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Spielbericht Nicht gelistetes System Aufzeichnungen eines Abenteuers - Bündnis-Schmiede

Master-Jeffrey

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Rollenspielsystem: Master of the Sword [MOTS]: Eigenbau
Abenteuer: Einstieg ins Abenteuerleben
Setting: Klassische Fantasy

Hier einmal die Abenteueraufzeichnung eines One-Shots, das an einem einzigen Tag von nachmittags bist spät in die Nacht hinein von zwei Spielern und einem Meister gespielt wurde.
Beim Rollenspielsystem handelt es sich um ein klassisches Fantasy-Setting. Es nennt sich Master of the Sword und ist ein seit 25 Jahren gespielter und beständig erweiterter Eigenbau mit einer kleinen, aber umso festeren Spielergruppe. Ich bin überzeugt, das Setting läßt sich bei Bedarf auch auf andere Systeme übertragen.
Das Abenteuer war der Einstieg für neue Charaktere, die von zwei alte Hasen gespielt wurde. Dabei handelte es sich um:

Idris Gywin
Idris ist ein siebzehnjähriger junger Mann. Er lebt in Beag Beans, einem befestigten Wehrdorf seiner Sippe in den tiefen Wäldern Gwyndors. In einem harten Winter vor zwei Jahren verlor er seine Eltern und ist seitdem ein Waise, der von der Gemeinschaft abhängig ist. Der alte Veitz, ein Fährtensucher hat den jungen Idris deshalb unter seine Fittiche genommen und ihm die Eigenheiten des Spurenlesens und des Fallenstellens näher gebracht. Idris lebt zwar, wie die anderen jungen, alleinstehenden Männer der Sippe im Wehrdorf, ist jedoch noch nicht in den Kreis der Männer aufgenommen worden.

Menowin, der Barde
Menowin ist ein elfischer Barde aus dem Geschlecht der Liuthlin. Auch wenn es dieser Elfenschlag vorzieht, unter sich zu bleiben, ist der junge Barde ausgezogen, die Welt zu bereisen und Geschichten anderer Völker und Gegenden aufzuschreiben. So hat er das Königreich Abagail durchwandert, hat die Berge des Riesengebirges überquert und ist seit geraumer Zeit in den tiefen Wäldern der Drei Wilden Königreiche unterwegs. Der Elf lässt sich treiben von den Geschehnissen der Welt um ihn herum und ist immer auf der Suche nach neuen Gesichtern und Geschichten.
 

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Vorgeschichte
Die Wilden Königreiche, Uurudach, Lorne und Gwyndor sind nach den ersten Königen benannt, die in langen Kämpfen mit verfeindeten Clans ein geschlossenes Herrschaftssystem hervorbrachten. Hier, umschlossen von den hohen Bergen der Zwerge und eingebettet in die großen und alten Wälder leben die Menschen seit Anbeginn der Zeit in kleinen Sippen und Dörfern abgeschottet von einander. Ehre, Zugehörigkeit und teils jahrhundertealte Blutfehden zwischen den verschiedenen Familien bestimmen große Teile des Lebens. Vor allem die Krieger des Königreichs Gwyndor sind aufgrund ihres martialischen Auftretens und ihrer blauen Körperfärbung bei ihren Feinden gefürchtet. Vor dem Kampf bemalen sich die Ruhten, so werden sie von ihren Feinden genannt, von Kopf bis Fuß mit blauer Farbe. Wie lautlose Geister eilen dann die Kämpfer durch den Wald und attackieren ihre Gegner mit Wurfspeeren, Beilen und Pfeilen, bevor sie sich wie eine personifizierte Flut auf diejenigen stürzen, die noch stehen können. Doch sind die gwyndorianischen Sippen auch untereinander verfeindet und Fehden können jederzeit ausbrechen. Hier siedelt die Sippe der Beag Bean an den Ufern des Tra Bruach. Verteilt auf einige Gehöfte im Wald und einem befestigten Hauptsiedlungsplatz hat man seinen Platz in der Welt gefunden. Doch die Sippe lebt, wie es in den Wilden Königreichen häufig der Fall ist, seit Generationen im Zwist mit den Pfahlbauern vom nahegelegenen Loc Nar. Nun, im Spätsommer überschlagen sich mit einem Mal die Ereignisse und ein junger Mann der Sippe erhält die Gelegenheit zum Helden zu werden. Mit der Unterstützung eines elfischen Barden…
 

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Reiseaufzeichnungen

Tag 1: Das Abenteuer beginnt.


Es war ein lauschiger Spätsommertag im Wald nahe des Dorfs Beag Beans. Idris, der junge Fallensteller des Dorfes war bereits seit Sonnenaufgang unterwegs. Am Morgen hatte er seine Fallen überprüft, die er am Vortag aufgestellt hatte und wirklich, ein Perlhuhn war in eine hineingeraten. Nun suchte er nach geeigneten Plätzen, weitere Fallen aufzustellen. Als er eine bewaldete Anhöhe hinaufstieg, nahm er mit einem Mal Bewegung hinter einem der Haingaissträucher wahr, die an dieser Stelle des Waldes wucherten. Vorsichtig näherte er sich dem Gebüsch mit gespanntem Bogen. Vielleicht konnte er ja seinen Speiseplan um einen weiteren Vogel ergänzen. Dann hörte er die Musik, die kaum hörbar durch die frische Luft des Waldes schwebte. Unvermittelt nahm er daraufhin den Bogen herunter und trat durch das Blätterwerk, in Erwartung, dahinter eine schöne elfische Bardin zu erblicken. In Teilen sollte er Recht behalten, doch war es keine Bardin, sondern ein männliches Exemplar der Gattung Elf. Als dieser den jungen Mann bemerkte, unterbrach er sein Lied und lud ihn ein, sich zu ihm zu setzen. Idris hatte in seinem Leben noch keinen Elfen gesehen, doch war er bekannt dafür, kein Blatt vor den Mund zu nehmen. So nahm er das Angebot des Mannes an und bombardierte ihn in der Folgezeit mit zahlreichen Fragen. Menowin, so hieß der elfische Barde, hatte kaum Zeit, sich vorzustellen. Nachdem alle Fragen, hauptsächlich zum Aussehen weiblicher Vertreter des Elfengeschlechts geklärt waren, lud der junge Fährtensucher Menowin ein, im Dorf zu übernachten. Sicher würden die Leute dort, die Geschichten des Elfen zu schätzen wissen. So machten die beiden sich in der einsetzenden Abenddämmerung auf, ins Dorf zurückzugehen.

Das befestigte Wehrdorf der Sippe, in dem auch Idris lebte, bestand aus einem großen, von hohen Palisaden geschützten Rund, in dem ein großer Stall, einige Quartiere, eine große Küche und die Versammlungshalle Platz fanden. Idris Vorfahren hatten es vor Generation erbaut, um es den in der Umgebung lebenden Menschen zu ermöglichen, sich im Gefahrfalle hierher zurückzuziehen. Als die beiden das Tor passierten, erkannte Idris sofort, dass etwa vorgefallen war.

Einige Dutzend Männer, Frauen und Kinder hatten sich vor der Halle der Alten versammelt. Deren massive Türen waren verschlossen und ein Krieger stand davor. Treidac, der alte Holzfäller erkannte Idris und klopfte ihm auf die Schulter. Grummelnd erklärte er ihm, dass Kelan ihn sehen wollte. Ein Schauder durchlief den Fährtensucher. Kelan war der Dorfälteste und Idris war gar nicht sicher gewesen, ob der alte Mann überhaupt wusste, wer er war. Er hatte nicht die geringste Ahnung, warum Kelan ihn sehen wollte.

