffen sie auf magische Unterstützung zurück, um ihre Pläne zu verwirklichen. Illius, der einzige der Gruppe, der nicht steckbrieflich gesucht wurde, machte sich auf, im Händlerviertel ein Potpourri ausgewählter Tränke zu erwerben, während die beiden anderen im Schatten einer Gasse seiner Rückkehr harrten.

Zurück mit drei Schrumpfungstränken und einem Unsichtbarkeitstrank, eilte man dem Stadttor entgegen. Dort angekommen, nahmen Minea, Akela und Jokesch jeweils einen der Tränke ein und schrumpften umgehend auf ein Zehntel ihrer Größe. Flugs sammelte Illius seine Kumpane ein und bot ihnen Unterschlupf in seinem Carlyxtbeutel. Dann trank der Assassine den verbliebenen Unsichtbarkeitstrank und schlich sich Richtung Stadttor.

Hier waren die Kontrollen der Reisenden verschärft worden. Illius konnte beobachten, wie die Stadtwachen alles und jeden genauestens kontrollierten. Doch gewandt wie er war, schlich er an den Gruppen Wartender vorbei, bis zum Tor. Hier blockierte ein Händlerkarren die Spur. Einige Stadtwachen waren gerade dabei, im Wagen alles auf den Kopf zu stellen. Um nicht innezuhalten – die Wirkung des Tranks hielt schließlich nur fünf Minuten an – kroch der Assassine geradewegs unter der Kutsche durch.

Bei den wartenden Pferden angekommen, machte er sich dünne und kraxelte zwischen deren Beinen hindurch, bis er den Wagen passiert hatte. Sie hatten es geschafft. Schnell lief Illius weiter den Weg entlang, bis zu einem in den Straßengraben gestürzten Karren. Dahinter verbarg er sich und wurde unbemerkt wieder sichtbar. Im Anschluss schlug er den Weg zum Fischerdorf ein. Er hoffte, dass sich die Männer Lucius bereits auf den Weg gemacht hatten. Nach einer Stunde verging die Wirkung der Schrumpfungstränke und die Gefährten marschierten wieder zu viert über die Straße.

Zur Mittagszeit sahen sie eine Gruppe Männer, Frauen und Kinder, die ein Mittagslager errichtet hatten. Vielleicht gehörte die Gruppe bereits zur erhofften Unterstützung. Da Akela sich jedoch nicht in der Nähe der Stadt zu erkennen geben wollte, zogen sie es vor, alleine weiter zu reisen. Am Nachmittag erreichten sie die Brücke über den Kanal. Die Gardisten, die ihnen auf dem Hinweg den Weg verstellt hatten, waren immer noch anwesend. Mehr noch, sie hatten Verstärkung erhalten und ein Lager aufgebaut. Also entschlossen die Gefährten, wieder den Weg durch das Dickicht zu wählen.

Ebenso wie zuvor warfen sie einige hundert Meter später ein Seil um einen Ast auf der gegenüberliegenden Seite, um sich daran herüberzuziehen. Jokesch jedoch, der als zweiter den Übergang wagte, rutschte ab, fiel in den Kanal und wurde vom Wasser mitgerissen. Auf beiden Seiten des Flusses eilten die Gefährten dem Junge hinterher und warfen dem Ertrinkenden ihre Carlyxtseile zu. Eines griff der Schiffsjunge schließlich in höchster Not und konnte an Land gezogen werden. Leider auf die falsche Seite. Doch ungeachtet seines beinahe Ertrinkens, versuchte der in seiner Ehre als Schiffsjunge gekränkte Jokesch es erneut. Diesmal gelang es ihm. Ebenso wie Minea und Illius, die ihm folgten. Nun suchten sie ihren Weg durch das Dickicht, zurück zum Weg. Doch mit einem Mal war die Luft des Waldes erfüllt von einem süßen Duft der Verheißung, dem sich keiner entziehen konnte. Wie ein Mann änderte die Gruppe die Richtung und schlurfte auf eine kleine Lichtung zu.

Dort lauerte ein Schlangenkraut. Als die paralysierten Gefährten die Mitte der Lichtung erreicht hatten, schoss die widerwärtige Pflanze nach vorne und attackierte die wehrlose Minea. Die anderen, im Bann der Pflanze, schauten teilnahmslos zu. Tief in ihrem Innersten begannen die Vier, gegen den Bann zu revoltieren. Dann brach Akela ihn als erster und attackierte die Pflanze. Ein unwirklicher Kampf entbrannte. Da keiner der Gefährten sich der Wirkung der Pflanze dauerhaft entziehen konnte, griffen sie manches Mal in den Kampf ein, während sie ein anderes Mal teilnahmslos daneben standen, wenn einer ihrer Begleiter attackiert wurde. Am Ende, Jokesch und auch die anderen hatten zahlreiche Wunden davongetragen, konnten sie den Kampf jedoch für sich entscheiden. Die Pflanze lag in ihren Einzelteilen am Boden.

In einiger Entfernung legten sie eine Rast ein, verbanden ihre Wunden und heilten sich so gut es eben ging. Kurz darauf fanden sie auf den Weg zurück. Sie waren entschlossen, das Fischerdorf vor den Männern von Lucius zu erreichen. Gesagt, getan. Mit Unterstützung Ausdauer steigernder Kräuter liefen sie durch den Abend und in die Nacht hinein. Gegen Mitternacht hatten sie das Dorf erreicht. Einige junge Fischer saßen um ein Lagerfeuer am Strand herum und als die Vier sich zu erkennen gaben, wurden sie freundlich begrüßt. Nach kurzem Plausch baute Akela das Zelt des Fürsten in der Nähe des Strands auf und sie krabbelten alle müde von der Reise hinein. Kurze Zeit später waren sie alle eingeschlafen.



