• RPG-Foren.com

    DIE Plattform für Fantasy & Sci-Fi Rollenspiele

    Ihr findet bei uns jede Menge Infos, Hintergründe zu diesen Themen! Dazu Forenrollenspiele, Tavernenspiele, eigene Regelwerke, Smalltalk und vieles mehr zu bekannten und weniger bekannten RPG-Systemen.

Sci-Fi / Fantasy Alastair Reynolds: Rache

sonic_hedgehog

Geweiht
Beiträge
4.467
Punkte
133
Titel: Rache
Autor: Alastair Reynolds
Übersetzung: Irene Holicki
Aufmachung: Taschenbuch
Seiten: 557
Verlag: Heyne
Erscheinungsdatum: Januar 2018
ISBN-13: 978-3-453-31859-3

°O°°O°°O°°O°°O°°O°°O°°O°°O°°O°°O°°O°°O°°O°

Reynolds_ARache_185652.jpg

Ein gut behütendes Elternhaus kann auch als Gefängnis verstanden werden. So auch im Fall von Adrana und Arafura, den beiden Ness-Schwestern. Insbesondere für die ältere Schwester, Adrana. Ihr unvermeidlicher Ausbruch bringt sie in die Neurogasse zu Madame Granity und letztlich an Bord der Monettas Weh, als Teil der Crew von Captain Rackamore. Adranas und Arafuras Hirne sind noch nicht voll ausgereift und daher noch in der Lage, ihr Talent zu nutzen - ihr Gehirn kann noch neue Verbindungen aufbauen und wieder kappen und somit die Knochen lesen. Rackamores Schiff durchstreift die Kongregation auf der Suche nach sich öffnenden Blasen, um aus diesen die verlorene Technologie vergangener Zivilisationen zu bergen.

Verwirrt?

Alastair Reynolds wirft den Leser gemeinsam mit den beiden Schwestern in eine Welt weit in der Zukunft. Zivilisationen sind gekommen und wieder gegangen. Die Große Sprengung hat (so zumindest mein Verständnis) die Planeten zerschlagen, die als kleine Welten wieder lebensfähig gemacht wurden und in der Kongregation vereint sind. Im Kern der meisten dieser Welten finden sich sogenannte Verschlinger, der Beschreibung nach kleine Schwarze Löcher Zwischen ihnen verkehren Raumschiffe: Passagierraumer, Transporter, Abenteurer aber auch Piraten. Die begehrteste Beute sind die sogenannten Blasen - von undurchdringlichen Schutzschirmen umgebene Welten, in denen Reste der (überlegenen und nicht verstandenen) Technologie älterer Zivilisationen gefunden werden können - sofern man herausfinden kann, wann sich eine Blase öffnet und in der Lage ist, die wieder zu verlassen, bevor sie sich schließt. Eine Aufgabe für Abenteurer.

Teil dieser älteren Zivilisationen sind auch die Knochen - Schädel heute unbekannter Aliens, die wenn auch offensichtlich tot, irgendwie noch einen Funken Leben in sich tragen, den ein geschickter Knochenleser nutzen kann, mit anderen Schädeln (oder besser deren Knochenlesern) zu kommunizieren oder aber Nachrichten Dritter abzufangen.

Adrana und Arafura haben eben dieses Talent und werden von Rackamore angeheuert, um seinen alten Knochenleser zu ersetzen, da dieser aufgrund seines Alters immer weniger in der Lage ist, auf den Knochen zuzugreifen. Rackamore hat eine erfahrene Crew um sich versammelt, mit der er Blasen aufbricht und den Erlös investiert oder zurücklegt. Doch leider ist die Welt nicht nur gefährlich in dem Sinne, dass man in den Blasen verunfallen oder gefangen werden kann, sondern auch dadurch, dass es vielleicht einfacher ist, diejenigen, die eine Blase geplündert haben, um ihre Beute zu erleichtern als sich die Mühe zu machen, selbst eine Blase aufzubrechen.

Und damit sind wir im Thema. Space Opera hin, Science Fiction her - Alastair Reynolds hat einen Piratenroman geschrieben. Einen konsequent auf SciFi getrimmten Piratenroman, aber dennoch einen Piratenroman, der auch entsprechende Erinnerungen bei mir weckte. Die Weite der Kongregation ist letztlich wenig unterschiedlich von der Weite der Ozeane zur Zeit der Segelschiffe, nimmt man die damaligen Kommunikationsmöglichkeiten in die Rechnung auf. Die Raumhäfen der Welten haben natürlich einen Hafendistrikt, in dem die wirklich fiesen Kneipen liegen. Da Feuerwaffen an Bord von Raumschiffen, sagen wir mal, problematisch sind, setzt man auf Armbrüste und Messer. Und selbst die Fortbewegung ist den Segelschiffen nachempfunden - schon allein aus Gründen der Energieeffizienz hat sich eine Kombination aus Ionenantrieben und Sonnen(wind)segeln durchgesetzt. Und Abenteurer und Piraten stehen ihren historischen Vorbildern in nichts nach - auch wenn das Entern eines Raumschiffs natürlich nochmal eine andere Herausforderung darstellt. Dennoch: Gerade in dieser Konsequenz eine interessante Mischung.