Kurzerhand bat er den Elfen, in seinem Quartier zu warten und ließ sich Zugang in die Halle gewähren. Hier bestätigten sich die Gerüchte, die er draußen aufgeschnappt hatte. Sein erster Blick galt einem, mit einer Decke bedeckten Leichnam. Dann erst nahm er die anderen Männer wahr, die um den langen Tisch in der Mitte der Halle saßen. Am Kopfende erkannte der junge Mann Kelan. Bei den übrigen handelte es sich um die Mitglieder der kleinen Jagdgruppe, die vorgestern aus dem Dorf aufgebrochen waren, um in westlicher Richtung zu jagen. Allesamt erfahrene Männer, gekleidet in Pelze und dunkles Leder, mit vom Leben gezeichneten Gesichtszügen. Nun waren sie zurück und einer von ihnen war offenkundig tot. Kelan nickte Idris zu und wies auf einen Stuhl in seiner Nähe. Idris spürte, wie ein Kloß in seinem Hals wuchs, doch er schlich zum angewiesenen Platz.

Schweigend hörte er in den nächsten Minuten zu und erfuhr, was in den vergangenen beiden Tagen geschehen war. Die Jagdgruppe war, wie geplant, nach Westen gezogen, da man dort vor einigen Wochen eine Herde Königshirsche ausgemacht hatte. Dann jedoch waren die Männer in einen Hinterhalt geraten. Einige Fischer und Fallensteller der verhassten Sippe der Locnar, die auf dem gleichnamigen See siedelten, hatten ihnen in einem kleinen Tal aufgelauert. In der Folge entspann sich ein Wortgefecht zwischen den Gruppen, in der ein Wort das andere gab. Am Ende lag Hygard, mit einem Pfeil im Auge tot auf dem Boden und die Männer aus Beag Beans kehrten mit dem Leichnam zum Wehrdorf zurück. Offenbar hatten die Männer vom Loc Nar die Jagdgruppe beschuldigt, eine heilige Stätte entweiht zu haben. Jedenfalls waren sich alle Anwesenden sicher, den Vorkommnissen würde ein Krieg zwischen den Sippen folgen. Da der Anführer vom See aber wohl derzeit im Norden auf der Hochzeit seiner Tochter weilte, die er mit dem Prinz einer wohlhabenden Sippe vermählt hatte, waren sich alle einig, dass der Krieg nicht vor Ablauf zweier Wochen beginnen würde.

Atemlos hörte Idris zu, wie die erfahrenen Männer Aufgaben verteilten und sich und die Sippe für die Auseinandersetzung rüsteten. Ein jeder bekam seine Aufgabe, die er mit einem Nicken quittierte, dann aufstand und die Halle verließ. Am Ende waren nur noch Idris und der Dorfälteste übrig. Als der Junge spürte, wie sich die Blicke des Alten auf ihn senkten, begann sein Herz zu rasen. Was mochte seine Aufgabe sein?

„Wie du gehört hast, erhält ein jeder im Kriegsfalle die Aufgabe, die er am fähigsten ausfüllen kann. Du, kleiner Idris, bist kein Krieger und wirst aus diesem Grund auch nicht mit uns auf den Wällen stehen. Aber du hast andere Fähigkeiten. Und diese musst du nun unter Beweis stellen. Für dich und für das Wohlergehen der gesamten Sippe.“

Idris Mut sank bei den Worten Kelans immer weiter. Doch dann begann der Alte, seine Aufgabe zu beschreiben und Kelan hörte wissbegierig zu. Im Südwesten des Königreichs gab es ein kleines Dorf namens Tulach Der. Dort lebte neben anderen auch die Sippe von Seanagh Gerlot. Seanaghs Vorfahren stammten ursprünglich aus Beag Beans und aus diesem Grund verband ihn ein starkes Band mit der Sippe seiner Vorfahren. Es sollte an Idris sein, dem Krieger aus Tulach Der von den Geschehnissen der letzten Tage zu berichten und seine Hilfe einzufordern. Als der Dorfälteste sah, wie sich Idris Blick bei seinen Worten verdüsterte, zeigte er auf eine kleine Truhe, die neben ihnen auf dem Boden stand. Darin befanden sich wertvolle Pelze, Bernstein und ein wenig Gold. Damit, so fügte Kelan hinzu, würde Idris den Krieger schon überzeugen. Als der junge Mann nachfragte, wie er denn die Kiste nach Tulach Der bringen sollte, lächelte Kelan.

„Mit einem Kanu den Tra Bruach hinab. Es steht bereits draußen. Die Reise sollte sieben bis acht Tage dauern und ich erwarte, dass du morgen in der Frühe aufbrichst. Ich weiß, es ist das erste Mal, dass du soweit von zu Hause fort bist. Aber ich sehe großes Potential in dir. Du gehst als Junge und wirst als Mann wiederkommen.“

Mit diesen Worten verabschiedete Kelan den jungen Fährtensucher. Idris schwirrte der Kopf, als er wieder hinaustrat. Sofort wurde er von den Wartenden mit Fragen bestürmt. Halbherzig und mit den Gedanken weit weg beantwortete er sie und ging zu seinem Quartier. Dort wartete Menowin bereits auf ihn. Der Elf hatte es sich auf einer Bank vor dem Quartier gemütlich gemacht und beobachtete stoisch das Treiben um ihn herum. Als Idris bei ihm ankam, platzten die Geschehnisse förmlich aus ihm heraus. Der Elf hörte aufmerksam und schweigend zu, und ihm entging nicht, dass den jungen Mann Zweifel an seinen Fähigkeiten plagten. Als Idris schließlich geendet hatte, machte Menowin den Vorschlag, ihn auf seinem Weg nach Tulach Der zu begleiten. Freudig nahm Idris das Angebot des Barden an. Nachdem sie den vom Fährtensucher gefangenen Vogel gebraten und verspeist hatten, bot Idris dem Elfen eine Übernachtungsmöglichkeit in seinem Quartier an und beide betteten sich bald darauf zur Nachtruhe.
 

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Tag 2: Von Beag Bean nach Loc Nar

Am folgenden Tag erwachte Idris bereits früh am Morgen. Unmittelbar nach dem Aufwachen wurde er sich der Tragweite der Aufgabe bewusst, die der Dorfälteste ihm gestern aufgetragen hatte. Mit mulmigem Gefühl im Magen weckte er den Barden, der es sich auf dem Boden gemütlich gemacht hatte. Da Menowin bereits am gestrigen Abend seine Bereitschaft kundgetan hatte, mit ihm auf die herausfordernde Reise zu gehen, entschied der Elf, Idris zum Dorfältesten zu begleiten.

Sie fanden ihn in der großen Halle, als sie den halbdunklen kühlen Raum betraten. Kelan war beim Frühstück und blickte von seiner Schüssel mit Brei auf. Als er Idris und den Elfen erblickte, stahl sich ein zahnloses Lächeln in sein Gesicht. Nachdem der junge Fährtensucher Kelan erklärt hatte, dass der elfische Barde ihn begleiten würde, übergab Kelan ihm den Schlüssel zum Rüstraum. In der folgenden halben Stunde durchforsten die beiden die zahlreichen Regale, Truhen und Fässer des kleinen Raums nach brauchbaren Habseligkeiten, die ihnen auf der Reise gute Dienste leisten würden. Decken, Seile, Beil, Klapspaten, Fackeln und Essbestecke waren nur ein Teil dessen, was sie mitnahmen. Auch rüsteten sie sich mit Waffen und Lederrüstungen aus. Nur einen kleinen kupfernen Kessel ließen sie zurück …

Dann war es soweit. Zu zweit trugen sie die Kiste mit den Geschenken für Seanagh zum Fluss, wo das Kanu bereits auf sie wartete. Kelan begleitete sie. Sie beluden das Boot mit ihren Habseligkeiten. Dann verabschiedeten sie sich voneinander. Hoffentlich nicht zum letzten Mal, dachte Idris ein wenig wehmütig, als er einen langen Blick auf die vertraute Umgebung warf. Dann kletterten sie in ihr Kanu und paddelten los. Hinaus auf den ruhigen, träge dahin fließenden Tra Bruach und in die weite Welt. Als Idris sich fünf Minuten später noch einmal umschaute, war das Dorf hinter einer Flussbiegung verschwunden.

