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Sci-Fi / Fantasy Agent der Sterne

Tufir

Drachling
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John Scalzi – Agent der Sterne

Der Titel dieses Schmökers ist, obwohl originalgetreu aus dem Amerikanischen „Agent to the Stars“ übernommen, ein wenig irreführend. Liest man das Wort „Agent“ denkt man doch sofort an James Bond und Co. Doch damit liegt man bei John Scalzi vollkommen falsch.

Wenn man als Außerirdischer jahrelang irdisches Funk und Fernsehen empfängt, kommt man zweifelsfrei nicht an Hollywood Produktionen vorbei. Und bei der Hollywood’schen SF-Branche muss man ebenso zwangsläufig zu dem Schluss kommen, dass man als böses Alien viel erfolgreicher ist, als ein gutes Alien. Wen man aber nun ein gutes Alien ist, und man als solches Kontakt zur Menschheit aufnehmen möchte, aber aussieht, wie ein körperfressendes böses Alien, dann potenziert dies die Probleme der ersten Kontaktaufnahme ins schier Unermessliche. Als gallertartiger Schleimklumpen, der zudem noch durch übel riechende Pheromone, die dem Geruch einer Jauchegrube nahe kommen, mit Seinesgleichen kommuniziert, hat man nur eine einzige Chance: Man braucht einen Agenten – und zwar einen Hollywood-Schauspieler-Agenten!

Seite 31 schrieb:
„Heilige Scheiße!“ sagte ich.
„Das kenne ich noch nicht!“ sagte das Aquarium.
„Das ist nur so eine Redensart.“ sagte Carl.
„Heilige Scheiße in Tüten!“ sagte ich.
„Das auch!“ sagte Carl.
„Aha!“, sagte das Zeug, „Geht es in Ordnung, wenn ich jetzt aus diesem Kasten rauskomme? Ich war schon den ganzen Tag lang hier drinnen. Diese rechten Winkel bringen mich noch um!“

John Scalzis Roman ist herrlich witzig und erinnert ein wenig an Robert Asprin‘s „Ein Dämon kommt selten allein“. Die Idee, dass sich Außerirdische einen Hollywood-Agenten nehmen, um ihr im wahrsten Sinne des Wortes zum Himmel stinkendes Äußeres den Menschen ins rechte Licht zu rücken, ist faszinierend und Scalzi gelingt es, unter Zuhilfenahme etlicher bekannter Klischees, Hollywood gehörig auf die Schippe zu nehmen und seine Leser köstlich zu unterhalten. Seine Sprache ist frei von der Leber weg, ohne künstlich klingende Formulierungen und das Buch liest sich in einem Rutsch durch. Ein großes Lob für die deutsche Ausgabe geht dabei sicherlich auch an Bernhard Kempen, den Übersetzer.

Obwohl die menschlichen Protagonisten in diesem Roman immer wieder auch die Möglichkeit erörtern, ob die Außerirdischen nicht doch böse Absichten haben könnten und als Körperfresser Menschen übernehmen würden, kommt diese Idee dem Leser zu keinem Zeitpunkt in den Sinn. Es sind einfach nette ETs, denen man glaubt und die einfach die Probleme ihres Aussehens und Geruchs in den Griff bekommen müssen. So ist es nicht verwunderlich, dass man erneut lacht, als folgendes passiert:

Seite 212 ff schrieb:
Ich hörte ein Kratzen an der Hintertür und sah Ralph draußen stehen. „Michelle, warte mal eine Sekunde, ich muss meinen Hund rein lassen.“ sagte ich ins Telefon. [….]
Ich unterbrach die Verbindung, legte das Telefon weg und ging in die Knie, um Ralphs Fell zu rubbeln.
„Hallo Ralph“, sagte ich in der Kindersprache, die man üblicherweise bei Hunden anwendet. „Wo ist denn dein kleiner Freund Joshua? Na? Dein kleiner Freund? Dem ich den Hals umdrehen werde, weil er sich einfach in den Wald davon macht, obwohl ich ihm gesagt habe, dass er das nicht tun soll. Na? Wo ist der kleine Mistkerl, Ralphie?“
„Wieso fragst du mich das?“, sagte Ralph. „Ich bin doch nur ein Hund!“
Ich bekam einen Schreianfall, der ziemlich lange anhielt.

