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Brettspiel Broom Service

sonic_hedgehog

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Titel: Broom Service
Autor: Andreas Pelikan, Alexander Pfister
Spieleranzahl: 2-5
Altersempfehlung: ab 10 Jahren
Spieldauer: 45 - 75 Minuten
Verlag: Ravensburger
Erscheinungsdatum: März 2015
ASIN: B00V5073XQ

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Broom Service von Andreas Pelikan und Alexander Pfister, erschienen unter der Marke alea bei Ravensburger ist stolzer Träger des Titel Kennerspiel des Jahres 2015. Kennerspiel des Jahres? Dieser Pöppel wird seit 2011 vom Spiel des Jahres e.V. parallel zum bekannten Spiel des Jahres Pöppel verliehen und hat den Anspruch anstelle von Familienspielen komplexe Spiele für erfahrene Spieler zu prämieren.
Inwieweit das gelingt, ist Gegenstand von Diskussionen: Bisherige Gewinner waren 7 Wonders, Village, Legenden von Andor und Istanbul. In diese illustre Reihe begibt sich nun also Broom Service, gemeinhin als der Nachfolger des (mir leider unbekannten) „Wie verhext“ beschrieben. Gut, man kann nicht alles kennen und davon sollte man sich auch nicht abschrecken lassen.

Was ist „Broom Service“? Kurz gesagt: Ein Stichspiel mit Spielplan. Aber was für eines…

In der bunten Schachtel finden sich: Ein ebenso bunter, beidseitig verwendbarer Spielplan, diverse Spielkarten, die sich in Figuren und Ereignisse unterteilen, eine Vielzahl von Holzsteinchen in Form von Hexen und Tränken sowie diverse Pappplättchen, die Wolken, Zauberstäbe, Amulette und Landschaften zeigen. Und – meine Begeisterung stieg dadurch schon vor dem ersten Spiel - eine Einlage und kleine Tütchen, die das Material sortiert und vernünftig aufnehmen. Der Spielplan ist ebenso bunt wie die Schachtel, was nicht immer der Übersichtlichkeit zuträglich ist und aufgrund der Comicartigkeit des Stils zugegeben auch nicht jedermanns Geschmack ist.

Vor das erste Spiel wurde aber das Lesen der Spielanleitung gestellt. In der Regel versuche ich, das auf dem Arbeitsweg hinter mich zu bringen, um am Abend schneller einsteigen zu können. Ein Versuch, der hier leider grandios scheiterte. Ohne den Spielplan vor mir liegen zu haben, wollte es mir partout nicht gelingen, auf Basis der Beschreibung einen Spielablauf vor meinem geistigen Auge zu sehen. Daher: Gemeinsames Lesen während des Aufbaus. Das lief erstmal deutlich besser, da die Anleitung die nötigen Informationen mehr oder weniger chronologisch anbietet. Und einen prinzipiell begrüßenswerten Weg beschreitet – in dem der Fließtext durch Randnotizen kurz zusammengefasst wird. So konnten wir los legen, um dann doch (wie bei jedem ersten Spiel) immer wieder auf die Anleitung zurückzugreifen um Detailfragen zu klären. Was wieder zu leicht verkniffenen Gesichtern führte. Nicht dass Informationen gefehlt hätten, das nicht, aber es ergab sich ein munteres hin und her blättern, da irgendwie keine Information da zu finden war, wo wir sie gesucht hätten. Gottseidank, und das rettet die Misere, ist die Anzahl der benötigten Regeln überschaubar – da sich (und das mag als Überleitung dienen) die Komplexität des Spiels nicht aus Regelverliebtheit sondern aus dem Spiel selbst ergibt. Kurze Regeln die zu Tiefgang führen – das macht dann schon wieder Freude.

Unser Ziel ist es, jeder für sich, Punkte durch die Auslieferung von Tränken zu sammeln. Über den Spielplan verstreut liegen Türme, in denen unsere Abnehmer sitzen. Diese wünschen sich Tränke in einer der drei Farben und vergeben dafür die für den Sieg benötigten Punkte. Wir müssen also nur Tränke brauen und vorbeibringen. Eigentlich. Lieferberechtigt sind aber nur Hexen und Druiden und die jeweils nur für die passenden Gebiete – Gipfeldruiden also beispielsweise nur im Gebirge. Hexen haben dabei den Vorteil, dass sie vor Auslieferung reisen dürfen (sofern nicht Wolken oder Wasser im Weg sind), während Druiden schon neben dem Kunden sitzen müssen. Müssen und dürfen können dabei je nach Situation auch getauscht werden. Während Wasser traditionell ein für Hexen Problem darstellt, ist gegen Wolken ein Kraut gewachsen, oder besser gesagt, eine Wetterfee vorhanden. Gebraut werden die Tränke von Kräutersammlern, durch deren Ausspielen wir uns einen Vorrat an Tränken, aber auch an Zauberstäben für die Wetterfee anlegen.

