Mir geht es ähnlich wie Vorrednern: Meine ersten Erfahrungen mit Dungeon Crawlern beschränkten sich auf HeroQuest und Space Hulk. Beides graue Vorzeit. Descent und seine diversen Abkömmlinge hatte ich natürlich wahrgenommen, ich war aber nie vollkommen überzeugt, ohne das an etwas bestimmten festmachen zu können. Mehr ein dumpfes Gefühl als rational begründet. Vielleicht Entscheidungsparalyse, quasi die (eigentlich sinnlose) Suche nach dem perfekten Dungeon Crawler (unter und neben den Descent-Klonenen aus dem Hause FFG). Vielleicht auch die Frage, ob die (vielfach geschilderte) Regelflut notwendig sei oder ob nicht ein leichtgewichtiger Dungeon Crawler eher meinen Bedürfnissen entspricht.
Bis diese Woche unsere RPG-Runde ausfallen musste und die Alternative Descent auf dem Tisch lag.
Zwar ist einmal keinmal, keine fundierte Meinung nach nur einem Abend, aber eine erste Einschätzung ist schon drin.
Ausgangssituation:
Wir gegen die App. Wir: Zu dritt, der Besitzer des Spiels und zwei Newbies gegen die App. Das ersparte uns das Regelstudium. Dazu ein Heiler als zusätzlicher Char, um unsere Chancen zu verbessern. Wie sich zeigte: Bitter nötig! Vier Stunden dauerte allein diese erste Nebenquest und sie war fordernd. Nie so, dass wir ernsthaft mit Scheitern rechneten, aber auf keinen Fall ein Selbstläufer.
Wie wählten eine Quest aus, übersprangen das Tutorial und levelten die Charaktere auf die Stärke derjenigen, die das Tutorial gemeistert haben. Und dann auf ins Gefecht. Dorfbewohner bitten um Hilfe, die Magier, die sie vor den Goblins retten sollten, haben das Dorf besetzt.
Eine relativ kleine Karte, mit den Endgegner 6 verschiedene Gegner, die alle nacheinander in Gruppen auftraten. Eigentlich nicht viel, aber ausreichend. Die App ist eindeutig einem menschlichen Gegner unterlegen - davon ausgehend, dass dieser dieselben Möglichkeiten zur Bewegung seiner Figuren hat, dann wären diese deutlich effektiver gewesen als mit den eher zufällig gewählten Zielvorgaben der App. Das war, neben Sound und Grafik, das was mich am meisten an alte, isometrische PC-RPGs erinnerte - auch da vollführten die computergesteuerten Charaktere mitunter komische Züge. Umso interessanter, dass wir uns doch so schwer getan haben.
Im Grunde ist es auch in Descent dasselbe wie früher in HeroQuest: Eine Karte mit Feldern - die Charaktere haben Zugweiten und Angriffsaktionen. Ausgefeilter ist das Drumherum - die unterschiedlichen Eigenschaften, die Vielfältigkeit der Würfelergebnisse durch die Symbolkombinationen und das taktische Element, zum richtigen Zeitpunkt Erschöpfung auf sich zu nehmen, um effektiver zu werden. Sicher ist da noch mehr - aber wie gesagt, ich habe die Regeln nicht gelesen, sondern mich anleiten lassen.
Dazu die Charaktere, die zum Teil am Brettspiel zu etwas Rollenspiel einladen - aber kein Rollenspiel aus Descent machen. Dafür fehlt einfach zu viel. Dennoch glaube ich, dass eine gewisse RPG-Affinität schon wichtig ist, wenn man an Descent Spaß haben will. Denn für ein 4-stündiges Spiel passierte eigentlich relativ wenig, verglichen mit anderen Brettspielen, ich denke da ein ein Through the Ages. Da muss einen das Thema schon mitnehmen.
Und von der Brettspielseite betrachtet - strategische Elemente waren in dieser Quest für mich nicht zu entdecken - ein Brettspiel, das langfristige Planungen fordert und belohnt scheint mir Descent nicht zu sein. Dafür ist es dann auch zu zufällig - man kann schon massives Würfelpech haben - Gottseidank ist das Wiederbeleben von Charakteren ebenso trivial wie im ein oder anderen D&D-basierten PC-Spiel. Auch fragte ich mich, ob dem Spiel nicht ein anderes taktisches Element fehlt - das der Positionierung im Raum - also die Berücksichtigung von Umzingelung, Höhenunterschieden etc. Aber vielleicht wäre es dann wirklich überfrachtet.
Descent ist also in der Tat irgendwo dazwischen - es ist für mich kein Ersatz für ein Rollenspiel, aber auch nicht das Brettspiel, das alle anderen ablöst.
Wenn ich das so lese, klingt es irgendwie negativer als es sollte. Damit das nicht zu Missverständnissen führt: Ich hatte wirklich Spaß mit Descent. Ich hatte damit auch mehr Spaß als mit der Runde Zombicide - wo man sich im Grunde ja auch durch einen Dungeon schlägt. Einzig - bei beiden Aspekten des Spiels ist mir die Reinform lieber. Was es aber genau passend für solche Abende macht, an den die RPG-Runde nicht ausreichend besetzt ist, man aber dennoch im Genre bleiben möchte.
tl;dr Spannend, lustig, nah an RPG, näher an (älteren) PC-RPGs. Im Vergleich zu RPG aber nur eine gute zweite Wahl. Als Brettspiel abhängig von der Gruppe auch, aber nicht ausschließlich.