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Brettspiel Fairy Tile

Luzifer

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Titel: Fairy tile
Autor: Matthew Dunstan & Brett J. Gilbert
Illustration: LowKey
Spieleranzahl: 2-4
Spieldauer: 30 min.
Verlag: Iello / Hutter Trade
Erscheinungsdatum: 2018

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Fairy tail heißt auf Deutsch übersetzt „Märchen“. Natürlich wird es mit „ai“ geschrieben. Als ich die Spielschachtel vom Autorenduo Dunstan & Brett vor mir auf dem Tisch sah, dachte ich zuerst an einen ganz üblen Rechtschreibfehler auf der Spielbox Fairy tile. Erst bei näherer Begutachtung und dem Öffnen der Schachtel wurde mir die Genialität dieses Namens bewusst.

In der Box selbst befinden sich nämlich unter anderem Gebietsplättchen, die man auch als Teile bezeichnen könnte. Teile … tile … Ahaaaaa! Phonetisch wird hier also ein Schuh draus. Und diesen Schuh könnte man gleich der Prinzessin anziehen, die sich in Begleitung eines Drachen und eines Prinzen befindet. Diese Spielfiguren sind koloriert und liebevoll gestaltet. Sie laden geradezu zum Spielen ein. Mein Sohn findet sie so gut, dass er sie sogar schon mehrfach zweckentfremdet hat und ich sie zuletzt auf dem Piratenschiff im Spielzimmer fand.

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Worum geht es?

Natürlich um Teile, die man auslegen muss. Zu Beginn liegen drei vorgegebene Gebietsplättchen aus. Darauf sieht man Berge, Wälder, Ebenen, und Schlösser. Flüsse können sich zusätzlich über solche Gebiete schlängeln.

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Bei Fairy tile werden die Spielfiguren von allen bewegt. Sie sind also niemandem fest zugeordnet. Das war meiner Tochter erst mal schwer zu erklären. Die Prinzessin hatte natürlich sofort geschnappt, um sie für sich zu beanspruchen.
Der Spielablauf sieht folgendermaßen aus:

Bewege eine Figur
oder
Lege ein Gebiet an

Das ganze zielt darauf ab „Abenteuer zu erzählen“ welche sich auf Buchseiten-Karten befinden. Jeder für sich hat vor sich einen gemischten Kartenstapel liegen. Es sind die sogenannten Buchseite-Karten. Sie erinnern an wunderschön gestaltete und bemalte Seiten aus einem kunstvollen Märchenbuch. Darauf befinden sich neben Bildern auch Textpassagen. Ein Text in blau und einer in schwarz. Der schwarze Text ist für das Spiel selbst nicht relevant. Es ist eine Hintergrundgeschichte, die am Ende des Spiels als durchgehendes Märchen vorgelesen werden kann. Im Spiel selbst ist nur der blaue Text von Interesse. Das bedeutet aber auch, dass es notwendig ist, dass alle Mitspieler schon eigenständig lesen können sollten. Meine sechsjährige Tochter steht da vor einem Problem. Mittels einer Hausvariante haben wir dieses Problem umgangen, alle Karten offen gelegt und ihr immer vorgelesen, was sie zu tun hatte. Funktionierte auch.

Was muss man nun mit den Buchseiten tun? Sie geben Voraussetzungen vor, welche die Gebietsteile und auch die Figuren im Spiel betreffen. Benannt werden immer besondere Gebiete und auch eine oder mehrere Figuren. Zum Beispiel könnte eine Anweisung lauten:

„Der Ritter besucht ein Schloss.“

Damit ist klar, dass man den Ritter auf ein Feld mit einem Schloss bewegen muss, um die Buchseite zu erfüllen. Sobald man diese Voraussetzung erfüllt hat, wird die Buchseite wie in einem echten Buch umgeblättert und auf dem Kartenstapel erscheint die nächste „Seite“ mit einer neuen Aufgabe.

Das knifflige an dem Spiel ist es also diese Aufgaben zu erfüllen, während die anderen Spieler ebenfalls Zugriff auf die Figuren haben und sie eventuell für ihre eigenen Aufgaben benötigen. Noch kniffeliger wird es, da die drei Spielfiguren ganz eigene Bewegungsregeln haben. So ähnlich wie bei Schach, dürfen die verschiedenen Figuren nur nach bestimmten Vorgaben laufen:

Die Prinzessin kann sich nur ein Feld weit bewegen, aber auch von Schloss zu Schloss hüpfen (Beamen im Mittelalter?).

Der Drache bewegt sich in eine Richtung geradeaus und zwar so weit, bis er ans Ende der Welt stößt (in diesem Falle bis zum Ende der ausgelegten Gebietsplättchen).

Der Ritter bewegt sich genau zwei Felder weit, darf aber nicht wieder neben seinem Ausgangsfeld landen.

So kann es einige Runden dauern, bis man den Ritter zu seinem Schloss bewegt hat, sogar ohne Einmischung des Gegners. Wer es aber als Erster schafft all seine Abenteuer auf dem Buchseitenstapel zu vollenden, der hat Fairy tile gewonnen!

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Fazit

Fairy tile kommt als Erzählspiel in der Verkleidung eines Kinderspiels mit märchenhaftem Thema daher. Dahinter verbirgt sich jedoch viel eher ein Legespiel mit Schachanleihen und überraschend viel Arbeit für die grauen Zellen.