All diese Figuren finden sich auf den Spielkarten, von denen jeder zehn seiner Farbe besitzt und in jeder Runde vier davon auf die Hand nimmt. Und da beginnt das Problem: Gipfeldruiden, um beim Beispiel zu bleiben, gibt es in jeder Spielfarbe. Im schlimmsten Fall will also jeder Spieler einen Turm im Gebirge beliefern und wählt den Gipfeldruiden als eine seiner vier Karten. Spielt nun der erste Spieler den Gipfeldruiden aus, muss er sich entscheiden: Entweder ist es der „mutige“ Gipfeldruide (lohnenswerter aber riskant) oder der „feige“ Gipfeldruide (weniger lohnenswert, aber risikolos). Mutig gespielte Rollenkarten bewirken erst mal gar nichts, sondern warten, bis alle Spieler eine Karte gespielt haben. Dabei herrscht Bedienpflicht – liegt der Gipfeldruide aus, müssen alle anderen Spieler ihren Gipfeldruiden ebenfalls ausspielen, sofern auf der Hand vorhanden. Und auch sie entscheiden sich für mutig oder feige. Feige Rollenkarten führen die kleine Aktion der Karte sofort aus. Später ausgespielte, mutige Karten, stechen die vorher ausgespielten mutigen Karten und warten dann an deren Stelle bis zum Ende des Stichs. Der letzte Spieler, der die passende Rollenkarte mutig ausspielt, gewinnt dadurch das Recht, die große Aktion der Karte durchzuführen, alle anderen mutigen Karten verfallen. Wer nicht bedienen kann, passt. Es ergibt sich die klassische Dynamik eine Stichspiels – hinten zu sitzen ist meistens gut, danach ausspielen zu müssen, eher nicht so gut, in der Mitte ist an immer irgendwie zwischen den Stühlen. Thematisch irritierend, aber nur als Schönheitsfehler zu bezeichnen, ist, dass in jeder der fünf Farben nicht nur (sinnvollerweise) dieselben Rollen vorhanden sind, sondern dass diese Rollen auch noch die gleichen Namen tragen. Jeder Gipfeldruide im Spiel heißt also Gypsdir. Spielerisch ist das gleichgültig, aber thematisch irgendwie sinnlos. Entworfen ist das Spiel für fünf Teilnehmer. Sollten weniger als fünf Spieler am Tisch sitzen, wird für jeden fehlenden Spieler eine Rollenkarte von einem nicht benötigten Stapel aufgedeckt – die Rolle ist in dieser Runde verflucht, ihre Nutzung kostet also Punkte in der Endwertung. Dieser simple Trick führt dazu, dass das Spiel mit weniger Teilnehmern zwar leicht anders, aber immer noch reizvoll ist. Auch zu zweit ist das Spiel (etwas überraschend) gut spielbar.

Die klassische Stich-Mechanik wird kombiniert mit dem Spielplan: Nicht nur gilt es, durch die Rollenkarten die notwendigen Ressourcen zu generieren – im Idealfall erfolgen Tränke brauen, Zauberstäbe herstellen, mit Zauberstäben Wolken aus dem Weg schaffen, Spielfigur bewegen und Trank ausliefern in der richtigen Reihenfolge. Stünden da nicht die anderen im Weg, die knapp vor einem den anvisierten Turm besuchen und die Lieferung übernehmen. Oder die einen dank des Bedienzwangs dazu zwingen, die mühsam ausgeklügelte Reihenfolge zu verletzen oder spontan umzudisponieren. Die einen im schlimmsten Fall in eine Sackgasse zwingen, die man nur über schon belieferte Felder wieder verlassen kann und einen so zwingen, den Stich zu verschwenden. Wenn man denn überhaupt die geplanten Aktionen durchführen kann und sich nicht verspekuliert und überstochen wird.