Das Wetter war schön. Die Sonne schien vom blauen Himmel auf die beiden Flussreisenden hinab, Libellen surrten über die Wasseroberfläche und der Fluss trug sie gluckernd und freundlich durch die bewaldete Landschaft. Doch das mulmige Gefühl in Idris Magengegend hielt an. Ihre erste Bewährungsprobe würden sie in der heutigen Nacht ablegen müssen. Der Fluss ergoss sich nämlich in den Loc Nar. Und auf diesem See lebten die verhassten Locnars in ihren Pfahlbauhäusern inmitten des Gewässers. Idris und Menowin mussten den See in der Nacht unbemerkt überqueren. Der junge Fährtensucher wollte sich nicht einmal vorstellen, was die Locnars mit ihnen anstellen würden, wenn sie die beiden zu fassen bekämen.

Nach gut zwei Stunden wurden Idris Grübeleien von einer Bewegung am Ufer unterbrochen. Dort erhoben sich Gestrüpp und Dornbüsche zu beiden Seiten, die an manchen Stellen niedergetrampelt waren. Offensichtlich von Tieren, die zum Trinken an den Fluss kamen. An solch einer Stelle geschah es. Idris hatte das Ufer nicht für einen Moment aus den Augen gelassen, als er sah, wie sich ein massiges braunes Tier aus dem Unterholz schob.

Es war ein riesiger Holembär! Der Fluss war an dieser Stelle nicht besonders tief und mit einem Satz wäre das Untier wohl bereits im Wasser gewesen. Doch der Bär zog es vor, wieder im Gebüsch zu verschwinden. Entschlossen nahm der Fährtensucher Pfeil und Bogen zur Hand. Menowin, der hinten saß, steuerte das Kanu auf die andere Seite des Flusses. Gespannte Augenblicke verstrichen. Doch der Bär ließ sich nicht blicken. Sie entschieden, so schnell als möglich den Ort des Geschehens zu verlassen und zogen die Paddel durchs Wasser, bis ihre Arme schmerzten. Das latente Gefühl, verfolgt zu werden, hielt jedoch die gesamte Zeit über an.

Unvermittelt stimmte der sonst recht schweigsame Barde nach einigen Stunden ein Lied an, dessen beflügelnde Wirkung sich bis in die Arme von Idris auswirkte. Sie kamen gut vorwärts und das Flussufer zog zügig an ihnen vorbei. Solange, bis sie eine Windung des Flusses passierten und auf dem anschließenden Stück die Dudruch-Schwäne entdeckten. Anderthalbmal so groß wie gewöhnliche Schwäne und von einem vollkommen schwarzen Gefieder bedeckt, schwammen sie inmitten des Flusses, als würde er ihnen gehören. Zu allem Überfluss hatten die Schwäne, es waren drei ausgewachsene Exemplare, Nachwuchs dabei. Nichts lag den Gefährten ferner, als eine Auseinandersetzung mit den Tieren zu beginnen. Auch wenn Idris entschlossen war, das Paddel zu seiner Verteidigung einzusetzen, wenn es hart auf hart kommen würde.

Sie entschieden, den Schwänen soweit wie möglich auszuweichen und die Familie schnell hinter sich zu lassen. Mit eingezogenem Kopf passierten sie die Schwäne. Idris Herz schlug bis zum Hals, während er beobachtete, wie die beiden Weibchen sich mit dem Nachwuchs auf die sichere Seite des Flusses zurückzogen. Doch der männliche Schwan betrachtete die Situation offenbar als adäquates Mittel, seine Macht zu demonstrieren. Mit einem durchdringenden Fauchen breitete er sein imposantes Gefieder aus und stieß im nächsten Augenblick mit seinem Schnabel zu. Knirschend riss er ein Stück aus der Reling des Kanus, und rüttelte dessen Insassen durch. Dann waren sie hindurch. Der Schwan fauchte ihnen zwar hinterher, doch setzte er nicht zur Verfolgung an. Grenzenlose Erleichterung durchströmte den jungen Waldläufer.

Als sie sicher waren, den Schwänen entkommen zu sein, suchten sie eine seichte Stelle am Ufer und landeten an. Wohlweißlich nicht auf der Seite, auf der sie den Bär erblickt hatten. Dann begutachteten sie das Kanu. Das Boot hatte durchaus Schaden genommen, war aber noch fahrbereit. Sie kamen auf den Loc Nar zu sprechen und erörterten im Schatten einiger Bäume die Möglichkeiten, ungesehen den See zu überqueren. Bald einigten sie sich darauf, in der Abenddämmerung noch einmal anzulanden, das Kanu zu reparieren und mit einigen Bäumen und Ästen als Treibgut zu tarnen. Nach Einbruch der Nacht wollten sie es wagen, den See zu befahren. So bestiegen sie das Boot und fuhren weiter. In der Folgezeit hatte der Fluss zahlreiche Windungen und hier und da lugte Treibgut aus dem Wasser, so dass sie beschäftigt blieben. Langsam gewöhnte sich Idris an die Art und Weise der Fortbewegung und der Fluss hatte durchaus schöne Seiten.

Doch auf das, was den Fährtensucher hinter der nächsten Biegung erwartete, war er nicht vorbereitet. An einem flachen Uferstreifen saß eine Gestalt. Es war ein alter Mann mit einem grauen Haarkranz und einem freundlichen Gesicht, gekleidet in einer einfach gearbeiteten, grauen Robe und einer Angel in der Hand. Augenscheinlich lehnte er an einem kleinen braunen Hügel und nickte den Flusswanderern freundlich zu. Unsicher lächelte Idris zurück. Bis der Hügel die Augen öffnete und die Gefährten erkannten, dass es sich um den Bär handelte, der sie zuvor verfolgt hatte. Der Angler musste ein Magier sein. Und wie zur Bestätigung begann er in diesem Augenblick damit, vor sich hin zu brummeln und komplizierte Gesten in die Luft zu zeichnen. Unfähig zu einer Reaktion trieben der Fährtensucher und der Barde am Magier und seinem Bären vorbei, bis mit einem winzigen Blitz eine kleine graue Wolke über dem Haupt des Jungen erschien, die umgehend anfing, sich auszuregnen.

„Cedric, mein Name. Ich mache Euer Wetter, wenn Ihr es möchtet“, rief der Mann den beiden noch lachend hinterher, dann waren sie auch bereits hinter den nächsten Biegung verschwunden.

Als der Nachmittag bereits in die Abenddämmerung überging, entschieden sie, abermals zu rasten und das Kanu zu präparieren. Gemeinsam zogen sie das schwere Gefährt ans Ufer und begannen, eine Seite mit Farnen und Schilf zu tarnen. Idris, der noch zusätzliches Treibgut am Kanu befestigen wollte, wurde in einer seichten Stelle auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses fündig. Jedoch war das Gewässer hier tiefer, als ein Mann stehen konnte und keiner der beiden konnte schwimmen. Pragmatisch entschlossen sie sich, das Treibgut mittels eines Wurfhakens samt Seil zu „angeln“. Doch bei den Göttern, offenbar hatte sich das Glück gegen Idris verschworen, denn bereits nach dem zweiten Wurf verhakte sich der Haken irgendwo auf dem Grund des Flusses. Es war schließlich Menowin, der, nachdem er erkannt hatte, dass Idris nicht dazu zu bewegen war, im Fluss zu tauchen, den Haken aus dem Wasser holte. Und nicht nur den. Zusätzlich zog er einen alten Rucksack aus den braunen Fluten, in dem sich der Haken verheddert hatte. Eine kurze Untersuchung förderte einen Laumspurtrank und einen Trank des magischen Atems zu Tage. Die restlichen Objekte im Rucksack waren seit langer Zeit verrottet. Sie entschieden schließlich, auf das Treibholz zu verzichten und warteten, bis die Nacht ins Land gezogen war.