Abreiseorganisation (Tag 33)


Am nächsten Morgen erwachten sie früh. Als sie ihr Zelt verließen, war das Dorf bereits auf den Beinen. Einige Fischerboote tanzten als schwarze Punkte draußen auf den Wellen. Die Männer des Dorfes waren bereits dabei, den von Akela georderten Proviant auf dem kleinen Marktplatz des Dorfes zu deponieren, um ihn später aufs Schiff zu verladen. Etwa eine Stunde später erreichte die erste Gruppe das Dorf. Die Männer, die von Lucius zur Unterstützung der Gesichtslosen rund um Akela Zhor geschickt wurden, hatten ihre Frauen und Kinder dabei. Viele trugen Rucksäcke, Kisten und Körbe voller Hausrat bei sich. Sie sollten schließlich ihren Lebensmittelpunkt nach Meridot verlegen und die meisten besaßen die Gewissheit, Ababda in ihrem Leben nicht mehr wieder zu sehen.

Ein Mann, der an Größe die anderen um Haupteslänge überragte, stellte sich als Luristan vor. Er war der Anführer der Gruppe. Während er sich mit Akela über die Modalitäten der geplanten Reise unterhielt, ließen sich seine Begleiter im Schatten der Hausdächer nieder. Luristan brachte zudem besorgniserregende Neuigkeiten aus der Stadt mit. Offenbar hat sich der Piratenbund des Schwarzen Auges vom Sultan losgesagt. Alle Piratenschiffe hatten gestern Mittag den Hafen der Stadt verlassen. Damit stiegen die Chancen, während ihrer Überfahrt auf die Halunken zu treffen.

Minea suchte unterdessen das Meer nach dem Schiff von Elbergratz ab. Schließlich entdeckte sie die weißen Segel am Horizont. Illius, der mit der Seefahrt vertrauter war, schätzte die Ankunft auf die frühe Mittagszeit. Die Vorbereitungen gingen weiter. Dann war das Segelschiff heran und warf Anker in der kleinen Bucht. Elbergratz ließ sich mit einer kleinen Schaluppe an Land bringen und koordinierte das Beladen des Schiffs.

Minea, mit der er einen kurzen Plausch hielt, konnte sich nicht zurückhalten, und erzählte Leondir, wie sie Jokesch, seinen Schiffsjungen in Ababda verloren hatten. Elbergratz sagte zu, dem Jungen Manieren einzubläuen, sobald er zurück war. Minea hatte ihn nämlich in den nahegelegenen Wald geschickt, um Angeln zu bauen. Doch Elbergratz hatte auch selbst Neuigkeiten. Sein Proviantmeister hatte in den letzten Tagen das Schiff auf den Kopf gestellt und dabei sechs der gefährlichen Tongefäße gefunden, die als Drachenfeuer bekannt waren. Einmal entzündet, wurden diese Granaten auf feindliche Schiffe geschleudert. Wenn das Feuer sich einmal auf einem Schiff festgesetzt hatte, war es nicht mehr zu löschen. Doch äußerste Vorsicht war beim Umgang mit der gefährlichen Waffe geboten.

Der Proviant wurde zuerst verladen und bald sah man zahlreiche kleine Fischerboote auf den Wellen, die emsig die Fässer mit dem Proviant zum Schiff ruderten. Dann waren die Passagiere an der Reihe. Jeweils vier passten auf ein Boot, zusätzlich waren noch die beiden Ruderer an Bord. So ging es den gesamten Tag über, bis zum Nachmittag.

Akela hatte die Zeit genutzt und einen Zimmermann ausfindig gemacht, denn Elbergratz hatte ihn auf eine Idee gebracht. Das Drachenfeuer hatte eine Reichweite von zwanzig Metern, wenn sie die Gefäße warfen. Vielleicht ließe sich diese erweitern, wenn man mit einem Katapult oder ähnlichen nachhelfen würde. Die Zeit drängte zwar, doch sie hatten die Idee eines kleinen Katapultes in Form eines überdimensionierten Löffels aus einem elastischen Holz, den man an der Reling des Schiffs befestigen könnte. Der Zimmermann sagte zu, sein Bestes zu tun.

Als die letzten Boote mit Passagieren an Bord gingen, war auch der Zimmermann fertig und brachte mit seinem Gehilfen das Löffel-Katapult an Deck und befestigte es. Akela, der zuvor einige Steine mitgenommen hatte, brannte darauf, es auszuprobieren. Doch der erste Schuss gehörte dem Zimmermann. Der spannte und schoss. Der Stein flog weit hinaus aufs Meer und ging mit einem großen Platscher unter. Akela wollte es als nächstes ausprobieren. Er nahm das Seil, mit dem man den Löffel spannte und zog aus Leibeskräften. Wohl etwas zu fest, denn mit einem lauten Kracken barst der Löffel in zwei Teile und war kaputt.

Ein Mantel der bodenlosen Enttäuschung legte sich über die Laune des Fürsten der Diebe, doch er gab dem Mann trotz alledem hundertfünfzig Silberlinge für seinen Aufwand. Die letzten Vorbereitungen wurden getätigt, abschließende Rechnungen wurden bezahlt. Dann hielt Leondir Elbergratz, der gleichzeitig ein Kleriker des Nemirs, des Gottes der Meere war, einen kleinen Gottesdienst ab. Währenddessen kamen alle Passagiere an Deck. Er bat Nemir um eine ruhige Überfahrt. Am Ende wurden Weihegeschenke an den Gott über Bord geworfen. Kurz darauf wurden die Segel gesetzt und die Reise begann.
 
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