Genauer zu verraten, warum das Buch Rache heißt, würde an dieser Stelle einem unverzeihlichen Spoiler gleichkommen, deswegen überlasse ich das Herauszufinden dem interessierten Leser. Nur so viel vielleicht: Neu auf einem Schiff anzuheuern, zumal wenn man keinerlei Erfahrungen vorzuweisen hat, ist nicht einfach. Dennoch schaffen es Adrana und Arafura, sich Vertrauen und Respekt zu erarbeiten - doch der Überfall einer berüchtigten Piratin stellt alles auf den Kopf... Es gilt, mehr Reife zu entwickeln, als es die Flucht von Zuhause erforderte, wenn die beiden Mädchen überleben wollen.

Ich habe mir etwas schwer getan, in das Buch hineinzufinden. Das lag zu Beginn schlicht im überraschenden Aufbau der Welt begründet. Reynolds erläutert nicht, er lässt den Leser selbst ergründen. Ein Konzept, das ich eigentlich sehr begrüße, hier kollidierte meine Vorstellung anhand der ersten Beschreibungen (und meiner Erwartungen) jedoch gelegentlich mit späteren, ausführlicheren Beschreibungen. Irritierend, aber nicht weiter schlimm. Diese anfängliche Sperrigkeit legte sich nämlich mit der Zeit, irgendwann war ich drin und dann auch so richtig. Zumal die Sperrigkeit sich nur auf das Verständnis für die Welt bezog, nicht aber auf die Sprache. Die bedient, abgesehen von der ein oder anderen explizit gewalttätigen Szene, das Young Adult Genre. Einzig der familiäre Hintergrund der Schwestern, der in der Mitte des Buchs noch einmal eine größere Rolle spielt, der riss mich später wieder vollkommen aus der Immersion - vielleicht eine Anleihe aus der Zeit der Renaissance, die hier für mich zu weit ging. Davon abgesehen aber liest sich Rache gut, nicht so schnell wie andere SciFi-Romane, was eigentlich auch ein gutes Zeichen ist und spätestens im letzten Drittel ist es auch packend. Nicht verschwiegen werden sollten sicherlich einige Längen, aber im großen und ganzen: Eines der Bücher, die ich nicht hätte im Bett in die Hand nehmen sollen, weil ich dann doch noch die letzten Seiten, die paar noch, und schon war es ... spät.

Und auch wenn es nur eine Nebensache ist, so ist es eine, die mich wiederholt geärgert hat. So auch hier: Dieses Buch ist wieder ein Beispiel, dass man seine Vorstellung nicht von Covern beeinflussen lassen darf. Denn das auf dem Cover abgebildete Schiff hat so überhaupt nichts mit den Schiffen im Buch zu tun. Man lege einfach mal nebeneinander: Das deutsche Taschenbuch, das amerikanische Taschenbuch, eine Skizze des Autors - kann man machen, ist aber halt nicht gut.
Reynolds_ARache_185652.jpg
Reynolds_Revenger-PB.jpg
revenger_ship1.jpg

Quellen: randomhouse.de, orbitbooks.net, diezukunft.de
Aber diese Diskussion ist ja alt - man sollte nie etwas auf Klappentexte und Coverillustrationen geben.

In der Summe war "Rache" ein Roman, der mir Spaß gemacht hat, auch wenn ich ihn nicht in meine Top 10 einordnen würde. Dank der überraschend anderen Welt, die Reynolds entworfen hat und der offenen Enden, an die man anknüpfen kann, ist wohl wenig überraschend, dass "Rache" nicht allein bleiben wird. Ein zweiter Teil ist bereits angekündigt. Ob ich den lesen werde? Ich weiß es nicht. Hängt wohl davon ab, was 2019 noch so im Angebot sein wird.

Bis dahin gilt mein Dank dem Heyne-Verlag, der mir das Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte. Auf der Verlagshomepage findet sich auch eine Leseprobe.

°O°°O°°O°°O°°O°°O°°O°°O°°O°°O°°O°°O°°O°°O°

[33//40] - Handlung
[35//40] - Stil
[08//10] - Aufmachung
[07/10] - Preis/Leistungs-Verhältnis

83% - gesamt
 
Oben Unten