Als die ersten Rufe der Schleiereulen ertönten, brachen sie zur nächtlichen Seeüberquerung auf. Doch auch in der Nacht schienen sich die Götter gegen sie verschworen zu haben. Zumindest Herox. Der Gott der Winde und des Wetters hatte dafür gesorgt, dass der nächtliche Vollmond, wie ein heller Schild am sternenklaren und wolkenlosen Himmel stand. Zu spät ertappte Idris sich bei dem Gedanken, dass sie vielleicht die Dienste des Wettermagiers in Anspruch hätten nehmen können. Jetzt musste ihre Tarnung ausreichen. Als sie in den See fuhren, wandten sie sich nach links und fuhren so leise es ging, in Ufernähe entlang. Im Schein des Mondes sahen sie das Dorf der verhassten Pfahlbauer in der Ferne. Zahlreiche Herdfeuer brannten dort. Sorgsam achteten sie darauf, die getarnte Seite immer in Richtung des Dorfes zeigen zu lassen. Sie hatten die Siedlung in Entfernung einiger hundert Meter bereits passiert, als Menowin ein ans Ufer gezogenes Boot erkannte. Daneben lagen zwei Gestalten, die sich offenbar gerade einem Schäferstündchen hingaben. Das Stöhnen der beiden drang weit über den See. Zügig versuchten sie, die getarnte Seite des Bootes nun dem Ufer zuzuwenden und sie konnten von Glück reden, dass die beiden an Land so miteinander beschäftigt waren. Ansonsten hätten sie ein, auf einer Seite alles andere als sorgsam getarntes Kanu entdeckt. So waren Idris und Menowin bereits ein gutes Stück vorangekommen, bis einem der beiden an Land das Gefährt auffiel, es dann aber für ein Stück Treibholz hielt.

Sie ließen sich ein Stückchen treiben. Dann holten sie das Letzte aus ihren geschundenen Oberarmen heraus und paddelten in einem Teufelstempo über den See. Als sie erkannten, wie sich einige kleinere Boote aus dem Schatten des Pfahlbaudorfes lösten, verdoppelten sie noch einmal ihre Anstrengungen. Ausgelaugt und mit ihren Kräften am Ende, jedoch ungesehen, fuhren sie in den Fluss ein. Hier setzten sie ihre Reise durch die Nacht noch für eine Stunde fort, denn glücklicherweise war der Elf in der Lage, die Dunkelheit mit seinen Augen zu durchdringen. Im Abschluss zogen sie das Kanu auf die Uferböschung. Kurz noch tarnten sie das Gefährt und richteten ihr Lager. Dann waren sie auch bereits eingeschlafen. Das letzte, was sie hörten, war das leise Heulen eines einsamen Wolfes in der Ferne.
 

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Tag 3: Von Loc Nar in die Sümpfe von Inis Mor (Teil 1)

Als Idris am Morgen erwachte, wähnte er sich im ersten Augenblick in seinem Bett, zu Hause im Wehrdorf. Doch das Gluckern und Rauschen des nahegelegenen Flusses rissen ihn zurück in die Gegenwart. Neben ihm schlief der Barde und ein paar Meter weiter lag ihr Kanu und im Kanu stand die Kiste. Stand sie wirklich dort? Idris sprang auf und schaute nach. Ja, die Kiste stand immer noch sicher im Kanu.

Nachdem Menowin ebenfalls aufgewacht war, verstauten sie ihr Hab und Gut wieder im Boot und ließen es zu Wasser. Die Reise ging weiter. Mit jeder Flusswindung, die sie entlang paddelten, entfernte Idris sich weiter von zu Hause. Manchmal lag sein Blick an diesem Tag minutenlang auf der Kiste, die inmitten ihres Bootes stand. An ihm ganz allein hing es, sie vollständig und in einem Stück nach Tulach Der zu bringen. Als er hochschaute, musste er unwillkürlich lächeln. Er war nicht alleine. Der elfische Barde, der vorne im Kanu saß, begleitete ihn. Zusammen würden sie die Aufgabe bewältigen.

Der Fluss veränderte sich mit der Zeit. Lief er am ersten Tage noch träge und langsam in seinem Bett, mussten die beiden Flusswanderer im Verlaufe des Vormittags erkennen, wie die Ufer an beiden Seiten näher heranrückten und das Wasser schneller im flachen steinigen Bett lief. Auch die Uferböschung wurde höher und wilder. Übermannhohe Dornbüsche säumten zu beiden Seiten den Fluss.

Am frühen Nachmittag wurde ihre Reise unliebsam unterbrochen. Ein riesiger Baum war, wohl durch ein Unwetter entwurzelt, in den Fluss gefallen und lag nun quer in der Fahrbahn. Geschickt manövrierten die Gefährten das Boot näher an den Baum heran. Rasch diskutierten sie, was sie tun würden. Entweder sie drehten um, suchten einen Ausstieg flussaufwärts und trugen das Kanu über Land, oder sie versuchten, den Baum zu überwinden. Da Idris in der Rüstkammer so geistesgegenwärtig gewesen war, eine Säge mitzunehmen, entschieden sie sich für die letzte Möglichkeit. Geschickt verließ der junge Fährtensucher das Boot und trat auf den Baumstamm, der ächzte und knarrte und im Wasser schaukelte. Dann begann er, Äste abzusägen, damit sie im Anschluss das Boot über den Baumstamm würden wuchten können. Doch waren die Anstrengungen des Tages wohl ein wenig zu viel. Als er die ersten beiden Äste durchgesägt hatte, musste er das Werkzeug schweißgebadet dem Elfen übergeben. Und wieder waren die Götter den Gefährten nicht hold. Denn just nachdem sich Menowin des letzten Asts angenommen hatte, brach das Blatt der Säge entzwei. Doch der Weg war frei und so schoben und zogen sie gemeinsam das Kanu über den Baumstamm und fanden nach einem unfreiwilligen Abstecher in den Fluss, ihren Weg ins Boot ebenfalls wieder.

Bis zur Abenddämmerung war ihre Kleidung wieder getrocknet und als sie eine seichte Stelle im Ufer entdeckten, landeten sie dort an. Offenbar waren sie nicht die ersten, denn als sie näher heran waren, erkannten sie ein weiteres kleines Boot, das dort lag. Da allerdings keine frischen Spuren in der Umgebung zu finden waren, bauten sie mehr oder weniger beruhigt ihr Nachtlager auf. Idris versuchte, wenn auch vergeblich, mit dem Pesch einer Fackel das Kanu zu reparieren und schnitt einige Planken aus dem anderen Boot. Man konnte schließlich nie wissen, wo für man sie gebrauchen konnte. Währenddessen hielt Menowin seine Angel ins Wasser und Dirk, der Gott der Flüsse und Seen hatte ein Einsehen mit dem Barden und schenkte ihm einen großen Wels. Diesen brieten sie über einem kleinen Feuer.

Sie entschieden, in Etappen zu schlafen. Ebenso wie gestern war der Himmel sternenklar und die Nacht war angenehm. Doch hörten sowohl der junge Fährtensucher, als auch Menowin ab und an Geräusche, die wie schrille Stimmen klangen in der Ferne. Jedoch verspürte keiner der beiden eine ausgesprochene Lust, dem Ursprung der Stimmen auf den Grund zu gehen.