John Scalzi ist immer wieder für solche überraschenden Wendungen in diesem Buch gut und an vielen Stellen passiert nicht das, was man als Leser gerade erwartet. Somit muss man dem Roman auch durchaus eine gewisse Spannung zuschreiben. Eigentlich sollte man auch meinen, dass gerade bei der Sache mit dem fürchterlichen Geruch, dem Leser nach drei oder vier witzigen Pointen, die „schlechte“ Luft ausgeht, doch dies beileibe nicht der Fall. Immer wieder gelingt es dem Autor noch einen drauf zu setzen.

Seite 358 schrieb:
„Joshua hat uns bereits eine Version deines Vorschlags mitgeteilt, einschließlich seiner Bedenken!“ sagt Gwedif.
„Wann hat er das getan?“ fragte ich.
„Gerade eben“, sagte Joshua und drehte sich zu mir herum. „in unserer Hohen Sprache, Tom. Ein netter durchdringender Furz, und alle wissen Bescheid!“
Auch die Wahl der in Autorenkreisen als schwierig anerkannten Ich-Form, die Erzählung aus der Sicht des Agenten, ist für diese Geschichte ein Gewinn und steigert den Lesefluss immens. Es fällt leicht, sich in die Figur des Agenten Tom zu versetzen und den liebenswerten Außerirdischen Joshua während des Lesens neben sich zu wähnen.

Trotz stellenweiser Längen beim Aufbau der Pointe zum Ende des Romans und dem auch nicht gerade überwältigendem Schluss, der jedoch zugegebenermaßen durchaus auch wieder in eines der Hollywood Klischees passt, bietet „Agent der Sterne“ köstlichen und kurzweiligen Lesegenuss für jeden SF Fan und solche, die es werden wollen. Es ist lange her, dass man so herzlich über Science-Fiction lachen konnte.

Im Übrigen sei noch erwähnt, dass die Wahl des Titelbildes es verdient hätte, als schlechteste Wahl des Jahres ausgezeichnet zu werden. Unpassender kann ein Titelbild nicht sein! Gut, dass dies dem Inhalt keinen Abbruch tut!


Viel Spaß beim Schmökern wünscht euch
Euer Tufir



John Michael Scalzi II (* 10. Mai 1969 in Kalifornien, USA) ist Autor und Online-Schriftsteller. Bekannt wurde er durch seinen für den Hugo-Award nominierten Science-Fiction Roman Krieg der Klone (Old man's war), erschienen 2007 im Heyne-Verlag. Darüber hinaus hat er eine Anzahl Non-Fiction Bücher verfasst. Für sein Sachbuch Your Hate Mail Will Be Graded: Selected Writing, 1998–2008 erhielt er 2009 einen Hugo-Award.

John Scalzi wurde in Kalifornien geboren, wo er seine Kindheit verbrachte - vor allem in Vororten von Los Angeles, z. B. Covina, Glendora und Claremont. 1987 ging er mit dem Blogger Josh Marshall in die High School. Nach einem Pensum an den Webb Schools of California besuchte er die University of Chicago. Dort ging er in dieselbe Klasse wie der Dramatiker und Pulitzer-Preis-Gewinner David Auburn und hatte für kurze Zeit Saul Bellow als akademischen Betreuer.

Nach seinem Abschluss 1991 arbeitete Scalzi als Filmkritiker für die Zeitung Fresno Bee, worauf er schließlich Humor-Kolumnist wurde. 1996 war er In-House-Writer und Editor für America Online, wofür er nach Sterling, Virginia umzog. Seit 1998 ist er selbstständiger Schriftsteller und Autor. Scalzi lebt heute mit seiner Frau und einer Tochter in Bradford, Ohio. 2009 gab er bekannt, für die neue TV-Serie Stargate Universe als Berater tätig zu werden.