Wie lohnenswert die Aktionen und die Bewegungen auf dem Spielplan sind, wird durch die Ereigniskarten beeinflusst – die mal Spieler dafür bestrafen, am Ende der Runde auf bestimmten Feldern zu sitzen, mal Wahlmöglichkeiten für Aktionen schaffen, mal die Möglichkeit für zusätzliche Siegpunkte liefern.

Glück spielt also, wie bei jedem Stichspiel, eine größere Rolle und wenn man mal kein Glück hat, kommt durch geplatzte Bewegungspläne auf dem Plan sicher auch noch Pech dazu. Das muss man mögen, aber wer keine totale Aversion gegen Glückselemente hat, sollte sich daran nicht stören. Zumal man immer das Gefühl hat, das Pech selbst mit verschuldet zu haben. Hätte man doch mit feiger Spielweise geplant. Aber immer nur feige gewinnt halt nicht.

Inwieweit Broom Service tatsächlich ein Kennerspiel ist und nicht „nur“ ein etwas komplexeres Familienspiel sei an dieser Stellte dahingestellt. Ich kenne wesentlich komplexere Spiele mit glücksunabhängigen Mechaniken, die für einige sogenannte Hobbyspieler eher ihrem Anspruch entsprechen dürften. Gleichzeitig muss ich festhalten, dass ich Broom Service für faszinierend halte. Faszinierend genug, um es in unserer Runde auf die „Kann immer wieder mal auf den Tisch kommen“-Liste zu setzen. Es gibt viel, was bei der Wahl des Vorgehens zu beachten ist und selbst bei Beachtung scheinbar aller Punkte ist noch lange nicht sicher, dass ein Plan auch aufgeht. Durch die erweiterten Elemente, die durch Amulette, Landschaftskarten und die komplexere Spielplanrückseite ins Spiel kommen, ist auch langfristig für Abwechslung gesorgt. Abwechslung, die das Spiel weder verbessert noch verschlechtert, sondern schlicht variiert.

In der Summe also ein rundum gelungenes Spiel mit leichten Schwächen durch die Farbgestaltung und die Anleitung, das ich aber dennoch jederzeit empfehlen würde.

Dank gilt, zu guter Letzt, dem Ravensburger Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.

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[45/50] - Spielspaß
[12/20] - Spielthema/-regeln
[19/20] - Ausstattung
[10/10] - Preis/Leistungs-Verhältnis
86% - Gesamt


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Tufir

Drachling
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Das war auch ein beliebtes Spiel auf S(pi)eligenstadt 2016! :)
 

sonic_hedgehog

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Immer wieder nicht - aber das lag nicht am Spiel sondern an Zeitmangel. Aber: Ja - es ist immer noch ein lustiges Spielchen
 

sonic_hedgehog

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Ja, wenn man berücksichtigt, dass es zwar ein Kennerspiel ist, aber sicher nicht vom Schlag der Schwergewichte. Durch dach etwas verspielte Thema mag es Geeks abstoßen (zu Unrecht), dafür aber für Otto-Normal-Spieler zugänglich sein. Das ist auch in meinen Augenblick Zielgruppe: Spieler von Familienspielen, die mal mehr gefordert werden wollen.
 

sonic_hedgehog

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Zwischen den Jahren und diese Woche hatten wir Familienbesuch - die perfekte Gelegenheit, Broom Service mal wieder auszupacken.

Und in der Tat kann ich das damalige Fazit auch mit neuen Mitspielern nur bestätigen - es ist ein vertrickt-vertracktes Stichspiel - fordernd aber nicht überfordernd - wenn der Einstieg geschafft ist, schnell gespielt (bis einer zu grübeln anfängt, aber so ist das ja immer ;) )

@Luzifer : Hast Du es Dir eigentlich damals für diesen Spitzenpreis geholt?
 

Yakosh-Dej

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Aufgrund der Vielzahl an anderen Spielen, die noch ungespielt herum stehen, habe ich verzichtet. Den Preis finde ich trotzdem immer noch Hammer.

11,95 € ist wirklich eine Ansage. Aber auch ich habe mittlerweile eine gehörige Anzahl an sehr guten Spielen Zuhause, die ich bisher noch garnicht ausprobiert habe, und ich versuche derzeit daher mehr und mehr auf die Bremse zu treten und weniger Neues in Hauszu holen.
 
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