Die Auswahlmöglichkeiten sind zwar kurz und knapp: Figur bewegen oder Teil auslegen. Jedoch ist dabei zu beachten, was mich meinem Ziel am schnellsten näher bringt. Da kann es günstiger sein ein Bergplättchen zur Prinzessin zu legen, anstatt die Prinzessin fünf Felder zum bereits ausliegenden Bergfeld laufen zu lassen. Wie war das mit dem Berg und dem Propheten?

Es geht also um Effektivität. Was bringt mich am schnellsten zum Ziel? Der Gegner ist nämlich auch noch da und im normalen Spiel hab ich keine Ahnung, welche Figur er als nächstes zieht und möglicherweise meine Pläne vermasselt. So besteht die Interaktion von Fairy tile im Grunde im Durchkreuzen des eigenen Vorhabens, durch Umstellen der Figuren. Bewusst oder unbewusst, denn der Gegner hat ein eigenes Abenteuer zu bestehen.

Hierbei kann es einen eklatanten Unterschied in der Erfüllbarkeit der Abenteuer geben. Manche sind eher einfach gehalten, wie das oben genannte Beispiel. Andere bedürfen einiger Vorbereitung, wie z.B. „Der Drache besucht den Großen Fluss (5 oder mehr Felder)“. Das bedeutet auf dem Tisch muss ein Fluss ausliegen, der über 5 Felder reicht. Wenn dem derzeit nicht so ist, muss man erst mal ein oder mehrere Teile über mehrere Runden hinweg auslegen. Geschweige denn, den Drachen dann auch noch auf eines dieser Felder bringen. Andere Abenteuer sind beim Aufdecken schon so gut wie erfüllt: Der Prinz muss mit der Prinzessin auf einem Feld stehen. Ach wie passend, die Prinzessin ist schon in Position und der Prinz zwei Felder entfernt…

So spielt der Zufall eine große Rolle bei Fairy tile. Wie sind die Buchseiten verteilt? Wie sieht das zufällig entstandene Königreich mit seinen vielen Feldern aus? Was ist alles vorhanden? Wo genau stehen die Figuren? Das birgt viele Variablen, die für die eine Karte besser passen, als für andere. Und wer mehrere Zufälle aneinander reiht, wird mit ziemlicher Gewissheit Sieger. Da hilft es auch nicht eine Sonderaktion zu nutzen, indem man schwierige Abenteuer erst mal wieder unter den Stapel mischt und sich dadurch einen Extrazug erkauft. Diese Option kostet letztlich auch Zeit.
Die Berechnung von Zügen und dieser deutliche Zufallsfaktor wollen in einem Kinderspiel nicht so richtig zusammen passen.

Optik und Haptik sind bei Spielen von Iello fast ausschließlich top und so auch hier. Lobend sei auch die Größe der Box erwähnt. Wie bei „Der mysteriöse Wald“ ist die Schachtel deutlich kleiner als reguläre Spiele und alles hat seinen festen Platz.

Meine Tochter liebt es die Prinzessin bewegen zu dürfen und durch die Spielplanteile ein immer größer werdendes Königreich zu verschaffen. Die Bewegungsregeln waren selbst mit 6 Jahren schon schnell gelernt, wenn auch im Verständnis etwas abstrakt. Leider ist das Spiel erst ab 8 Jahren und das setzt voraus, dass alle Mitspieler auch schon lesen können. Dabei wäre es ein leichtes gewesen die Voraussetzungen auf den Buchseiten anstatt in einen Fließtext auch mittels Symbolen darzustellen. Klar, das würde die erzählerische Seite des Spiels einschränken, dafür würde es den Zugang auch für kleinere Kinder öffnen oder für Erwachsene den Überblick zu vereinfachen.

Die Buchseiten zu einer fertigen Geschichte zusammen zu fassen ist für meine Kinder eine tolle Erfahrung. Jede Partie endet damit, dass ich die Geschichte des Siegers (und auch aller anderen Mitspieler) vorlese. Dazu muss man die Buchseiten in aufsteigende Reihenfolge legen (alle Buchkarten haben eine aufgedruckte Seitennummer). Daraus ergibt sich grundsätzlich eine passende und meist sogar zusammenhängende Geschichte. Der Reiz am Märchen wird bei Fairy tile also weiter befeuert und auch erfüllt.

Der Name Fairy tile ist also Programm. Selten haben Thema und Spielmechanismus in einem Titel so klar zusammen gepasst. Das Spielgefühl selbst schwankt zwischen Legespiel, Hirnknobelei und Erzählspiel. Die Abläufe sind zwar taktisch, aber auch von einem hohen Glücksfaktor begleitet. Das hemmt ein harmonisches Spielgefühl und den Spaß am Spiel selbst. Alles was das Thema betrifft macht Fairy tile zu einem Spiel, das meine Kinder jedoch gerne auspacken, auch wenn wir dann gar nicht immer ein ganzes Spiel spielen. Es ist ein Eintauchen in eine wunderbare Märchenwelt.

Auf der Seite des Verlags gibt es ein kurzes Video zum Spiel:


Hier gibt es die Regeln als PDF zum Download.

Vielen Dank an den Hutter Trade Verlag, welcher diese Rezension ermöglichte.

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[30/50] - Spielspaß
[18/20] - Spielthema/-regeln
[18/20] - Ausstattung
[6/10] - Preis/Leistungs-Verhältnis

71% - gesamt


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