Tag 4: Von Loc Nar in die Sümpfe von Inis Mor (Teil 2)

Am dritten Tag ihrer Reise veränderte der Tra Bruach abermals sein Gesicht. Je weiter sie westwärts kamen, desto breiter wurde das Gewässer. Immer wieder trat der Fluss hier aus seinem Bett und überschwemmte weite Flächen zur Rechten und zur Linken. Hohe Schilfgewächse zu beiden Seiten boten einer Vielzahl von Wasservögeln Lebensraum. Mehr als einmal paddelten die Gefährten irrtümlich in einen Nebenarm hinein, nur um feststellen zu müssen, dass es dort kein Weiterkommen gab. Zahlreiche Baumstämme hatten sich auf ihrem Weg durch den Fluss hier verkeilt, hatten im Laufe der Zeit Wasser gezogen und waren untergegangen. Diese gefährlichen Hindernisse galt es zu umfahren. Immer wieder tauchte unvermittelt ein Ast oder ein Baumstamm aus den Fluten auf, denn die ineinander verkeilten Baumstämme lagen nur Zentimeter unter der Wasseroberfläche.

Dann geschah es. Wieder tauchte ein knorriger Ast auf. Menowin rief dem Fährtensucher eine Anweisung zu, doch der konnte nicht schnell genug ausweichen und der Ast durchbrach geradewegs die Wandung des Kanus. Umgehend strömte Wasser ins Boot. Verzweifelt versuchten die Gefährten schlimmeres zu verhindern und lösten das Kanu vom Ast, bevor dieser die Bootswand weiter aufriss. Im Anschluss stopften sie Idris Decke in den klaffenden Spalt. Schnell ließen sie die Baumstämme hinter sich und landeten, sobald sie eine passende Gelegenheit dazu gefunden hatten, am Ufer an. Wie an den vergangenen Tagen, zogen sie das Kanu an Land und Idris nutzte das verbleibende Tageslicht, das Loch im Rumpf mit Pesch abzudichten. Menowin widmete sich wieder seiner Angel und auch an diesem Abend hatte er Erfolg. Der Fluss schenkte ihnen ihr Abendessen und mehr. Doch auch Idris wollte unter Beweis stellen, dass er in der Lage war, Essen auf den Tisch zu zaubern. So ging er in den Wald und stellte eine Vogelfalle auf. Mit dieser musste er einfach etwas fangen.

Morgen würden sie Inis Mor erreichen. Moore waren in Idris Vorstellung finstere Orte, an den die Ertrunkenen unter der Wasseroberfläche gefangen waren. Auch Menowin hatte Geschichten über Geisterlichter gehört, die unaufmerksame Reisende ins Moor trieben. Sie entschieden, am morgigen Tage ganz besonders wachsam zu sein. Auch in dieser Nacht wurde der Ruf der Schleiereulen in einiger Entfernung vom Geheul eines einsamen Wolfs begleitet.
 

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Tag 5: Die Sümpfe von Inis Mor

Nach einem kurzen Frühstück am Morgen setzten sie ihre Reise auf dem Tra Bruach fort. Der Fluss wurde immer träger und breitete sich weiter und weiter aus. Der Wind war abgeflaut und die Gefährten fuhren durch unbewegte, feuchte Luft. Die Wärme und Strahlkraft der Sonne schien die Dunstglocke über dem Gewässer nicht recht durchdringen zu können. Schlingpflanzen bildeten dichte Teppiche auf der Wasseroberfläche und machten das Fortkommen schwer. Auch die Singvögel, deren unentwegtes Lied die Gefährten bisher auf ihrem Weg begleitet hatte, waren verstummt. Ein Geruch von verfaulenden Pflanzen und Gasen wehte den beiden um die Nase und mit einem Mal wurde Idris bewusst, dass sie die Sümpfe von Inis Mor bereits erreicht hatten. Bedächtig paddelten die beiden weiter. Vereinzelte Nebelfetzen trieben über dem Sumpf und erschwerten die Navigation. Menowin, der vorne im Kanu saß, ließ ein leises Lied der Ausdauer erklingen und von neuer Energie beflügelt, erhöhten sie das Tempo, um diesen seltsamen Ort schnellstmöglich wieder zu verlassen. Immer wieder fuhren sie in Nebelbänke hinein, die schwer auf dem Wasser lagen. Idris beobachtete, wie seltsam verrenkte und deformierte Alptraumgestalten langsam aus dem feuchten Dunst auftauchten. Erst im letzten Augenblick verwandelten sie sich ein jedes Mal in verkrüppelte Bäume, oder knorriges Buschwerk. Nach einer Unendlichkeit schließlich ließen sie den Nebel hinter sich und paddelten auf einen kleinen See hinaus, dessen Oberfläche zu großen Teilen mit wuchtigen Seerosen bedeckt war.

Während sie noch einen Weg auf die andere Seite hinüber suchten, fielen dem Elfen die Tiere auf, die sich auf manchen der großen Blätter tummelten. Es waren große, unförmige Kröten, die dort im dunstigen Licht badeten. Feuerkröten, um genauer zu sein. Idris hatte von dieser Spezies bereits gehört, gesehen hatte er jedoch noch keine. Er wusste jedoch, dass die Amphibien in der Lage waren, mit speziellen Stoffen in ihrem Köper Feuerbälle zu erschaffen, die sie auf ihre Gegner spuckten. Er wollte auf keinen Fall herausfinden, wie es dazu kam. Vorsichtig und lautlos umfuhren sie die Seerosen. Immer darauf bedacht, keine zu großen Wellen zu schlagen oder gar Geräusche zu machen. Die Kröten behielten sie immer im Blick.

Das mag auch der Grund dafür gewesen sein, dass Idris die Gestalt am Ufer erst so spät erkannte. Im ersten Moment sah sie aus, wie die anderen verrenkten Gehölze, die überall im Moor wuchsen. Doch dann sah der junge Fährtensucher, wie sich der vermeintliche Baum plötzlich bewegte und erkannte eine humanoide Gestalt, die geradewegs zum Seeufer und auf die Gefährten zuhielt. Im nächsten Augenblick hatte sie es überschritten und begann, in atemberaubender Geschwindigkeit im sumpfigen Uferbereich zu versinken. Nicht ohne weiter auf das Kanu zuzusteuern. Ohne ein Wort begannen beide, ihre Paddel zu schwingen und ohne Rücksicht auf die Feuerkröten, den See durch einen Nebenarm zu verlassen. Kurz bevor sie das Ende des Sees erreichte hatten, steuerte Menowir das Kanu um eine besonders große Seerose herum, als hinter ihr plötzlich eine Feuerkröte auftauchte. Wortlos starrten die beiden Parteien sich für einige Sekunden schweigend an. Dann sprang die Feuerkröte kommentarlos ins Wasser. Glück gehabt, dachte Idris und paddelte weiter.

In diesem Moment spürten beide, wie etwas von unten am Boot entlang strich. Die alptraumhafte Gestalt aus dem See? Sie ruderten, als würde es um ihr Leben gehen und vielleicht tat es das ja auch. Unterstützt vom Gesang des Barden kamen sie gut vorwärts und setzten die Paddel für die nächsten Stunden nicht ab. Erst als ihre Arme trotz der Wirkung des Lieds anfingen zu schmerzen, ließen sie eine kurze Pause zu. Was mochte das für ein Wesen gewesen sein, fragten sie sich. Es ähnelte entfernt einem Menschen, war über und über mit Schlingpflanzen bedeckt und es schien über schier übermenschliche Kräfte zu verfügen. Menowin warf vorsichtig ein, es könnte sich um einen Lehmgolem gehandelt haben, wie sie mitunter von Gnomen oder Magiern hergestellt werden. Aber warum die Kreatur sie offensichtlich zu verfolgen schien, darauf hatte keiner der beiden eine Antwort.