Im August 2006 wurde John Scalzi mit dem John W. Campbell Best New Writer Award als bester neuer Science Fiction-Autor ausgezeichnet.

John Scalzi ist entfernt verwandt mit John Wilkes Booth.


Der Übersetzer Bernhard Kempen ist in einem kleinen Dorf in der Nähe von Oldenburg aufgewachsen. Nach Abschluss des Abiturs und einer Ausbildung zum Gärtner ging er 1984 nach Berlin, wo er an der Freien Universität Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft und Philosophie studierte. Es folgte ein einjähriger Studienaufenthalt an der University of East Anglia in Norwich/England, wo er 1987 seinen M. A. in Comparative Literature machte.

Zurück in Berlin schloss er 1994 seine Promotion zum Dr. phil. mit der Arbeit Abenteuer in Gondwanaland und Neandertal über prähistorische Motive in der Literatur und anderen Medien ab. Er verfasste zahlreiche Artikel über Phantastik in Literatur und Film und war Mitarbeiter und Redakteur der Zeitschriften SCIENCE FICTION TIMES (1989–1993) und SCIENCE FICTION MEDIA (1993–1995). Von 1990 bis 1998 gab er die Zeitschrift PREHISTORIC NEWS heraus. Seit 1997 ist er Redakteur des Internetmagazins EPILOG.DE und seit 1998 arbeitet er in der Redaktion des SF-Magazins ALIEN CONTACT mit.

Als freier Übersetzer hat Bernhard Kempen seit 1991 über 70 Bücher ins Deutsche übertragen – von Autoren wie William Shatner, William Sarabande, Ian Watson, Greg Egan, Neil Rose, Richard Morgan oder Terry Pratchett sowie zahlreiche Star-Trek-Romane.

Für die Übertragung des Romans Qual (engl. Originaltitel Distress, 1995) des australischer Schriftstellers Greg Egan wurde er 2000 mit dem Kurd-Laßwitz-Preis für die beste Übersetzung ausgezeichnet.


Vielen Dank an den Heyne-Verlag, der uns diese Rezension ermöglichte.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
AW: Agent der Sterne

Im Übrigen sei noch erwähnt, dass die Wahl des Titelbildes es verdient hätte, als schlechteste Wahl des Jahres ausgezeichnet zu werden. Unpassender kann ein Titelbild nicht sein! Gut, dass dies dem Inhalt keinen Abbruch tut!
Zumindest in meinem Fall hat der Heyne-Verlag da ein Eigentor geschossen. Das Cover sah so aus, als sei das Buch ein weiterer Teil der "Old Men's War" Reihe - von der ich nach "Krieg der Klone", "Geisterbrigaden" und "Die letzte Kolonie" genug hatte und daher "Zwischen den Sternen", die Geschichte von "Die letzte Kolonie" aus einem anderen Blckwinkel, ignoriert hatte und auch mit weiteren Teilen nichts mehr zu tun haben wollte. Folglich habe ich alles von John Scalzi, das nach noch einem Teil aussah, aussortiert.
Und wie's Gewitter nutzt Heyne ein fast gleich aussehendes Motiv weiter.
Ich bin mir echt nicht sicher, ob das marketingtechnisch so clever ist und außerdem - wie einfallslos ist das eigentlich?

Aber wenn ich das jetzt richtig anhand der Motive zusammenstückle:
Hat das von Dir besprochene Buch was mit dem ebenfalls fast gleich aussehenden "Androidenträume" zu tun? Lt. Amazon gibt es auch da Aliens mit Duftsprache...
 
AW: Agent der Sterne

Ich habe Androidenträume nicht gelesen. Nach der Besprechung bei Amazon zu urteilen, scheint es zwischen den beiden Büchern gemeinsame Ideen zu geben, aber sie haben inhaltlich nichts miteinander gemein. "Agent der Sterne" spielt quasi im Near-Future ohne menschliche Raumfahrt außer der uns tatsächlich bekannten - und die findet keine Erwähnung im Buch.
 
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