Sie paddelten weiter. Idris wollte den Sumpf so schnell wie möglich hinter sich lassen. Doch der Sumpf hatte andere Pläne mit ihnen. Kurz, nachdem sie wieder Fahrt aufgenommen hatten, stieß Menowin das Paddel ins Wasser und als er es wieder herausziehen wollte, wurde es von einer Kraft zurückgehalten. Die beiden stoppten das Kanu und schnell zeigte sich, wovon das Paddel zurückgehalten wurde. Es waren Schlingpflanzen, die ein reges Eigenleben entwickelt hatten und sich immer weiter um das Paddel herumschlangen. Doch nicht nur das. Weitere Ranken machten sich von beiden Seiten daran, das Kanu zu umschlingen und über die Reling zu greifen. Kompromisslos zogen die Gefährten ihre Schwerter und hieben nun reihum auf die Ranken ein, deren erklärtes Ziel es war, das Boot unter Wasser zu ziehen. Menowin schlug mit seinem Schwert den Strang durch, der das Paddel hielt, kam dabei jedoch so unglücklich ins Wanken, dass er rückwärts ins Wasser fiel.

Sofort spürte er die tentakelgleichen Ranken, die sich um seine Beine schlangen und ihn nach unten zogen. Panik versuchte sich seiner zu bemächtigen, doch zwang er sie nieder. Das Schwert hatte er beim Fall ins Wasser verloren. Sein Beil hing jedoch noch in seinem Gürtel. Er zog es und hieb auf die Pflanze ein. Doch mit jedem Trieb, den er abschlug, kam ein neuer hinzu. Er spürte, wie ihm die Luft ausging und er immer weiter auf den Grund gezogen wurde. Idris, oben im Boot, versuchte verzweifelt, seinem Begleiter zu Hilfe zu eilen. Doch ebenso wie der Elf, konnte auch er nicht schwimmen. So warf der das Seil mit Haken ins Wasser und hoffte, das Menowin es ergreifen konnte. Dann jedoch wurde er plötzlich abgelenkt.

Der Barde sah das Seil, hatte jedoch keine Zeit, sich darum zu kümmern. Buchstäblich atemlos nestelte er an der Tasche seines Wamses herum, zog eine kleine Phiole daraus hervor, und trank den Trank des magischen Atems, den sie Tage zuvor im alten Rucksack gefunden hatten. Mit der Fähigkeit, unter Wasser zu atmen, fand Menowin nun wieder zu sich selbst. Darüber hinaus hatten die Ranken ihn nun auf den Grund gezogen. Und dort steckte das Kurzschwert, das er beim Fall vom Boot verloren hatte. Geschickt griff er danach, bekam es zu fassen und schlug mit neuer Energie auf die Ranken ein, die ihn immer weiter bestürmten. So arbeitete er sich auf dem Grund bis zum Wurfhaken samt Seil vor, die einige Meter von ihm entfernt im Wasser schwebten.

Idris hatte keine Zeit, darauf zu achten, ob der Elf das Seil erreicht hatte und vielleicht daran ziehen würde. Denn der Golem brach gerade durch ein Gebüsch auf einer kleinen Insel, vielleicht dreißig Meter von ihnen entfernt. Ohne darüber nachzudenken, ergriff der Fährtensucher seinen Bogen und einen Pfeil, spannte, zielte und schoss. Zielsicher fand der Pfeil sein Ziel; die Brust des Golems. Schwer schlug er ein und blieb darin stecken. Ob der Golem durch den Treffer ernsthaft verletzt wurde, war jedoch nicht zu erkennen, denn er lief geradewegs weiter, in den sumpfigen Teich hinein und ging unter. Nun endlich sah Idris, wie sich das Seil bewegte und begann, den Barden nach oben zu ziehen.

Der erwehrte sich auf dem Grund des Sees weiterhin den Attacken der Ranken. Was er dann sah, ließ sein elfisches Blut gefrieren. Im Dämmerlicht des braunen Sumpfwassers erschien plötzlich die Gestalt des Golems, der auf ihn zuhielt. Schlingpflanzen, die sich um ihn herum wanden, riss er mit beiläufigen Bewegungen ab.

Hastig verdoppelte Menowin seine Anstrengungen, warf das Beil von sich und mit Hilfe des Fährtensuchers oben im Boot gelang es ihm, sich von den Ranken loszureißen. Schwer atmend kam er an Bord und beide paddelten so schnell es ging, weg vom Ort des Geschehens. In den nächsten Stunden blickten sie sich häufig um, doch der Golem war und blieb verschwunden.

Am frühen Nachmittag veränderte sich das Landschaftsbild erneut. Offenbar hatten sie auf Anhieb den Hauptstrom gefunden und nicht nur Idris war sichtlich erleichtert, diesen unheimlichen Sumpf hinter sich gelassen zu haben. Der Fluss floss nun wieder wesentlich schneller. Die Anstrengungen des Tages in ihren Knochen spürend, entschlossen sie, bald darauf auf einer höher gelegenen Sandbank am Ufer ihr Lager für die Nacht aufzuschlagen. Im Westen, dort wo die Sonne unterging, sahen sie bereits die Hügel Ard Seans. Aus dem Osten allerdings näherte sich eine Front dunkler Wolken, die Regen und Gewitter mit sich führte. Sie entschlossen, das Kanu aufzubocken und als Regenschutz umzudrehen. Mit dem Klappspaten legten sie zusätzliche Abflüsse an. Keine Sekunde zu früh. Just als sie fertig waren, ergoss sich ein Sturzbach über ihnen und binnen Sekunden war die Landschaft hinter einem Wasserfalls aus schweren grauen Wassertropfen verborgen. Als Menowin den am gestrigen Abend gefangenen Fisch aus seinem Beutel zog, erinnerte Idris sich mit einem Mal daran, tags zuvor eine Falle aufgestellt zu haben. Doch hatte er am Morgen vergessen, nachzuschauen, ob er etwas gefangen hatte. Nun würde er nicht mehr dazu kommen. Im Geiste verfluchte er seine Unaufmerksamkeit. So verbrachten sie den Abend und eine recht unbequeme Nacht.
 

Master-Jeffrey

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6. Tag: Von Inis Mor zu den Wasserfällen von Ard Sean

Als sie am nächsten Morgen aufwachten, hatte der Regen geendet und die Sonne war wieder ans Firmament getreten. Die Landschaft hatte sich verändert. Der Wasserstand des Flusses war in der Nacht um eine Handbreit gestiegen und ihre kleine Sandbank stand nun wesentlich tiefer im Wasser. Während sie sich daran machten, das Boot zu beladen, wurde Idris mit einem Mal gewahr, dass sie bereits weit mehr als die Hälfte der Reise hinter sich hatten. Vielleicht würde sie morgen Abend bereits in Tulach Der sein. Dann hätte er die seine Aufgabe erledigt und er würde als Mann und vollständiges Mitglied der Sippe nach Beag Beans zurückkehren. Von Zuversicht beflügelt bestieg er das Kanu.

In den nächsten Stunden wurden sie Zeuge, wie sich die Ufer zu beiden Seiten veränderten. Auf der rechten Seite verschwand die Vegetation fast vollständig und wurde von hohen kargen Felswänden ersetzt. Auch am anderen Flussufer traten zwischen der Vegetation immer Felsen und kleinere Hügel hervor. Der Fluss floss hier schnell und unruhig durch sein hartes, steinernes Bett. Immer wieder ragten Felsbrocken aus dem sprudelnden und gurgelnden Wasser hervor.

Menowin, der am heutigen Tag hinten im Boot saß, hatte alle Hände voll zu tun, das Kanu auf dem unruhigen Wasser in der Spur zu halten. Doch die beiden waren mittlerweile ein eingespieltes Team und so passierten sie die meisten Weißwasserzonen ohne Probleme.

Doch kurz nachdem die Sonne ihren höchsten Stand am Himmelszeit eingenommen hatte, geschah es. Auf einem Teil der Strecke vor ihnen lagen die Felsen dicht an dicht und ließen mitunter nur kleine, sicher befahrbare Rinnen übrig. Diese zu treffen, war nicht immer einfach und so steuerte der Barde bei einer Gelegenheit einen Moment zu spät entgegen. Sekunden später krachte eine Seite des Kanus schwer gegen den Stein und wurde nach innen gedrückt. Mit letzter Not kamen die Gefährten wieder auf Spur. Die Seitenwand hielt – noch.

Kurz darauf entdeckten sie am linken Ufer eine seichte Stelle. Dort wollten sie anlanden und den Schaden begutachten. Zusätzlich nutzten sie die Gelegenheit, kurz einmal in den Büschen zu verschwinden. Als Idris vom Stillen seines Bedürfnisses zurückkam, entdeckten beide den Wolf. Es war ein großer, dunkler Finsterwolf. Er stand auf einem Hügel, etwa hundertfünfzig Meter von den beiden entfernt. Als sie seiner ansichtig wurden, stieß er ein durchdringendes Heulen aus.

Nur einen Wimpernschlag später erschien ein zweiter Wolf aus dem Unterholz, etwa hundert Meter entfernt. Menowin erkannte den Ernst der Lage als erster und wandte sich dem Kanu zu. Doch während sie angelandet waren, hatte sich ein im Fluss treibender Baumstamm unbemerkt in die seichte Flusswindung verirrt und blockierte nun den Weg des Bootes zurück auf den Fluss. Schnell sprang der Elf ins Wasser und versuchte, den Stamm zurück in die Strömung zu drücken. Idris hingegen sah sich einer neuen Gefahr gegenüber. Denn nur Sekunden, nach dem das Heulen des Wolfs erklungen war, sprang ein dritter Wolf aus dem Unterholz neben dem Fährtensucher. Geistesgegenwärtig riss Idris sein Schwert aus der Scheide und stellte sich den wilden Attacken des Finsterwolfs entgegen.

Doch der Wolf, der fast an die Größe des Fährtensuchers heran ragte, war stark und schnell. Immer wieder unterlief er die Attacken des jungen Mannes und biss ihn in der nächsten Sekunde in Oberschenkel und Oberarm. Schwer getroffen taumelte Idris zurück. Rotes Blut sprudelte aus seinen Wunden. Dann griff die Bestie erneut an. Schemenhaft sah Idris, wie die anderen Wölfe auf den Ort der Auseinandersetzung zuliefen. Er ahnte, lange würde er nicht mehr gegen den Wolf bestehen können.

Der Barde hatte den Stamm gepackt und unter Aufbietung all seiner Kraftreserven einige Zentimeter bewegt. Doch es reichte noch nicht. Eine erneute Attacke des Wolfs wehrte Idris ab, doch als er in den Gegenangriff übergehen wollte, schnappte die Bestie zu und verbiss sich in seiner Schulter. Stechender Schmerz durchlief den Fährtensucher, der verzweifelt versuchte, die Kreatur von sich zu schieben. Dann endlich hatte Menowin den Baumstamm soweit bewegt, dass dieser wieder von der Strömung getragen und aus dem seichten Uferbereich gezogen wurde. Eilig sprang er ins Boot und rief Idris zu, es ihm gleich zu tun. Mit letzter Kraft taumelte der Fährtensucher dem Kanu hinterher und warf sich blutend in das schaukelnde Gefährt. Die Wölfe blieben heulend am Ufer zurück. Schwer verletzt trank Idris den Laumpurtrank, den sie gefunden hatten. Doch offenbar hatte der einen Großteil seiner Wirkung eingebüßt. Während Menowin versuchte, das Boot auf dem tanzenden Fluss halbwegs ruhig und in der Spur zu halten, riss Idris seine Decke in Streifen und versuchte mit Hilfe von Ginthorwurzelsalbe seine klaffenden Wunden zu schließen. Mit herausragendem Erfolg. Nicht nur schlossen sich die Wunden binnen kürzester Zeit. Auch beschleunigte die Salbe den Heilungsprozess und bereits nach einer Stunde war das Ärgste für den Fährtensucher ausgestanden.

Keine Sekunde zu früh, denn die nächste Herausforderung näherte sich bereits mit Riesenschritte. In Anspruch genommen vom Fluss und dem Prozess des Heilens, überhörten die beiden nämlich das erst leise, dann immer lauter werdende Rauschen, das schließlich mit untrüglicher Vehemenz auf die Anwesenheit eines Wasserfalls hindeutete. Erst als sie um die letzte Flussbiegung kamen, entdeckten sie, was sich vor ihnen auftat. Begleitet von einer Wolke aus sprühender Gicht ergoss sich der Fluss hier gurgelnd und kreischend in unbekannte Tiefen.

Schnell warfen sich suchende Blicke in die Umgebung. Während die rechte Seite aus einer steilen Felswand bestand, entdeckten sie zur linken ein kleines Plateau, auf dem ein hoher Baum stand, der über den Fluss ragte. Entschlossen warf Idris den Wurfhaken samt Seil, der sich zielsicher um den Stamm wandte und verhakte. Im nächsten Moment ging ein Ruck durch das Boot. Dann wurde es herumgerissen und unsanft gegen das felsige Ufer gedrückt. Die Gefährten hielten den Atem an. Doch hielt das Kanu dem Druck stand und sie begannen rasch, aus dem Boot zu kraxeln. Die Kiste war mit einem Seil fest mit dem Kanu verbunden. Zur Sicherung schlugen sie einige Nägel in die Felswand. Im Anschluss überwanden sie die drei Meter Höhenunterschied und überlegten, wie sie das Boot aus dem Wasser ziehen konnten, ohne es weiter zu beschädigen. Sie entschlossen sich schließlich, mit Hilfe eines Seilsystems, einem mit Steinen beladenen Rucksack und einigen in den Felsen geschlagenen Nägeln, die Schwerkraft und den diversen Gesetzen über Kraft und Hebel die Arbeit zu überlassen. Mit Erfolg. Zwar büßten sie bei ihrem Vorhaben einen Großteil ihres Seilvorrats, den Wurfhaken und einen Rucksack ein, doch kurz vor Sonnenuntergang stand das Kanu, lädiert aber in einem Stück auf dem Plateau.

Idris spürte eine allumfassende Schwere, die ihn niederdrückte, doch wollten sie die Zeit bis Sonnenuntergang nutzen, herauszufinden, wohin das Plateau führte. Nach einem kurzen Marsch fanden sie es heraus. Die felsige Ebene endete und erlaubte einen Blick auf eine weitläufige Tiefebene. Rechts von ihnen stürzte das Wasser in einem breiten Wasserfall etwa dreißig Meter in die Tiefe. Weiter unten erkannten sie das braune Band des Tra Bruach, das sich träge in seinem tiefen Bett durch die bewaldete Landschaft schlängelte. Doch der Weg hinunter führte über einen mit Geröll bedeckten Abhang. Dem würden sie sich morgen widmen. Mit hängenden Schultern schleppten sie sich zurück zum Kanu, bauten ihre Lager auf und fielen alsbald in einen tiefen Schlaf.
 

Master-Jeffrey

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7. Tag: Die Geröllhänge des Ard Sean

Idris erwachte am nächsten Tag mit einem Kribbeln an seinem ganzen Körper. Die Ginthorwuzelsalbe tat immer noch ihre Wirkung und der Schlaf hatte ihn zusätzlich erquickt. Menowin strömte Zuversicht aus. Vielleicht würden sie heute Nachmittag bereits in Tulach Der einkehren. Sie schulterten das Boot und trugen es bis zum Abhang. Dann begannen sie mit dem Abstieg. Vorsichtig setzten sie einen Fuß vor den anderen.

Doch plötzlich geriet Idris, der hinten lief, ins Wanken. Ein vermeintlich sicherer Stein unter seinem Fuß rutschte zu Seite und der Fährtensucher musste das Boot loslassen, um nicht kopfüber den Hang herab zu rollen. Menowin, vom plötzlichen Gewicht des Kanus überrascht, konnte diesem in seiner beginnenden Fahrt nichts entgegensetzten. Im letzten Augenblick warf er sich zur Seite, um nicht vom Boot überrollt zu werden. Mit einer Hand hielt er sich jedoch an der Reling fest, fasste nach und rollte sich mit elfengleicher Eleganz ins Boot. Doch dessen Sturzfahrt den Abhang herab war nicht mehr aufzuhalten.

Ohnmächtig beobachtete Idris, wie das Kanu mitsamt seinem Begleiter auf dem fremden Untergrund immer schneller den Hügel herabschlidderte. Direkt auf eine Gruppe kleiner Felsen zu. Verzweifelt versuchte der Barde im Kanu, die Fahrt durch die Verlagerung seines Körpergewichts zu verändern. Doch vergeblich. Das Kanu krachte mitten in die Felsen und zerbarst in tausend Teile. Der Barde wurde durch eine glückliche Fügung über die Steine hinweg geschleudert und stürzte auf der anderen Seite zu Boden. Unverletzt aber mit brummendem Schädel rappelte er sich wieder auf.

Idris war unterdessen den Hügel herabgelaufen. Zusammen schauten sie sich den Schaden an. Die Truhe selbst hatte nichts abbekommen. Vom Kanu aber war nicht viel übrig. Was sollten sie nun tun? Die Truhe auf dem Landweg nach Tulach Der zu bringen, würde eine Verzögerung von mehr als zwei Tagen bedeuten. Während sie sich daran machten, ihr verstreutes Hab und Gut aufzusammeln, kam dem Fährtensucher eine Idee. Als Kind hatte er einmal mit einigen anderen ein Floß gebaut und sie waren damit über Tage hinweg in der Nähe von Beag Beans auf dem Tra Bruach unterwegs gewesen. Vielleicht konnte sie nun abermals eines bauen. Menowin ließ ein Lied erklingen, das ihre handwerklichen Fähigkeiten erhöhte und sie machten sich daran, den Plan in die Tat umzusetzen. Da sie kein Beil mehr besaßen, benutzten sie ihre Schwerter, um kleinere Bäume zu fällen, banden die Stämme mit den letzten Reste ihres Seils und einige Weidenflechten zusammen und am Ende des Tages hatten sie wirklich ein kleines Floß gebaut. Gezeichnet von den Strapazen der letzten Tage schlossen sie am Abend die Augen.


8. Tag: Ankunft in Tulach Der

Früh am nächsten Morgen ließen sie das Floß zu Wasser. Und wirklich, es schwamm. Sie verbrachten ihr weniges Hab und Gut auf das neue Gefährt und banden die Kiste mit den Geschenken fest. Dann stachen sie in See. Die Paddel ihres Kanus hatten sie mitgenommen.

Der Tag war grau und bewölkt, doch die umgebende Landschaft leuchtete in einem umso frischeren Grün. Kopfweiden stand hier zu beiden Seiten des Flusses und ihre Triebe ragten hier und da ins Wasser. Der Fluss war gutmütig, breit und träge. Sie hatten keine Schwierigkeiten, den Kurs ihres Gefährtes zu halten.

Mehr als einmal glaubten die beiden, Dächer zwischen den Bäumen hervorragen zu sehen, doch waren sie kurz vor dem Ziel und wollten die Reise nicht noch unnötig unterbrechen. Gegen Mittag dann sahen sie die Brücke. Idris hatte in seinem Leben noch keine Brücke aus Stein gesehen und diese hier überspannte den gesamten Fluss. In der Mitte gab es ein festes Fundament, auf der die Brücke ruhte. Sie war so breit, dass zwei Fuhrwerke bequem aneinander vorbei fahren konnten und recht hoch. Das war die alte Brücke von Tulach Der. Das Dorf und damit das Ziel ihrer Reise musste sich in unmittelbarer Nähe befinden. Von neuer Zuversicht beflügelt, erhöhten sie ihr Tempo, nur um kurz darauf inne zu halten.

Sie waren noch etwa zwanzig Meter von der Brücke entfernt, als der Elf mit seinen besseren Augen erkannte, was im Halbdunkel des Brückenbogens auf sie wartete. Zwischen diesem spannten sich Spinnenfäden von enormem Durchmesser. Dann erblickte Menowin den Urheber. Eine eklige, schwarze Riesenspinne hing im Halbschatten des steinernen Bogens. Unzweifelhaft wartete sie auf unvorsichtige Fluss-Reisende, die sie ohne Zweifel einspinnen und aussaugen würde. Idris schüttelte sich vor Ekel, als der Barde ihm zeigte, was dort auf sie lauerte.

Schnell manövrierten sie das Floß ans Ufer, bevor sie die Brücke vollends erreicht hatten und entschlossen sich, die letzte Wegstrecke zur Fuß zurückzulegen.

Die Kiste zwischen sich, durchschritten sie eine Stunde später das Haupttor der von einem weitläufigen Wall umfriedeten Siedlung. Vier Sippen hatten Tulach Der ursprünglich gegründet und ihre befestigten Gehöfte standen an den Rändern des Dorfs. Im Zentrum standen einige eng beieinander stehende Fachwerkhäuser um einen kleinen Dorfplatz. Gleich auf Anhieb fielen Idris eine Taverne und einige Händler auf. Auch ein kleiner, steinerner Tempel des Chorak, des Gottes des Krieges ragte zwischen den Gebäuden auf. Auf den freien Flächen zwischen den Häusern und den Gehöften betrieben die Bewohner Ackerbau oder hielten Schafe und Rinder auf kleinen Koppeln.

Die beiden fragten einen der Dorfbewohner nach Seanagh Gerlot und kurz darauf fanden sie sich am Eingangstor eines der befestigten Gehöfte wieder. Ihre Arme, die die Kiste umklammert hielten, wurden lang und länger. Aber all das spürte Idris nicht. Was er spürte was ein berauschendes Kribbeln kurz über seiner Magengegend.

Er hatte es geschafft! Sie hatten es geschafft, dachte er mit einem Seitenblick auf seinen Begleiter. Ohne die beständige Hilfe, Unterstützung und magischen Lieder des Barden, wäre er spätestens nach der Hälfte der Strecke mit dem Bauch nach oben im Fluss getrieben. Mit einem Mal wurde Idris in seinen Gedanken unterbrochen. Sie hatten die Glocke am Tor geläutet und gewartet, ob man ihnen öffnen würde. Nun hörten sie das typische Klackern und Rattern eines sich öffnenden Schlosses und im nächsten Augenblick standen sie vor einem hünenhaften Nordmann, der sie mit konsterniertem Gesichtsausdruck betrachtete.

„Seid gegrüßt. Die Götter mit Euch. Seid Ihr mit einem Kanu unterwegs?“, fragte der Mann schließlich nach einer kleinen Weile und deutete mit einem Kopfnicken auf die Paddel, die ein jeder der beiden immer noch in seiner freien Hand trug.

Schweigend schauten die beiden sich kurz an und schüttelten dann betreten den Kopf.

„Was führt Euch an meine Pforte und was möchtet Ihr von mir?

Mit schweren Armen hoben Idris und Menowin die Kiste an, die sie in den letzten sieben Tagen wie ihren Augapfel gehütet hatten.

„Der Inhalt der Kiste ist für Euch.“, sagte Idris mit heiserer Stimme.

„Es hat uns einiges gekostet, ihn hierher zu transportierten. Wenn Ihr erlaubt, erklären wir es Euch drinnen“.

Mit einem interessierten Gesichtsausdruck bat Seanagh sie herein…




Ende​
 
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